Christina Hupfer - Schleuderkurs

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Das Leben könnte so schön sein —
Wenn einen der Lebensgefährte nicht gerade gegen eine andere ausgetauscht hätte. Wenn alles nicht so teuer wäre, und man für seine Arbeit angemessen bezahlt würde. Wenn nicht mancher für Geld über Leichen ginge. Oder wenn man Superfrau wäre…
Paulina ist im Moment alles andere als das. Liebeskummer, Karriereknick, Geldnöte: Ihr Lebensgefährte fand was Besseres, im Büro thront ein selbstherrlicher Chef und auf ihrem Konto leuchten die roten Zahlen.
Trotz ihrer finanziellen Schieflage und obwohl die mitleidigen Blicke ihrer Kollegen fast schlimmer sind als ihre Höhenangst, lässt Paulina sich überreden, mit ihnen ein Wochenende in den Bergen zu verbringen.
Als sie dort, gerade mal alleine unterwegs, auch noch einen abgestürzten Wanderer entdeckt, steht sie an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Erst recht, als sich herausstellt, dass bei dem Unfall nachgeholfen wurde.
Paulina fühlt sich beileibe nicht als Superfrau, das Unbehagen über die vergangenen Wochen hat sie noch fest im Griff, und sie hat keine Ahnung, was sie mit dem verletzten Kerl anfangen soll, für den sie sich nun irgendwie verantwortlich fühlt. Und erst recht nicht, dass sie sich selbst damit in größte Gefahr bringt.

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Christina Hupfer

Schleuderkurs

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Inhaltsverzeichnis Titel Christina Hupfer Schleuderkurs Dieses ebook wurde - фото 1

Inhaltsverzeichnis

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Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Epilog

Dank

Götter, Gipfel und Gefahr

Nur eine winzige Spur

Miro

Impressum neobooks

Kapitel 1

Schleuderkurs

***

Das Schicksal ereilt uns oft auf den Wegen,

die man eingeschlagen hat, um ihm zu entgehen.

Jean de la Fontaine

Soll ich?

Soll ich nicht?

Oder vielleicht sollte ich doch…

Das Rauschen des Verkehrs, die Gesprächsfetzen der vorbei Flanierenden, das Klingeln der Fahrräder und das Lachen von Schulkindern. All das nehme ich nur als schwaches Hintergrundgeräusch wahr. Vor mir ragt einschüchternd das vertraute Gebäude auf, das ich so noch nie betrachtet habe. Zögernd trete ich näher, starre auf die Abbildungen der Immobilien, die im Eingangsbereich meiner Bank angeboten werden ohne sie wirklich zu sehen. Aber ich weiß, dort drin, hinter der zweiten Tür von rechts sitzt der geschniegelte, ach so nette Herr Bäuerle, der mir erst kürzlich vorgerechnet hat, wie viel Geld mir für den laufenden Monat noch zur Verfügung steht: Nämlich so gut wie nichts. Die Raten für die Wohnung, für meinen kleinen Flitzer und für die teure Reise, die ich noch abstottern muss, obwohl sie mir überhaupt keine Freude gemacht hatte. Das extravagante Kleid, das ich nur dafür gekauft und ungetragen wieder mitgebracht hatte, das neue iPhone, das ich meinte unbedingt haben zu müssen und vor allem die unvorhergesehene Reparatur meines Autos — all das hat dafür gesorgt, dass sich mein kleines Sparguthaben in rote Zahlen verwandelt hatte, und dass meine Bekanntschaft mit diesem Herrn intensiver wurde.

„Sehr geehrte Frau Werner, ich kann Ihren Dispokredit um tausend Euro aufstocken. Nur vierzehn Prozent Zinsen“, hatte er mir angeboten. „Sie haben eine feste Anstellung? Ja? Sie können natürlich auch einen normalen Kredit beantragen. Sie müssten einfach diese Formulare hier ausfüllen, dann können Sie alles gemütlich abbezahlen. Sie sollten sich das aber schnell überlegen“, hatte er mit einem Blick auf meine Unterlagen fordernd hinzugefügt.

Ha! Ja, ich habe eine feste Anstellung — mit einem leider kümmerlichen Gehalt, wie Herr Bäuerle bemerkt haben dürfte. Gerd hatte mir schon immer gesagt, ich wäre unterbezahlt, mit meiner guten technischen Ausbildung könne ich wesentlich mehr erwarten, und ich solle endlich mal auf den Tisch hauen. Aber dafür bin ich einfach nicht geschaffen. Die Hoffnung, dass mein Vorgesetzter erkennt, was er an mir hat, die habe ich inzwischen aufgegeben, genauso wie der liebe Gerd mich. Der hat mich mitsamt der Wohnung, die auf meinen Namen läuft, von einem Tag auf den anderen sitzen lassen.

Ich zögere immer noch vor dem Eingang meiner Bank. Wenn ich jetzt kehrt machte, wenn ich da jetzt NICHT hinein ginge, wäre ich wenigstens all meine finanziellen Sorgen auf einmal los. Ich würde nicht mehr verzweifelt überlegen müssen, wie ich mit dem kümmerlichen Restgeld, das mir nach dem Abführen der von Herrn Bäuerle auf den Cent genau ausgerechneten Kreditraten, der Versicherungsbeiträge, der Telefongebühren, des Benzingelds und was sonst noch so alles jeden Monat fällig ist, über die Runden kommen sollte. An die horrenden Summen für die Abbezahlung der Wohnung, für die ich jetzt alleine aufkommen muss, mag ich gar nicht denken. Wenn ich jetzt umkehrte, würde ich nicht peinlich berührt unserem Hausverwalter erklären müssen, warum die von ihm eingezogene Wohnnebenkostenjahresnachzahlung von meiner Bank wieder zurückgeholt worden war. Ich könnte alle meine Schulden auf einen Schlag tilgen. Ich könnte mich zur Feier des Tages in das vielgerühmte, mit einem Stern verzierte Restaurant am Marktplatz setzen, anstatt das günstige Essen in der Kantine zu mir zu nehmen und verstohlen die Hälfte für den Abend einzupacken.

Was soll ich nur tun? Seit ich vor drei Tagen widerstrebend meinen Kontoauszug ausgedruckt und danach ungläubig die schwarze Zahl darauf angestarrt hatte, falle ich abwechselnd von euphorischen Höhen in die Tiefen dunkler Ängste. Sehe mich unbeschwert durch wilde Partys tanzen, in den teuersten Läden einkaufen und Gerd eine lange Nase drehen. Dann wieder schlägt mein Herz panikartig im Takt von ‚Aber, was wäre wenn?‘.Und ich frage mich gerade wieder: Wer hat mir diese fünfundzwanzigtausenddreihundertundfünf Euro und dreiundvierzig Cent, in Zahlen: 25305,43 Euro, überwiesen??? Aus den Nummern auf dem Auszug werde ich nicht schlau, auch wenn ich sie mir noch so oft ansehe. Und bis heute hat niemand diesen Betrag zurückgefordert. Gibt es tatsächlich Menschen, denen es nicht auffällt, wenn solche Summen von ihrem Konto verschwinden? Ich kann es mir nicht vorstellen. Die unruhigen Nächte vor und nach diesem unerwarteten Geldsegen stecken mir in den Knochen. Zuerst die Gedanken an eine drohende Armut, an das Ausgegrenzt sein. Nicht mehr mal schnell ein interessant wirkendes Buch kaufen, nicht mehr mit jemandem ohne zu überlegen einen Cappucino trinken gehen können. Ich müsste mir andauernd Ausreden überlegen. Das alles könnte ich mir ersparen. Und vor allem weitere unerfreuliche Gespräche mit Herrn Bäuerle.

Oder es käme noch schlimmer. Was geschähe, wenn das Geld eines Tages doch noch vermisst würde?

Aber wenn ich an die Summen denke, die man unseren Politikern, Fußballern und anderen Prominenten hinterher wirft! In solchen Kreisen kauft jemand vielleicht schnell mal ein Wohnmobil oder ein Segelboot, bei dem nur das Zubehör so viel wie ein Kleinwagen kostet. Der oder die merkt bestimmt nicht, dass seine Überweisung auf ein falsches Konto geraten ist und bezahlt wahrscheinlich nach einer Mahnung einfach noch mal. Und was kann mir schon passieren, wenn ich das nicht melde? Ich würde so gern diese Chance nutzen. Wenn ich dann trotzdem sparen würde, hätte ich die Summe vielleicht beisammen, bis der Fehler auffällt.

Ja. Ich überlege noch einmal fieberhaft. Ich würde meine Schulden abbezahlen. Und vielleicht noch tausend Euro extra behalten, Den Rest würde ich auf einem Tagesgeldkonto parken. Und dann jeden Monat eine feste Summe sparen. Wie lange müsste ich…? Die Versuchung zieht mich mit Macht in Richtung Ausgang.

Ich schaue auf die Uhr. In fünfzehn Minuten schließt die Bank. Es ist Donnerstag Abend. Ich könnte mir doch mit meiner Entscheidung bis Montag Zeit lassen?

***

Genervt pfeffere ich die einzig verbliebene Tüte Gummibärchen mit dem sinnigen Aufdruck ‚Ihre Bank — immer für Sie da‘ in die Ecke. Mir ist schlecht von diesen Süßigkeiten, die ich gerade eben in mich hineingestopft habe. Aber die zerfetzten kleinen Tüten im Korb erinnern mich an die Igelhaare meines Beraters, die, als er mir meinen Dispokredit genehmigte, beifällig mitnickten. Und an die hilflose Wut, mit der ich mir währenddessen die Taschen mit den verfluchten Gummibären vollgestopft hatte. Bald ist Wochenende. Das fünfte ohne Gerd. Vor kurzem war ich noch seine anmutige Gazelle, die er gerne überall vorgezeigt hatte. Was ich, entwöhnt aller Lagerfeuerromantik und des Jeanslooks meiner Jugend, ausgiebig genossen hatte. Vorbei!

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