1 ...6 7 8 10 11 12 ...17 Er lachte, als hätte ich einen Scherz gemacht. Während er das Sandwich aß, zweifelte ich an meiner Theorie, er möge Verstand besitzen. Vielleicht hatte ich mich getäuscht.
Ich nahm den Teller mit den Sandwiches und sah ihn erwartungsvoll an. Aber das überging Chris einfach.
Seufzend rollte ich mit den Augen. „Komm mit“, forderte ich ihn auf. „Du bist doch nicht hier, um in unserer Küche Wurzeln zu schlagen.“
„Deine Mom sah beschäftigt aus, als ich kam.“
„Sie ist beschäftigt. Sie unterhält sich mit ein paar Besitzern, die ihre Pferde hier unterbringen wollen.“
„Na dann lass sie das mal machen. Ich habe es nicht eilig.“
Ungläubig starrte ich ihn an. Mein Blick musste etwas bewirkt haben. Er lachte zwar, aber wenigstens stand er endlich auf.
„Na schön, na schön. Bevor du mich noch mit den Sandwiches da erschlägst. Soll ich draußen auf deine Mom warten?“, erkundigte er sich, als wir aus der Küche gingen.
„Nein“, erklärte ich und bemühte mich ruhig zu bleiben. „Das wird länger dauern. Sie hat mich gebeten, dir alles zu zeigen.“
„Mir alles zu zeigen?“ Skeptisch folgte er mir aus dem Haus. „Was gibt es da zu sehen? Wiese, Hof, Stall, Scheune und ein Haus.“
„Du musst dich hier ein bisschen besser auskennen, wenn du ab morgen mitanpacken willst. Während der Arbeit hat niemand von uns Zeit, dir alles fünf Mal zu erklären. Deswegen hör lieber zu, wenn ich dir nachher sage, wie das hier bei uns abläuft.“
Damit hatte er wohl nicht gerechnet. Jedenfalls war er für die nächsten Minuten still. Die nutzte ich, meiner Mom den Teller mit den Sandwiches in ihr Büro zu bringen. Sie lächelte mich dankbar an. Ich hatte sie schließlich nicht ihretwegen gebracht – jedenfalls nicht wirklich – sondern für die Alcotts. Mr. Alcott liebte meine Sandwiches und ich war der Meinung, etwas liebevolle Bestechung konnte meiner Mom in ihren Verhandlungen nur helfen.
Als ich wieder zu Chris zurückkam, stand er immer noch auf dem Hof. In der Hand hatte er ein Handy – vermutlich genau wie Marian das neuste und teuerste Model eines I-Phones- und spielte damit herum. Oder schrieb SMS, telefonierte. Was wusste ich. Mit Handys kannte ich mich nicht aus. Meine Mom hatte eines zum Koordinieren ihrer Termine und in der Kommode im Flur lag eines für Notfälle. Beide Handys waren billige Prepaid Handys, die ihren Zweck erfüllten.
Finster starrte ich Chris an, der sich hier gab, als sei er zum Ferien machen da. Es hatte natürlich nicht viel Effekt, aber wenigstens steckte er nach einer Weile das Handy weg und sah mich an.
„Und jetzt?“, wollte er wissen. „Ich habe nur noch eine Stunde.“
„Nur noch …?“ Fassungslos erwiderte ich seinen Blick. „Was soll das denn heißen?“
„Na, dass ich nachher noch was anderes vorhabe.“
„Dir ist bewusst, dass meine Mom dich hier arbeiten lässt, damit du ohne eine Anzeige davon kommst. Sollte dir das nicht wenigstens so viel wert sein, dass du deine Dankbarkeit vortäuschst?“
„Ich bin nicht besonders gut darin, irgendwas zu heucheln.“
„Na sicher.“
Wer’s glaubt.
Grollend drehte ich mich um. „Komm mit. Ich zeige dir als erstes den Stall. Da wirst du die meiste Arbeit haben und demnach die meiste Zeit drin verbringen.“
Ich wartete nicht ab, ob er mir folgte und achtete auch nicht darauf, ob er einen seiner ach so witzigen Sprüche anbringen wollte. Im Augenblick wollte ich nur schnell meine Pflicht hinter mich bringen und hoffen, dass die Stunde verging und er wieder von unserer Farm verschwand.
„Hier ist die Vorratskammer. Vorne findest du alles was du brauchst, um die Boxen und Tröge sauber zu machen und einen Wischer für die Stallgasse. Weiter hinten ist das Futter, aber das kannst du ignorieren. Das Füttern am Abend übernehme ich.“
Ich drehte mich zu ihm um. „Hast du Reitstiefel?“
Er sah mich an, als käme ich vom Mond.
„Na schön. Welche Schuhgröße hast du?“ An dem Punkt fiel es mir schwer vor ihm zu verbergen, wie genervt ich war.
„Lass mal“, wehrte er ab und sein Grinsen wirkte aufgesetzt. „Ich brauche keine Reitstiefel. Ich bin ja nicht hier, um Unterricht zu nehmen.“
„Nein, bestimmt nicht“, stimmte ich ihm zu. „Wenn du lieber Gummistiefel haben willst, kannst du auch die nehmen. Die müsstest du aber kaufen. Wir haben nur Reitstiefel zum Ausleihen hier.“
„Gummistiefel?“
Diesmal lachte er nicht. Ich dafür umso mehr. „Was hast du denn erwartet?“, fragte ich, als ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte. „Du bist nicht zum Reiten lernen hier, natürlich nicht. Aber auch nicht zum Urlaub machen oder zugucken.“
„Schon klar.“ Er klang angefressen.
„Du kannst es meinetwegen in Turnschuhen probieren. Aber empfehlen würde ich dir das nicht.“
Er erwiderte nichts. Da er mir jedoch nicht seine Schuhgröße verriet, hatte er seine Entscheidung getroffen. Ich akzeptierte es und verließ die Vorratskammer.
Ohne darauf Rücksicht zu nehmen, ob er mir folgte, trat ich in die Stallgasse.
„Wir haben 20 Boxen, davon sind jedoch nur zehn belegt. Momentan. Heute erwarten wir einen Neuzugang. Es handelt sich um ein Privatpferd, was wir hier versorgen. Das heißt, du kannst von momentan elf Boxen ausgehen.“
Da ich nicht wusste, ob der Deal mit den Alcotts gelang und wenn ja, wann sie Danger zu uns brachten, beließ ich es erstmal dabei.
„Du erkennst die belegten Boxen daran, dass überall auf den Holzbrettern die Namen der Pferde stehen.“ Ich trat zu Pennys leerer Box, um es ihm zu zeigen.
„Alle Boxen, in denen Pferde untergebracht sind, müssen morgens gesäubert werden. Inklusive der Futter- und Wassertröge.“ Ich zeigte auf die saubere Box. „So muss eine saubere Box aussehen. Das ist sehr wichtig, weil die Tiere sonst krank werden.“
„Ihr entfernt jeden Morgen das komplette Stroh da?“
„Nein“, ich sah ihn belehrend an. „Du entfernst die oberste Schicht. Das feuchte Stroh und natürlich die Pferdeäpfel.“
„Na klasse.“ Sein Tonfall zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht. Es war gemein von mir, Schadenfreude zu empfinden. Aber ich konnte nichts dagegen machen.
„Mittwochs ist hier ‚Saubermach- Tag‘. Da ist das was anderes. Da wird auch die sogenannte Einlage, die unterste Schicht des Strohs ausgemistet und wir spritzen die Boxen und die Stallgasse mit Wasser aus. Das muss eine Weile trocknen und danach werden die Boxen komplett neu befüllt.“
Ich ging weiter durch den Stall. „Die Tiere sind während dieser Arbeiten natürlich draußen.“
„Muss ich das machen?“
„Was machen?“
„Sie raus bringen?“
„Nein, keine Sorge. Kontakt zu den Pferden wirst du erst später haben. Die Versorgung der Tiere übernimmt hier niemand, den wir nicht kennen oder der nicht weiß was er tut.“
Er verzog das Gesicht zu einem überheblichen Grinsen. „Ich weiß immer, was ich tue.“
„Das bezweifle ich.“
Ich deutete in die kleine Kammer am Ende des Stalls.
„Hier befindet sich die Sattelkammer und damit kommen wir zur täglichen Aufgabe Nr.2.“
„Dauert sie lang?“
„Was?“ Verwirrt sah ich an. „Dauert was lang? Die Aufgabe?“
„Die Erklärung. Wir sind schon eine halbe Stunde nur im Stall und falls du mir noch die Weide, die Scheune und so was zeigen willst, sollten wir uns beeilen. Ich muss den Bus um viertel nach zwei zurück in die Stadt nehmen.“
Ich schüttelte fassungslos den Kopf. „Weißt du, ich kapiere dich einfach nicht.“
„Du kapierst was nicht?“ Er lächelte gutmütig, was meinen Zorn noch mehr entfachte.
„Erst kommst du eine Stunde zu spät und dann verkündest du, dass du gleich wieder gehen musst. Als wären wir es, die dankbar sein dürften, dass du uns eine Stunde deiner kostbaren Zeit schenkst.“
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