Die meisten Studienfächer kosten 700 Euro pro Jahr. Einige wenige Fächer, z. B. „Public Administration“ (bei uns würde man dazu wohl „gehobene Beamtenlaufbahn“ sagen) kosten 1.200 Euro pro Jahr. Durch den Studenten, dem wir das Studium finanzieren konnten, haben wir auch erfahren, dass es im Land eine Regelung gibt, die besagt, dass jeder, der mindestens sieben Jahre bei einem Staatsunternehmen gearbeitet hat, das Recht auf die Bezahlung eines Studiums hat. Leider sind die Staatskassen leer, und diese Zusage seitens der Regierung kann nicht mehr eingehalten werden. Auch hier mehren sich die Anfragen von Interessierten. Selbst ein Polizist, der Public Administration studieren wollte, war schon dabei.
Wer diese sechshundert bis siebenhundert Euro nicht sofort auf den Tisch legen kann, muss sich um Stipendien kümmern. Um Stipendien zu bekommen, gibt es in Gambia verschiedene Möglichkeiten. Von der Gambian Revenue Authority (GRA) 8erhielten wir eine Absage, da die Staatskassen mal wieder leer waren. Bei anderen Regierungsinstitutionen kann es passieren, dass sie dir nur dann ein Stipendium geben, wenn du dich verpflichtest, nach dem Studium acht Jahre für die Regierung zu arbeiten. Eine weitere Möglichkeit ist die Universität selbst, doch dort wird dir von Anfang an gesagt, dass du, wenn du die Universität nur als Sprungbrett benutzen möchtest, um nach einiger Zeit zu einer anderen Ausbildung zu wechseln oder ins Ausland zu gehen, den gesamten Betrag zurückzahlen musst.
Sobald du den „Letter of Admission“ hast, die Bestätigung, dass du an der Uni angenommen wurdest, kannst du zwar anfangen zu studieren, doch das Studium kann ein schnelles Ende haben, wenn du das Geld nicht zusammenbekommst. Relativ zeitnah wird eine Deadline bekanntgegeben, bis wann das Geld eingezahlt werden muss, sonst heißt es: „Ade Studium“.
Was aber wird aus den vielen intelligenten jungen Gambiern, die einfach an der Hürde „Studiengebühren“ nicht vorbeikommen? Kein Wunder, dass es sie aus dem Land treibt. Für die, die bleiben wollen, scheint es hier eine wahre Jagd auf Diplome, Zeugnisse oder Anerkennungsschreiben zu geben. Jeder ist gierig auf so viele Diplome wie möglich, in der Hoffnung, dadurch einen besonders guten Job zu bekommen. In Gambia mag das noch funktionieren. Aus Deutschland jedoch weiß ich, dass Überqualifikation oft ins Nichts führt, da der Bewerber schlicht zu teuer für den Arbeitgeber wird.
Schauen wir uns im Vergleich dazu mal an, wie man in Deutschland an einen Studienplatz kommt, was wir inzwischen auch schon kennengelernt haben. Wenn du als Deutscher mit einem ausländischen Abitur nach Deutschland zurückkommst, bist du ein „Bildungsausländer“. Das heißt, du musst ein Jahr lang das Studienkolleg besuchen, die Abiturfächer wiederholen und beweisen, dass du Deutsch sprechen kannst. In unserem Fall war das etwas anstrengend, da unsere Kinder Deutsch ja nun wirklich können und ein Abitur in allen naturwissenschaftlichen Fächern gemacht haben, d. h., die Hauptfächer waren Biologie, Chemie, Physik und höhere Mathematik. Nun, was sein muss, muss sein. Schade nur, dass sie dann bei den Quoten, die jede Universität für Bildungsausländer hat, mit denen man leichter einen Studienplatz bekommt, plötzlich nicht mehr dazugehören, weil sie einen deutschen Pass haben. So wurde ihnen von der Studienberatung in Deutschland empfohlen, erst zwei Semester in Gambia zu studieren und dann als Studenten die Universität zu wechseln.
Doch auch diese Methode stellte sich als fragwürdig heraus. Denn für einen Studienplatzwechsel aus Afrika müssen ebenfalls einige Hürden genommen werden, da es für einen Studienwechsel Rangfolgen gibt, wer die noch freien Studienplätze belegen darf. Diese lauten im Einzelnen:
1 Studenten von der gleichen Universität
2 Studenten von einer anderen deutschen Universität
3 Studenten aus dem europäischen Ausland
4 Studenten aus dem außereuropäischen Ausland
Welche Chance ein gambischer Student da wohl hat?
Noch schwieriger aber wird es für Gambier, wenn sie in Deutschland studieren wollen. Das läuft dann etwa so ab: Der Student schreibt eine Bewerbung an die Universität, diese prüft das Zeugnis und die erforderlichen Dokumente. Wenn der Student angenommen wird, erhält er einen Brief, in dem bestenfalls steht, dass die Universität den Studenten willkommen heißt und sich um die Einreisepapiere und eine Unterkunft kümmert, wenn der Student bis zu einem bestimmten Datum 7.200 Euro auf das angegebene Konto zahlt. Bei einem durchschnittlichen Einkommen der Eltern von sechzig Euro ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen. Zweimal haben wir in unserem Verein schon solche Briefe vorgelegt bekommen, mit der Bitte um Hilfe, doch das ist auch für uns eine Nummer zu groß
Wie man es dreht und wendet: Für einen Gambier ist es sehr schwer, Bildung zu erlangen. In allen Schulen gibt es Schulgebühren. Nur in einigen wenigen Schulen hat die Regierung bis jetzt die Mädchen von den Schulgebühren befreit. In einer Klasse mit vierzig bis fünfzig Schülern können durchschnittlich nur von sechs Schülern die Eltern die Schulgebühren bezahlen. Die anderen brauchen Sponsoren aus Übersee. Um nach der Schule überhaupt an einer Universität angenommen zu werden, muss man ein gutes Zeugnis haben. Doch auch das ist schwierig ohne die nötige Unterstützung der Eltern, beispielsweise durch Nachhilfe, Bücher, Computer oder Internet. Die Mädchen dürfen in der Regel auch nicht zu den Nachhilfekursen in der Schule, weil sie zu Hause zum Putzen oder Kochen eingeteilt sind
Wie soll sich ein Land entwickeln, wenn Bildung so teuer ist? Gambia bräuchte Ingenieure, die eine Industrie aufbauen, Investoren, die Arbeitsplätze schaffen, und junge Männer, die in Gambia bleiben und das Land mit aufbauen.
Ein wirklich schöne Geschichte
Ähnlich dachte auch dieser jungen Mann, der jedoch nicht Gambia mit aufbauen wollte, sondern sein Heimatland Guinea. Vor einiger Zeit baten wir unsere Sponsoren, für Yaghouba D. zu spenden. Er kam aus Guinea nach Gambia, um IT und Englisch zu lernen. Sein Onkel versprach ihm, ihn zu unterstützen. Schon nach sehr kurzer Zeit zog der Onkel sein Angebot wieder zurück und erwartete von ihm, dass Yaghouba ihm auf seinen Baustellen half. Das tat er dann eine Weile, bis er als Helfer auf einer unserer Baustellen eingeteilt war. Er erzählte uns, was passiert war, und bat uns um Hilfe.
Wir aktivierten unsere Sponsoren, und mit deren Hilfe konnte er Englisch und IT erfolgreich abschließen. Bei seinem Onkel musste er deswegen allerdings ausziehen. So hatte er dann weder einen Platz zum Schlafen noch ein warmes Essen am Tag. Schlafen konnte er bei einem Freund, aber für das Essen haben wir ihm eine Bowl -Mutter besorgt. Eine Bowl -Mutter ist eine Frau, der du jeden Tag deine Schüssel bringst, sie füllt sie dir mit dem von ihr gekochten Essen und bekommt dafür zehn Euro im Monat. Schließlich beendete er alle seine Kurse erfolgreich und reiste zurück nach Guinea.
Sein Ziel war es, einen Job zu finden und seine Eltern mit Reis zu unterstützen. Doch es kam noch besser. Er ist jetzt instructor in einer großen Firma, die Bauxit abbaut. Dort arbeitet er auch als Übersetzer und verdient sehr viel Geld, hat gerade geheiratet und anstatt seinen Eltern nur Reis zu kaufen, baut er ihnen jetzt ein neues Haus. Er ist sehr glücklich und überaus dankbar. Er ruft uns etwa einmal im Monat an und bedankt sich jedes Mal. Er sagt, wenn wir ihn nicht so unterstützt hätten, wäre er nicht dort, wo er jetzt ist.
Wir finden seine Geschichte sehr rührend und sind überglücklich, dass es ihm und seiner Familie so gut geht. Seinen Dank wollen wir gerne an seine Sponsoren weitergeben. Ihr könnt sicher sein, dass Yaghouba alle Sponsoren in seine Gebete einschließt.
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