18.03.1908
…dann war ich bei Fichtners, um dort ´mal wieder guten Tag zu sagen, abends war ich im Klub zum Essen und ein Herr, mit dem ich gut bekannt bin, hatte Veranlassung, ein wenig zu feiern. Na, da konnte ich ja auch kein Spielverderber sein, und bin einige Zeit dabei gewesen. Aber länger duldete es mich doch nicht im Klub; ich entschuldigte mich, dass ich noch zu arbeiten hätte, und alle Herren sagten gleich, na, er muss noch an die Braut schreiben. „Stimmt“, sagte ich, und verabschiedete mich…
19.03.1908
…Ein Kaiser-Panorama habt Ihr also auch? Na, dann sollte man aber nur Sachen zeigen, die tatsächlich passiert sind; denn soviel ich mich entsinne, ist S. M. S. „HERTHA“ nie in der Südsee gewesen. Und dann, nur für Erwachsene, das ist wieder eine echt deutsche Prüderie; denn außer einigen nackten Negern könnte doch nichts sein, was den Besuch von Nichterwachsenen verböte… Du fragst, welche Diät ich zu beobachten habe. Viel Gemüse, leichten Mosel, kein Rotwein, Milch, soviel ich trinken will und sonst leichte Kost. Das kann ich leider hier nicht darstellen; denn erstens gibt es hier wenig Gemüse, nur Konserven, Milch gibt es ebenfalls nur in Dosen. Wie dabei die Diät ausfällt, kannst Du Dir wohl denken. Die Hauptnahrung hier in Tsingtau besteht aus Fleisch, das auch häufig recht hart und zäh ist, dazu Brot, worin man nicht selten Glassplitter und sonstige fremde Bestandteile findet. Da ist es eigentlich am besten, man isst überhaupt nichts. Da das aber auf die Dauer der stärkste Mensch nicht verträgt, bleibt’s beim Alten. Eine gründliche Kur ist nur zu Hause möglich. Deshalb hasse ich dieses Tsingtau so sehr…
20.03.1908
… wenn Du glaubst, dass man in Kiukiang nur silberne Gegenstände bekommt. Im Gegenteil. Die Krüge und Wandteller, von denen ich sprach, sind aus Porzellan, sehr stark, meist blau mit weißem Muster – Kirschblüten usw. Diese können schon einen tüchtigen Puff vertragen und sehen recht gut aus. Man bekommt sie nur in Kiukiang. In der Heimat kriegt man diese Art von Vasen überhaupt nicht zu sehen…
In der nächsten Woche treten wir unsre Reise nach Japan an, jedenfalls am 25. März, zunächst nach Nagasaki, dann durch die Inlandsee weiter. Darüber schreibe ich abschnittweise…
21.03.1908
…Frühlingsanfang, aber trotz der wärmenden Sonne bläst ein kalter Wind. Ich komme von einem kurzen Spaziergang, den ich mit Dr. Mann gemacht habe, nach Hause. In meiner Nachbarschaft ist heute Hochzeit, im Centralhotel. Wer es ist, weiß ich nicht. Es sind nämlich vor acht Tagen mit einem Dampfer 17 Bräute für Tsingtau angekommen, und nun ist fast täglich eine Hochzeit. Meist sind es Unterbeamte und Techniker, die z. Zt. heiraten. Als letztes Stück spielt die Musik, die auf der Straße steht, weil wohl drinnen kein Platz ist, den Brautchor. Da wurde mir doch anders zu Mute, so eine Gänsehaut überlief mich, und ich zitterte etwas dabei vor Erregung. So geht’s mir immer, wenn etwas besonders nahe geht… Ich bin nämlich um 8 Uhr zu Fichtners zum offiziellen Essen (Kommissabfütterung) eingeladen. Jetzt ist´s 7 Uhr und ich muss mich noch umziehen….
23.03.1908
…Soeben lese ich, dass der Dampfer in einer Stunde nach Tschifu geht… Fröhliche Ostern! Ich feiere Ostern in Tokio.
N8/4 Briefnummer 100 – transkribiert von Schönfeld
Tsingtau, 25. März 1908
…Nun bin ich fast 14 Tage ohne Nachricht von meinem Schatzelchen… Du bist doch nicht etwa krank? Wenn ich nur erst einen Brief wieder hätte, um wieder beruhigt zu sein. Nun kommt noch unsre bevorstehende Abreise nach Japan hinzu, so dass ich bei dem Wechsel der Poststationen vorläufig gar keine Nachricht bekommen kann. Doch will ich hoffen, dass nichts Schwerwiegendes vorliegt und der vermisste Brief doch noch, wenn auch verspätet, eintrifft… Seit Montagabend liegen wir bereit zur Abfahrt nach Japan, um innerhalb zwei Stunden nach erhaltenem Befehl vom Admiral in See zu gehen. Jeden Augenblick erwarte ich einen Boten in meiner Wohnung, wo ich trotzdem bin, um an Bord zu gehen. Es ist jetzt 9 Uhr abends und gerade die richtige Zeit zum Abdampfen, stockfinstere Nacht, aber ruhiges Wetter. Nichts ist unangenehmer, als so im Ungewissen zu tappen. Der Admiral ist noch weit fort und muss den Befehl telegraphisch geben. Hoffentlich lassen sie mich wenigstens in der Nacht in Ruhe und werfen mich nicht unsanft hinaus… Mit dem Roman „ Heimat des Herzens“ bin ich bald fertig. Er gefällt mir sehr gut. Zum Teil ist er sehr ergreifend geschrieben.
Zur weiteren Komplettierung der Sammlung füge ich wieder drei Bilder von meiner Yangtsereise bei. Sie werden Dir Vergnügen machen. Die Bedeutung habe ich hinten mit Bleistift ´raufgeschrieben. Sobald die anderen fertig sind, bekommst Du sie auch… Ich will doch versuchen, ob ich die ganze Nacht durchschlafen kann, ohne den Befehl zur Abreise zu bekommen…
26.03.1908
…Wir sind noch immer hier, wie Du siehst, und warten auf den Befehl. Aber morgen wird’s wohl endlich losgehen. Ich komme eben von Staffeldts und habe noch schnell Abschied genommen. Damit Du nun nicht so lange warten musst, wie ich, will ich Dir noch diesen Gruß hier lassen. Im nächsten Brief mehr. Du bist mir doch nicht allzu böse,..
N8/5 Briefnummer 101 – transkribiert von Bernd Liebig
Tsingtau, 5. April 1908
Du wirst Dich gewiss wundern, einen Brief von mir aus Tsingtau zu bekommen, da Du mich in Japan wähnst. Aber ich befinde mich seit dem 27. März im Lazarett. Meine Befürchtungen, ich müsste doch eine kleine Entzündung des Blinddarms haben, sind leider eingetroffen. Wie gut, dass unsre Abreise einige Tage auf sich warten ließ. Somit konnte ich gerade noch kurz vor der Abreise aussteigen. Wenn ich die Reise mitgemacht hätte, dann wäre es mir sicherlich sehr schlecht gegangen und mit Blinddarmentzündungen geht es dann häufig sehr schnell. Gott sei Dank, sage ich, bekam ich noch in der letzten Nacht (vom 26. – 27.03.) einen sehr heftigen Anfall, der meine sofortige Aufnahme ins Lazarett nötig machte – am 27. vormittags gingen die Boote in See. – So bin ich also hier im Krankenzimmer. Acht Tage lag ich eisern fest im Bett in Eis halb verpackt und dadurch ist die Entzündung zurückgegangen ohne vor der Hand eine Operation nötig zu machen. Diesmal bin ich also noch dem Messer glücklich entronnen, obwohl ich mich von Anfang an mit dem Gedanken vertraut gemacht hatte, dass sich die Ärzte mein Inneres etwas näher ansehen wollten. Da sich derartige Entzündungen leicht wiederholen können, ist es ja nicht ausgeschlossen, dass ich beim nächsten Male einige Bekanntschaft mit den medizinischen Marterwerkzeugen mache. Jedoch hoffen wir das Beste. Seit drei Tagen stehe ich wieder auf und gehe auch schon spazieren; man soll jedoch nicht glauben, wie eine achttägige Liegezeit angreift, zumal ich nur von Bouillon und Milch lebte. Ich bin jetzt in der Tat ganz schlank und im Gesicht ziemlich spitz geworden. In einigen Tagen werde ich wieder die gastlichen Räume des Lazaretts verlassen und allein auf einem Postdampfer über Shanghai nach Yokohama voraussichtlich nachreisen. Ich habe hier ein schönes großes Zimmer, Aussicht nach der See. Da ich die Ärzte persönlich kenne, ist auch die Behandlung eine sehr gute; sie leisten mir häufig abends Gesellschaft, wenn mich die Langeweile zu sehr plagt; denn lesen mag ich auch nicht immer.
Meinen Brief No. 100 schrieb ich, kurz ehe ich ins Lazarett ging. Ich wusste es bereits, wollte Dich aber vorher nicht ängstigen und habe deshalb naturgemäß nichts davon erwähnt. Du bist mir wohl auch nicht böse, Liebling, wenn ich den Brief daher so kurz abbrach. Recht schmerzlich empfinde ich es, dass ich von Dir keinen Brief bekomme. Denke nur, liebstes Fritzelchen, am 13. März habe ich den letzten Brief von Dir bekommen! Die darauffolgende Post am 20. März brachte mir nichts von meinem Schatzelchen, und die letzten Posten liegen an Bord in Japan und werden mir von dort her gesandt. Also bin ich etwa 3 ½ Wochen ohne Nachricht von Dir. Da man nun auf dem Krankenlager sowieso zum Grübeln mehr aufgelegt ist, als sonst, kannst Du Dir meine Stimmung mitunter leicht vorstellen. Meine einzige Rettung bildet dann immer Dein Bild, das ich selbstverständlich mitgenommen habe – Du weißt, Schatzilieb, das Bild in sitzender Stellung im weißen Kleid – dieses Bild muss alle meine Wünsche für Dich, für unser Wiedersehen, anhören, alle meine Sehnsuchtsschmerzen getreulich mit mir teilen. Unter solchen Verhältnissen wird die Sehnsucht nach Dir, mein Liebstes, immer noch größer und Gott sei Dank vergeht die Zeit ja ziemlich schnell. Noch etwas über 7 Monate, Liebstes, dann – – –! Wenn ich nur erst wieder eine Nachricht von Dir hätte!
Читать дальше