…mein Bursche und weckte mich: „Herr Oberzahlmeister, es ist 8 Uhr“… Na, da musste ich wohl endlich aufstehen…
Morgen früh gehen wir nach einer Insel flussaufwärts. Hier soll es viele Fasanen geben. Es tut mir immer leid, auf diese schönen Tiere zu schießen, aber sie sind doch zu schmackhaft. Sogar Goldfasanen haben wir hier.
Wenn wir morgen Nachmittag wiederkommen, ist hoffentlich die sibirische Post hier…
Mir geht es gut, das Herumlaufen im Jagdgelände bekommt mir recht gut. Am 7. früh gehen wir nach Nanking für einige Tage, wo wir hauptsächlich Jagd auf wilde Gänse machen werden...
N8/4 Briefnummer 92 – transkribiert von Erika Schönfeld
Nanking, 11. Februar 1908
– Dieser Brief enthält nur Privates –
…Meine, wenn auch geringen Erlebnisse während der Jangtse-Fahrt schildere ich Dir im nächsten Brief…
N8/4 Briefnummer 93 – transkribiert von Erika Schönfeld
Nanking, 12. Februar 1908
Zunächst will ich Dir schnell erzählen, dass ich gestern von der mir seit vorigem Jahre bekannten Dolmetscher des Konsulats ein Stück Brokatseide bekommen habe, 15 m lang und 0,80 m breit, braungelbe Seide mit Goldmustern durchwirkt, unter Garantie der Echtheit des Goldes und Reinheit der Seide. Der betreffend Herr hatte es für sich anfertigen lassen, und hat es mir in liebenswürdiger Weise überlassen, da er noch ein Stück gleichen Musters bestellt hat. Ich sage Dir, Liebstes, entzückend sieht der Stoff aus, und passt wunderbar zu Vorhängen, 4 Stück á 3 ½ m. Mit dem anderen Stück, das ich in Tsingtau habe, haben wir nun Stoff zu 6 Vorhängen. Das reicht doch wohl vorläufig aus, nicht wahr, Schatzilieb? Soviel steht fest, dass wir dann Vorhänge haben, wie sie nur wenige Leute zu Hause aufweisen können. Nach meinen Informationen kostet ein Meter Brokatstoff bei Michels in Berlin sage und schreibe 40 Mark, ich habe nach deutschem Gelde 9 Mark bezahlt. Für Möbelbezüge ist der Stoff zu schade, da ein Zerschneiden nicht angebracht ist. Wenn wir dann die Brokatvorhänge angebracht haben, kannst Du Dir schon wie eine Fürstin vorkommen inmitten der Gold- und Seidenpracht.
Wegen des Silbers möchte ich Dir meinen neuesten Entschluss mitteilen. Glatte Löffel bekommen wir zu Hause viel besser und geschmackvoller. Dagegen werde ich Moccalöffel mitbringen, dann einige Gegenstände für die Tafel, wie Salzfässer pp., also nur Kuriositäten. Wirkliche Gebrauchsgegenstände kaufen wir zu Hause; denn auch mit dem Silbergehalt ist es mangelhaft, 68% nur, während unsre Silbersachen in der Heimat 80% haben. Wir wollen uns doch nicht mit minderwertigen Sachen beladen. Diese Erfahrungen sammelt man erst, wenn man länger in China ist. Ähnlich ist es mit japanischen Sachen, von denen ich ebenfalls nur einige wirklich gute Gegenstände mitbringen werde. In Chinkiang habe ich einige Tabletts und einen Handschuhkasten gekauft, verfertigt aus dem Mutt des Jangtse mit Perlmuttereinlage. Mutt ist der Schlamm, der sich an den Ufern absetzt, und grade beim Jangtse sehr zähe ist. Die Sachen sehen ganz niedlich aus und sind Spezialität von Chinkiang.
Unser Aufenthalt im Jangtse ist nun auch zu Ende. Morgen früh gehen wir wieder fort nach Shanghai, wo wir bis zum 23. bleiben, um dann auf zwei Tage wieder nach Tsingtau zu gehen. Wieder ist damit ein neuer Abschnitt meines Auslandskommandos vorbei. Ich war mehrere Male noch auf Jagd; von der Beute zehren wir noch längere Zeit. Einige Bilder werde ich Dir schicken, sobald sie fertig sind. Sie werden unsre Sammlung vervollständigen. Nähere Beschreibung werde ich Dir persönlich bei meiner Rückkehr geben. Ich muss jetzt einige Zeit unterbrechen, da es Zeit zum Abendessen ist. Nachher komme ich wieder… Mit dem Schreiben will es heute schlecht gehen, ich bin noch müde von gestern. Daher gute Nacht für heute…
Shanghai, 18.02.1908
Nun sind wir wieder hier angelangt, am 14. abends liefen wir bei prächtigem Mondschein hier ein – ein schönes Bild die unermessliche Reihe von Kriegs- und Handelsschiffen aller Nationen in Mondbeleuchtung!
Carl Stolle ist abgedampft, und nun liegt ein Kreuzer S. M. S „ARCONA“ hier. An Bord befindet sich als Zahlmeister ebenfalls ein guter Freund von mir, der seit 1 ¼ Jahren verheiratet ist und seit einem Monat glücklicher Vater eines Jungen ist. Er muss noch1 ½ Jahre von seiner jungen Frau getrennt sein, da haben wir es doch besser, Schatzelchen, nicht wahr? Nur noch 10 Monate Trennung; denn ungefähr heute in 10 Monaten bin ich hoffentlich bei Dir. S. M. S. ARCONA ist nämlich jetzt erst von der Heimat gekommen.
Bei unsrer Ankunft in Shanghai lag bereits die letzte sibirische Post hier und hierbei Dein lieber Brief No. 77…
Von den Überschwemmungen an der Ostsee habe ich noch nichts gelesen, da wir die Zeitungen mit der Seepost bekommen, nicht über Sibirien. Ebenso wenig habe ich etwas von dem Morde in Wilhelmshaven gelesen…
Shanghai, 20.02.1908
Von dem Weißfuchs bin ich abgekommen. Das Fell ist zu teuer und hält nur 2 - 3 Jahre, während der Mantel aus Eichhörnchenfellen dauerhafter ist, aber nur noch einmal gerben lassen, das verstehen die Chinesen nicht. Sollten die Felle nicht zum Muff reichen, dann schreibe mir bitte, damit ich noch mehrere beschaffen kann.
Den Stoff zum Brautkleid habe ich noch nicht gekauft. Es war kein passender Stoff vorrätig, und da ja noch genügend Zeit ist, kann ich ihn ja auch später kaufen und ihn Dir persönlich überreichen…
N8/4 Briefnummer 94 – transkribiert von Erika Schönfeld
Shanghai, 22. Februar 1908
In meiner Langeweile hat mich das Leben in Shanghai etwas aufgerüttelt. Das Straßenleben allein wirkt schon wunder und fast jeden Nachmittag gehe oder fahre ich hinaus ins Freie, im großstädtischen Straßenleben. Auch bot vor einigen Tagen eine Theatervorstellung des Deutschen Theater-Vereins eine schöne Abwechselung: „Die Fledermaus“ wurde gespielt. Reizende, allgemein bekannte Melodien erheiterten ebenso das Gemüt, wie der Inhalt der Operette selbst, die übrigens, obwohl von Dilettanten gespielt, in hervorragender Weise auf der Bühne gespielt wurde. Mir zum großen Teil bekannte Damen und Herren der ersten Gesellschaft Shanghais hatten sich der großen Mühe unterzogen, und es ist ihnen brillant geglückt. An Einladungen mangelt es nicht, so dass ich heute Abend an Bord geblieben bin und nicht das Fest des amerikanischen Freiwilligenkorps mitmache. Heute wird der Geburtstag des amerikanischen Nationalhelden Washington gefeiert und wir waren auch dazu eingeladen, um die deutsche Marine würdig zu vertreten. Da ich aber nicht recht auf dem Posten bin, will ich einige Zeit lieber bei Dir sein, und mich schonen. Ein langer Schlaf wird mich vielleicht wieder kurieren. Immer noch die alte Sache mit dem Typhus. Und ich werd es wohl nicht eher los werden, ehe ich nicht unter Deinen liebenden Händen eine gründliche Diät durchmache, die ich leider jetzt nicht ermöglichen kann . Das ist noch ein Grund mehr, der mir das leben im Ausland mitunter so schwer macht und mich mit allen Fasern meines Herzens die Rückkehr ersehnen lässt. Du musst Dir jedoch keine Sorgen machen, Liebstes, hörst Du, aber ich möchte Dir doch sagen, wie es mir geht. Und dass ich mich gerade sehr wohl fühle, kann ich nicht behaupten. Na, das wird alles besser, wenn ich erst bei Dir bin. Die kurze Zeit werde ich wohl noch aushalten, und wenn es gar nicht mehr geht, dann steige ich kurzer Hand aus. Ich will jetzt ins Bett gehen, es ist ½ 10 Uhr, und hoffentlich morgen früh neu gestärkt aufstehen…
Sonnabend, 22.02.1908
Um selbst sicher zu gehen, ließ ich mich heute Morgen von dem Stabsarzt S. M. S. „ILTIS“, das neben uns an der Boje liegt, untersuchen, und konstertierte, wie ich voraussah, dasselbe Leiden, was ich gestern erwähnte. Na, es ist jedenfalls eine Beruhigung für mich, umso mehr, als vor drei Tagen der österreichisch-ungarische Generalkonsul nach der Operation an einer Blinddarmentzündung starb und heute Morgen unter Beteiligung aller Nationen zur letzten Ruhe bestattet wurde. Vor 8 Tagen war er noch mit seiner Frau zugleich mit mir in der „Fledermaus“. Er hinterlässt eine junge, hübsche Frau und zwei kleine Kinder. Es ist doch furchtbar traurig. – Mit den Österreichern haben wir hier viel Verkehr, besonders mit den Marineoffizieren. Sie sind alle nette Leute. Zum größten Teil kenne ich sie von Tsingtau. Überhaupt kommen wir naturgemäß mit allen Nationen zusammen mit Ausnahme von den Vertretern des Affengeschlechtes, die hier ebenso wenig, wie anderswo von Europäern und Amerikanern beachtet werden…
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