Du fragst nach Zobelpelzen. Ja Liebstes, diese Art von Pelzen ist nicht zu bezahlen. Die Pelze sind hellbraun, und viel teurer als Hermelin. Ein Pelzjacket aus echtem Zobel kostet die Kleinigkeit von etwa 20.000 Mark. Aber ich werde in Hankau, oder sei es sonst wo, Gelegenheit haben, andere gute Pelze zu kaufen, zur Boa und hoffentlich auch zum Jacket für Dich…
21.01.1908
…Noch immer ohne Brotstelle bin ich zu Hause, der Ofen hat das Zimmer sehr schön durchwärmt, während draußen Frost und eisiger Nordsturm herrschen…
Heute Morgen lag ich über eine Stunde mit halb geschlossenen Augen im Bett und malte mir unser Wiedersehen aus… Wenn ich erst auf der sibirischen Bahn sitze und mir das unmittelbar bevorstehende Wiedersehen ausdenke, während der Luxuszug ohne Rast die unermesslichen Schneefelder Sibiriens & Russlands durcheilt, dann werde ich ganz leise für mich lächeln, glücklich, zufrieden, erst dann werde ich von Herzen froh werden. Die Reise über Sibirien stelle ich mir als netten Abschluss meiner Auslandszeit vor. Es ist ´mal ganz etwas anderes, als eine Seereise…
Heute Vormittag war ich im Lazarett und ließ mich untersuchen, da ich vermutete, dass ich ebenfalls etwas am Blinddarm hätte. Aber meine Besorgnis hat sich, Gott sei Dank, als unberechtigt erwiesen; denn die Ärzte konstatierten eine immer wieder auftretende Folgeerscheinung des Typhus, den ich vor Jahren hatte. Es ist ohne Bedenken, nur eine gewisse Diät muss ich beobachten. Du kannst vollständig beruhigt sein. Wenn es etwas Schlimmeres wäre, würde ich es Dir vorher nicht schreiben, sondern erst, wenn alles (Operation z. B.) vorbei wäre. Zunächst dampfe ich ´mal übermorgen nach Shanghai ab. Da sind große Festlichkeiten zu Kaisers Geburtstag geplant, an denen wir teilnehmen wollen. Festessen, Bälle, da ich ja nicht tanze, ohne Dich, werde ich mir aus den Bällen wenig machen, aber hingehen muss ich schon. Den Verlauf der Feierlichkeiten berichte ich Dir nach Beendigung.
Sollte zwischen diesem und dem nächsten Brief eine größere Pause entstehen, so sei ohne Sorge; denn dieser geht morgen über Chefoo – Sibirien, während mein nächster Brief über Wladiwostok geht.
N8/4 Briefnummer 90 – transkribiert von Ingrid Schönfeld
Shanghai, 30. Januar 1908
…will ich Dir erst kurz von meinen Erlebnissen in Shanghai erzählen. Am 23. Januar gingen wir von Tsingtau fort und hatten leidliches Wetter bei der Fahrt, kamen abends des 24. hier an. S. M. S. „LEIPZIG“ ist ebenfalls hier, und ich überraschte nach dem Ankern Carl Stolle mit meinem Besuch.
Nun beginnt eine Serie von Festlichkeiten, anlässlich Kaisers Geburtstag, deren Spuren noch in unsern Gliedern sitzen. Zunächst also Begrüßungstrunk bei Carl Stolle, am 25. abends fand ein großer Ball in der Town Hall statt, veranstaltet von dem deutschen Freiwilligen-Corps. Dieses Corps besteht aus Kaufleuten, die eine Compagnie bilden zum Schutze gegen chinesische Aufstände; ebenso haben alle anderen Nationen solche Corps. Der Ball vereinigte die Créme der Gesellschaft Shanghais in dem Riesensaal der Town Hall, etwa 900 Menschen in Festkleidung, Damen in großen Balltoilette, dekolletiert, Herren in Frack, wir vons Militär kleine Uniform (wie auf unserm Bilde).
Anbei das Programm für den Abend und meine Tanzkarte, aus welcher Du ja sehen kannst, wie fleißig ich das Tanzbein geschwungen habe. Um ½ 12 Uhr ging ich mit Carl Stolle fort und war um 12 Uhr an Bord. Der 26. Januar – abends – wurde durch einen großen Fackelzug ausgefüllt, darauf gemütliches Zusammensein im Club Concordia, das sich schließlich zu einem Verbrüderungsfest zwischen Deutschen und Engländern gestaltete. Eine Rede jagte die andere und man konnte wieder einmal sehen, dass es das Natürliche, Gebotene ist, mit unsern Vettern von jenseits des Kanals stets auf gutem Fuße zu stehen. Alle Differenzen zwischen Deutschland und England sind meist nur künstliche Machenschaften der Presse. 27. Januar – Kaisers Geburtstag –Vormittags großer Empfang beim Generalkonsul. Hier hatten sich Vertreter aller Nationen eingefunden, alle in glänzenden Uniformen, um ihre Glückwünsche zu bringen. Es war eine erlauchte, buntfarbige Gesellschaft, jedenfalls eine Sache, die nicht jeder zu sehen bekommt. Beim Glase Sekt hielten wir uns etwa eine Stunde auf und fuhren dann auf die LEIPZIG, wo unser ein Frühstück harrte. Aus anliegender Speisekarte gehen die Genüsse hervor. Und, Liebstes, es war keine Kleinigkeit, sich überall durch – zu – futtern. Ich musste mich sehr schonen und auf verschiedene Sachen, die zu schwer waren, dankend verzichten, und trotzdem merke ich noch jetzt, wie schwer die vielen Dinge zu bekämpfen waren. Nachmittags fanden Aufführungen der Mannschaften S. M. S. LEIPZIG statt, die häufige Lachsalven hervorriefen. Nach den Aufführungen saß ich mit Carl Stolle noch zusammen, um in aller Ruhe uns für den Abend zu erholen, der uns im Club Concordia zu einem großen Festessen mit der deutschen Kolonie vereinigte. Der große Speisesaal war zu einem Blumengarten umgestaltet und Blumen sind für mich ein seltener Anblick, da wir im Winter in Tsingtau keine frischen Blumen haben. Die Tafel schmückten große Blumenarrangements, jeder hatte auf seinem Teller ein kleines Sträußchen, das mit einer schwarz-weiß-roten Schleife zusammen gehalten wurde. Den Tisch zierten Bänder in den Nationalfarben und bei den weichen Klängen der Stadtkapelle, bestehend aus etwa 60 Mann, meist Eingeborene von den Philippinen-Inseln, denen eine hervorragend musikalische Veranlagung eigen ist, war die Stimmung von Anfang an eine festesfreudige. Nicht zum Mindesten trug die Reichhaltigkeit der Speisekarte bei, die ich Dir zur Einsicht beifüge. Die Anfangsbuchstaben zeigen den Namen des hohen Geburtstagskindes. Da Du ja für alles, was mich betrifft, stets ein so warmes Interesse hast, sende ich die Tischkarten pp. mit. Alle diese Kleinigkeiten werden mich später an manche angenehme Stunde meines Auslandskommandos erinnern und manches Vergessene wieder wachrufen. Der 28. Januar war Ruhetag, abends hatten wir einige Herren zum Bierabend bei uns an Bord. Am 29. Januar abends 9 Uhr fand ein großes Konzert in der Town Hall statt, wozu sich die internationale erste Gesellschaft eingefunden hatte. Herren im Smoking, auch wir, Damen in großer Toilette, mit Brillanten übersäet, zeigten den Reichtum der Kaufmannschaft des ostasiatischen Paris, wie Shanghai oft genannt wird. Wenn man nach so langer Zeit stumpfsinnigen Aufenthalts in Tsingtau wieder das Shanghaier Gesellschaftsleben mit seinen Vergnügungen sieht, so kommt es jedem fast märchenhaft vor, und ich muss sagen, fast fremd. Bei diesen häufigen Abwechselungen verfliegt aber die Zeit. Denke nur, Fritzelchen, wenn Du diesen Brief bekommst, rechne noch 300 Tage weiter, und ich bin wieder bei Dir. Nun sind auch diese schweren Festtage vorbei, und das Leben tritt wieder in seine gewöhnlichen Bahnen; denn ich muss allmählich wieder etwas Dienst machen, den ich bisher in den Shanghaitagen auf sich beruhen ließ. Morgen früh gehen wir den Jangtse hinauf zum Jagen, bleiben 8 Tage in Chinkiang, 8 Tage in Nanking und gehen dann wieder nach Shanghai. Wie im vorigen Jahre, werde ich Dir wieder fortlaufende Reiseberichte schicken, so oft sich Gelegenheit bietet…
Das notarielle Schriftstück habe ich vorgestern bekommen. Nun sind wir wieder einen Schritt weiter, und ich kann meinen Heiratskonsens beantragen…
Zu Hause scheint es an Sensationen nicht zu fehlen; erst der Moltke-Harden-Prozess, und nun dieses Drama in Allenstein. So etwas ist bisher noch nicht dagewesen. Eine ganz unglaubliche Geschichte! Aber ich bin Dir dankbar, dass Du mir die Zeitungsausschnitte sandtest. Ich habe sie hier kursieren lassen und damit das Interesse sämtlicher Offiziere geweckt. Ich sehen, dass Du mit offenen Augen durch das Leben gehst. Aber bald kann eine Dame unsre Zeitungen nicht mehr lesen; denn fast täglich stehen Sachen darin, die nicht in die Öffentlichkeit gehören, ohne jeden mit Ekel und Abscheu zu erfüllen. Mir tut der Hauptmann von Goeben leid, dass er sich so in die Fesseln dieser Unwürdigen schlagen ließ. Ja, ja, wie die Liebe mitunter ihr Spiel treibt. Das gibt ja wieder einen Skandalprozess erster Sorte, bei dem wohl der größte Teil der Offiziere des Allensteiner Dragonerregiments über die Klinge springen wird...
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