Dennis Herzog
Kinderspiel
Killerspiel
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Inhaltsverzeichnis
Titel Dennis Herzog Kinderspiel Killerspiel Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Epilog
Impressum neobooks
Nichts.
Nackte Wände, ein kahler, klinisch sauberer Boden.
Alles war einfach fort.
Jeden Raum, den sie durchquerte, fand sie vollkommen leer vor.
Eben noch stand Yasmin in der Küche. Eine Hand voll Kartoffeln, leise vor sich hin brodelnd, im großen Kochtopf. Der Backofen verströmte den herrlichen Duft des beinahe fertigen Rollbratens. Sie hatte sich nur kurz gebückt, um aus dem Schrank unter der Spüle einige Untersetzer für den heißen Topf und die Auflaufform mit dem Fleisch zu holen.
Doch als sie die Tür öffnete und in den Innenraum des weißen Küchenschrankes schaute, war sämtlicher Inhalt verschwunden. Instinktiv sah sie auch im Hängeschrank nach, der ihr am nächsten war. Es fehlten nicht einfach nur alle Gegenstände, der Stauraum sah ganz so aus, als hätten dort niemals zuvor irgendwelche Utensilien gelagert. Alles war völlig sauber, so als wären die Küchenschränke fabrikneu, ganz so als wären sie gerade erst aufgebaut worden.
Verwirrt hatte sie sich wieder aufgerichtet, nur eine Sekunde die Augen geschlossen und sie wieder geöffnet. Vor Schreck stieß sie nun einen spitzen Schrei aus.
Der Schrank, - eben noch offen -, direkt vor ihren Augen – weg!
Die gesamte Arbeitsfläche, sämtliche Regale waren fort.
Die große Küche und alles darin Befindliche war plötzlich verschwunden. Kein Fleisch im Herd, nicht einmal mehr ein Herd. Jeder Gegenstand, jedes Möbelstück, Tisch, Stühle, alles wie weggefegt. Glänzende saubere Böden, frische weiße Farbe an den Wänden. Kein Anzeichen dafür, dass hier überhaupt jemand wohnte.
Selbst die Gardinen fehlten. An der Decke ragten nackte Kabel aus einem sauber gefrästen Loch, wo Sekunden vorher die schöne teure Lampe hing; ein Hochzeitsgeschenk ihres verstorbenen Mannes.
Falls denn „verstorben“ hier der richtige Ausdruck war.
Kein Geruch mehr, kein Lufthauch. Völlige Stille umfing sie. So musste sich ein Taucher fühlen, der in der Tiefe, abgeschirmt von allem Anderen, durchs Wasser glitt, umgeben nur von stummen Fischen und sich wiegenden Wasserpflanzen.
Hektisch war sie aus der Küche und ins angrenzende Wohnzimmer gestolpert, nur um dort angekommen, mit weit aufgerissenen Mund und entgleistem Blick erneut Halt zu machen. Auch hier schrien ihr nur nackte, weiße Wände entgegen. Ein glatt gefliester Boden, der nicht die Ahnung eines Staubkorns zu beherbergen schien. Nicht einmal die charakteristischen hellen Flecken, die unweigerlich auftraten, wenn man Schränke, Sofas, oder an den Wänden hängende Bilder entfernte, waren geblieben. Nichts wies überhaupt darauf hin, dass jene Dinge, die doch zuvor lange Zeit einen festen Platz in diesem Raum beansprucht hatten, jemals vorhanden gewesen waren.
Zaghaft hatten ihre trockenen Lippen ein einzelnes Wort geformt, und sie hauchte es in die gähnende Leere, die sie jetzt umschlungen hielt, wie eine Anaconda ein Wasserschwein: „Hallo?“
Sie sprach bewusst sehr leise und verhalten in die sterile Umgebung, und doch kam ihr ihre eigene Stimme furchtbar laut, fehl am Platz und zudem noch seltsam fremdartig vor. Ihre Frage blieb unbeantwortet. Es gab nur sie und die Einsamkeit an diesem Ort. Ein Ort der ihr über viele Jahre so vertraut war, doch nun so fremd wirkte, als sei sie in eine andere Dimension über gewechselt.
Kurz sah sie sich ratlos um, dann begann sie das gesamte Haus zu durchlaufen. Fand in jedem Raum das gleiche schaurige Nichts vor.
Dies war nicht das Gebäude in dem sie lebte, es war eine Kopie, eine unbewohnte, falsche Version ihres Hauses.
Ihre Verwirrung nahm von Sekunde zu Sekunde stärkere Gestalt an. Ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander, wie Guppys in einem übervölkerten Aquarium.
Zuletzt trat sie heraus in den kleinen, hellen Wintergarten. Dieser Anbau, die letzte große Ausgabe, die Andreas zu Lebzeiten getätigt hatte, war ihr liebster Zufluchtsort.
Dort wo sie gerne saß, ihre Abende verbrachte, oder einfach nach erledigter Hausarbeit, bei einem oder mehreren Gläsern Wein einen Roman las, blieb sie abermals stehen. Hier brach sie ihre angsterfüllte „Hausbesichtigung“ ab.
Sie schaute hinaus auf den großen, mittlerweile wild bewachsenen Garten.
Hier sah eigentlich Alles völlig normal aus. Dennoch nagte an ihr ein eindringliches Gefühl, das ihr mit stetig wachsendem Nachdruck zuflüsterte, es könne nicht wirklich sein was sie sah. Was im Haus passiert sein musste war schlichtweg unmöglich.
Bevor sie in der Lage war, eingehender darüber zu grübeln wie das alles hier zustande kommen konnte; was hier eigentlich los war; was sie am Anblick des Gartens störte, bemerkte sie etwas neues.
Ihr Lieblingsplatz war nicht völlig der Realität entflohen. Etwas war anders als im Rest des Hauses. Sie blickte durch die grobmaschigen Vorhänge, die halb heruntergelassen, einen Teil der Bodentiefen Panoramafenster bedeckten.
Die kurze, gelbe Couch stand noch an ihrem Platz. Ebenso die ordentlich arrangierten Blumenkästen mit kleinen Akazien und verschiedenen Geranien-arten, die sie liebevoll zu pflegen wusste, da ihr Anblick ihr mehr als vieles Andere Trost zu spenden vermochte.
Jedoch jagte ihr ein neuer Schrecken einen kalten Schauer über den Rücken. Sofort zuckte sie zusammen, als sie den Blick zur Couch wandte.
Sie musste sich die Hände auf den Mund pressen, um den Schrei zu unterdrücken, der in ihrer Kehle hochstieg. Dass sich hier, im einzigen Raum des Hauses, der augenscheinlich „normal“ geblieben war, auf dem gelben Stoff des einzigen verbliebenen Möbelstückes im ganzen Gebäude eine Person befand, damit rechnete sie in der Stille und der absoluten Leere, die überall vorherrschte, am wenigsten. Offensichtlich war es eine Frau, die mit dem Gesicht zur Rückenlehne, mit dem Rücken zu ihr, dort lag. Schulterlange, braune Haare. Anscheinend schlief sie.
Am unerklärlichsten war der Umstand, dass die Frau das gleiche kurze Sommerkleid trug, wie sie selbst. Genauer gesagt musste das gar exakt das selbe Kleid sein. Das beruhigende Blumenmuster auf blauem Grund, eine breite Kordel aus geflochtener Seide, anstelle eines Gürtels an der Hüfte. Der untrügliche Beweis dafür, dass tatsächlich jemand vor ihr lag, der ihr Gewand trug, entlockte ihr ein kurzes wehleidiges Stöhnen. Sie hatte sich am Vortag, auf eben dieser Couch, mit Wein bekleckst und sah nun eben diesen, mittlerweile eingetrockneten, rostbraunen, Fleck auf dem Stoff des Kleides der ihr vermeintlich fremden Person.
Unvermittelt, einer bösen Ahnung folgend, sah sie an sich herunter und musste entsetzt feststellen, dass sie selbst nackt hier stand.
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