Leider handelt es sich hier um ein sogenanntes „Kavaliersdelikt“. Dies beginnt schon bei der Bezeichnung: Geradezu liebevoll werden diese Leute als „Blinkmuffel“ bezeichnet. 13In Anbetracht der möglichen Folgen handelt es sich dabei um einen sehr unpassenden und verharmlosenden Ausdruck.
Bis auf einen Fall (April 2017, Hamburg), der überall durch die Presse ging, ist dem Autor kein anderer Fall bekannt, bei dem diese Ordnungswidrigkeit von der Polizei geahndet wurde. Denn im Gegensatz zu Geschwindigkeitsvergehen, die über „Blitzer“ unkompliziert nachzuweisen sind, ist der Nachweis dieser Ordnungswidrigkeit aufwändiger und bringt der Staatskasse im Verhältnis zum Aufwand verhältnismäßig wenig Geld.
Der Sprecher des ADFC Regensburg sagt dazu (gekürzt, vgl. [6]): „Sogenannte „Kavaliersdelikte“ wie überhöhte Geschwindigkeit oder sogar Alkohol am Steuer sind gesellschaftlich akzeptiert. Verstöße von Radfahrern, die überhaupt nicht sicherheitsrelevant sind, rufen dagegen Aggressionen hervor.“
Das Nichtblinken ist gesellschaftlich akzeptiert. Trotzdem verursachen den mit Abstand größten Teil der Unfälle mit verletzten und toten Radfahrern Kfz-Rechtsabbieger und solche, die Radfahrern anderweitig die Vorfahrt nehmen [6].
Akustik
Der Gesetzgeber hat den Verkehrsteilnehmern Möglichkeiten geboten, andere Verkehrsteilnehmer zu warnen beziehungsweise diese auf ein Fehlverhalten hinzuweisen. Dazu existieren „genormte“ Warngeräte. Durch diese kann man erkennen, dass es sich um einen Warnton handelt und von wem dieser kommt.
Die Fahrradklingel
Fahrradklingeln sind relativ leise. Sie haben einen hohen Ton bzw. eine hohe Frequenz, die höher als bei Kfz und deutlich höher als bei LKWs ausfällt. Allerdings „wirken“ Klingeln ohnehin nur gegenüber Radfahrern und Fußgängern. Leider haben ältere Personen häufig eine Hörschwäche, die bei hohen Frequenzen beginnt. Somit sind sie tw. nicht in der Lage, Fahrradklingeln zu hören.
Der Gesetzgeber hat also Radfahrern eine Warneinrichtung vorgeschrieben, die für den Personenkreis, für den sie gedacht ist, nicht zuverlässig funktioniert. Paradoxerweise existiert ein Gerichtsurteil, in der eine der Urteilsbegründungen zur 100 %igen Schuld des Radfahrers bei einer Kollision mit einem Fußgänger unter anderem auf dem Argument basierte, „dass der Radfahrer vorher hätte klingeln können“ (Der Radfahrer hatte gebremst). Hätte der Richter konsequenter Weise vom Fahrradfahrer nicht fordern müssen, zu überprüfen, ob der Fußgänger die hohen Töne der Klingel überhaupt wahrnimmt?
Wirksamere und damit sicherere Warneinrichtungen wie Radlaufklingeln sind Radfahrern verboten. Umgekehrt lässt der Gesetzgeber bei Kfz Doppelverglasungen zu. Bei dieser sind Fahrradklingeln komplett wirkungslos. Also das Warnsignal, das als solches elementarer Sicherheitsbestandteil im Verkehr ist, ist in den Autos mit Doppelverglasung nicht hörbar. Darf man solche Autos überhaupt für den Straßenverkehr zulassen und weswegen ist es zulässig?
Lärm und akustische Warnzeichen
Bei Motorrädern, insbesondere der Marke „Harley-Davidson“ werden alte Rahmen hoch gehandelt, da die Lautstärke mit der Rahmennummer kombiniert ist und ältere Motorräder lauter sein dürfen. 2003 bekam man für diese bei Kess-Tech Schalldämpfer zu kaufen, bei denen vermerkt war: „Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass beim Betätigen des Verstellmechanismus unserer EG-BG-Auspuffanlagen die allgemeine Betriebserlaubnis erlischt“. Heutzutage kann man elektronisch in verschiedene Modi wechseln. Dies von „Lautstärke < OEM; Alle werden Dich lieben!“ und „...kannst Du im ON Mode den vollen Sound genießen, ... Tal oder vorbei am Stadtcafé Du wirst es lieben!“. 14
Erwachsene Männer bestehen darauf, dass zu einem Motorrad der entsprechende „Sound“ gehört und Harley-Treffen haben Zulauf. 15
Gleichzeitig interessiert niemanden, der ein „Harley-Treffen“ besucht, ob durch den Verkehrslärm Kleinkinder geschädigt werden und auch nicht die Personen, die die Motorradfahrer im regulären Straßenverkehr mit geringem Abstand ohne geräuschdämmende Kapsel passieren.
Teilweise ist der Krach in einem geschlossenen Kfz unerträglich, wenn Motorräder dieser Art vor einem an der Ampel stehen.
Sirenen und ähnliche Lärmzeichen
Warnsignale wie Polizei- und Feuerwehrsirenen müssen andere Lärmquellen übertreffen. Im Prinzip handelt es sich um eine Lärmeskalation.
Wenn neben einem Radfahrer ein Einsatzwagen der Feuerwehr die Sirene aktiviert, fällt der Radfahrer fast vor Schreck vom Fahrrad. 16 17
Dies wäre nicht notwendig, wenn es die unzulässigen Lärmerzeuger nicht gäbe. Und auch keine Kfz mit Doppelverglasung.
Die Hör-Schmerzschwelle beim Menschen liegt, wie bereits erwähnt, bei 120 dB bis 140 dB. Kinder fangen bei hoher Lautstärke häufig an, zu weinen oder sich die Ohren zuzuhalten. – ein Zeichen dafür, dass ihnen etwas weh tut. Bei Schmerzen durch Lärm legt die Gesellschaft aber irgendwie(?) andere Maßstäbe an.
Auswirkung auf Radfahrer
Radfahrern wurde in Gerichtsurteilen vorgeworfen, dass sie zu leise seien und deshalb eine erhöhte Sorgfaltspflicht hätten. Umgekehrt könnte man genau so argumentieren, dass andere Verkehrsteilnehmer zu laut seien. Man muss mit den Gegebenheiten leben. Allerdings sollte die Frage erlaubt sein, in wie weit die Bewertenden mit solchen Argumentationen ihre persönlichen Interessen priorisieren.
In der Praxis kann man sich als Radfahrer auf eine Klingel nicht verlassen. Zumal man beim Betätigen der Klingel im Falle eines Unfalles davon ausgehen kann, dass argumentiert wird, dass „der Radfahrer vor dem Klingeln hätte Bremsen können“.
Man kann daher empfehlen, laut zu schreien. Und gleichzeitig bremsen. In wie weit dies zulässig ist kann der Autor nicht beurteilen.
Die Lärmgesetzgebung
Absurd sind die Reglementierungen des Lärms für Kfz und Motorräder [8]. Eine Messung von 2016 zeigt: Bis 50 km/h sind die Lärmgrenzwerte laut Norm ist ECE-R41/R51 restriktiv. Ab 53 km/h werden aber einige Kfz um mehr als 20 Dezibel zu laut, also 92 statt zulässiger 72 Dezibel. Das ist mehr als 8-facher Schalldruck, da 6 Dezibel mehr einer Verdoppelung entsprechen.
Innerhalb geschlossener Ortschaften liegt aber die obere Toleranz für die Höchstgeschwindigkeit bei 54 km/h; also ab 55 km/h wird erst geblitzt. Jedes Kfz kann somit bis 54 km/h die Gesellschaft völlig legal beschallen. Damit dann die Kommunen Millionen für Lärmschutzmaßnahmen ausgeben.
Die Regelungen wurden zwar mittlerweile verschärft, aber die zugelassenen Fahrzeuge werden noch Jahre die Straßen bevölkern.
Die Überholsucht der Verkehrsteilnehmer
Es existiert ein psychologisches Phänomen, bei dem kein Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen werden kann. Jeder versucht, den anderen zu überholen. Dies ist nicht nur nervig, sondern bisweilen gefährlich.
Radfahrer
Wenn Radfahrer rechts auf dem Radweg fahren und links von ihnen Autos an der Ampel stehen, dann fahren sie rechts an den Kfz vorbei. Existiert kein Radweg, so „drücken“ sich Radfahrer oft rechts an den Autos vorbei. Dass Autofahrer dabei genervt reagieren, kann man verstehen, da sie den Radfahrer vorher mühsam überholt haben. Als Autofahrer fragt man sich, was denn diese Überholsituation rechts in der Wasserablaufrinne „bringt“.
Deshalb sollten sich Radfahrer überlegen, ob es nun wirklich Sinn macht, sich an diesem Auto rechts vorbeizuquetschen, wenn man ganze 5 Sekunden bei dieser nicht ungefährlichen Situation gewinnt.
Außerdem verlangt man einen Sicherheitsabstand von 1,5 m vom KfzFahrer. Das Vorbeiquetschen geschieht aber meist näher und gibt dem Kfz-Fahrer den Freibrief, mit zu geringem Sicherheitsabstand zu überholen. Wenn man von Anderen Rücksicht verlangt, sollte man es diesen auch entgegenbringen.
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