Bonjour, mon nom est Sven, je suis allemand et je ne parle pas très bien français .
Le boef – der Ochs, la vache – die Kuh, fermez la porte – die Tür macht zu. Den Vormittag verbrachte ich wieder am Welcome Desk.
» Votre bon d’échange, s’il vous plait. « Dieser Satz definierte meine Arbeit. Hundertmal am Tag wiederholte ich ihn, er wurde nicht langweilig. Ich betonte ihn auf dreiundzwanzig verschiedene Arten, stellte die Worte um, wartete drauf » Je vous en prie « sagen zu können, wenn die Gäste meinen Schalter verließen. » Je vous en prie. « Ich sagte die beiden Sätze so oft, bis ich meinte, sie akzentfrei aussprechen zu können.
Und nahm mir dann den nächsten Satz vor. Nachmittags sah ich der Dänin Lisa über die Schulter, ließ mir von ihr auf Englisch ein paar Details erklären.
»Bist du sicher?«, fragte ich Lisa, die über dreißig war und verheiratet. »Ab 14h00?«
»Ich war so lange nicht mehr im Park. Willst du da wirklich hin? Der ist doch was für Kinder.«
Ich starrte auf den kleinen Faltplan des Parks und versuchte, mir die Topographie einzuprägen. Fantasyland, Peter Pan, Adventureland, Indiana Jones, Discoveryland, Space Mountain.
»Du kannst es gar nicht erwarten, was?« Sie packte ihre Sachen und machte sich bereit zu gehen. Sie arbeitete Teilzeit und niemals Spätschicht. »Aber das lässt nach. In ein paar Wochen kannst du das alles nicht mehr sehen.«
Ich grinste zweifelnd, sah wieder auf den Plan, dann fragte Brian, warum ich mich noch nicht für die Mittagspause eingetragen hatte.
»Wo ist die deutsche Gründlichkeit?« Gründlich mit den Achseln gezuckt.
Carol klopfte am Abend an unsere Tür. Jeremy hatte Spätschicht.
»Kommst du mit in die Sportsbar?«
»Nicht so gerne, muss morgen früh raus und brauche meinen Schönheitsschlaf.« Carol sah mich zu lange an, nickte langsam. »Wenn du Lust hast, kommst du einfach nach, okay?«
Leise schloss ich hinter ihr zu und lehnte mich gegen die Tür. Ich war noch nicht bereit. Das Gefühl, etwas zu verpassen, war stark. Ich sehnte mich nach Gesellschaft, nach Austausch. Mein Bedürfnis nach Schlaf jedoch, danach, mich zurückzuziehen, war stärker, und ich war zu schwach, um dagegen anzukämpfen.
»Morgen vielleicht«, flüsterte ich. In der Ferne hörte ich Lachen und leise Musik. »Morgen.«
Bevor ich einschlief, jagten Bilder durch meinen Kopf. Gesichter von Kollegen, Gästen und Anmeldeformularen. Und später im Traum sagte ich immer wieder: » Votre bon d’échange, s’il vous plait .«
Das Computertraining im kleinen Informatikraum in der Disney University bestand hauptsächlich darin, Reservierungen zu erstellen. Mit Babybett, ohne Babybett, vier Erwachsene, zwei Erwachsene und zwei Kinder, Deutsche mit zwei Kindern, Anreise am Montag, Abreise zwei Tage später, Spanier ohne Kinder, ohne Tickets und mit Seeblick.
Wir erstellten Reservierungen für jede mögliche Nationalität, jedes Datum und jeden Sonderwunsch. Nach einer Woche konnte ich das im Schlaf. Während die Reservierungen sieben andere Kollegen, die ich von den Traditions kannte, vor Probleme stellten, war ich immer als erster fertig und staunte über mich.
Die Mädchen an den Nachbarcomputern, Marijke mit den Ottifantensocken und Gabi, wohnten in den Pleiades genau neben mir. In der Woche des Trainings sah ich sie im Bus, lächelte zum Gruß. Manchmal lächelten sie zurück.
»Niemals F9 drücken.« Für das gute Englisch unserer Lehrerin war ich sehr dankbar. »Das wiederholen wir noch einmal.« Sie zeigte mit der ganzen Hand auf Marijke neben mir.
»Was?«
»Was habe ich gerade gesagt?«
»Niemals F9 drücken...«
»Richtig. Und jetzt du.« Damit zeigte sie auf mich.
»Niemals F9 drücken«, sagte ich stolz. Unsere Lehrerin ballte die Faust und klopfte sich auf die Schulter. Svante fragte, warum wir niemals F9 drücken sollten.
»Das ist so«, sagte sie. »Die Details lernt ihr im Hotel. Aber eines lernt ihr im Hotel nicht. Und das ist?«
»Niemals F9 drücken!«, riefen wir ihr entgegen. Sie ballte die Faust und klopfte sich zufrieden auf die Schalter. Mir fielen die Augen zu. Den Abschlusstest bestand ich mit 98%.
Danach klopfte ich mir auf die Schulter. Abends lag ich auf meinem Bett und las, löschte früh das Licht, schlief. Aus der Wohnung über mir hörte ich Stühlerücken, Musik und Lachen.
»Morgen«, flüsterte ich und strich mit den Fingerspitzen abwechselnd über die knotige, vernarbte Haut, die unter den verschorften Wunden an den Handgelenken nachgewachsen war. »Morgen.«
»Die lässt mich gar nicht mehr los.« Jeremy streckte sich. Die Welt hinter dem Fenster war grau, es regnete. Mein erster freier Tag. Ich wischte mir den Schlaf aus den Augen, hörte von einer Holländerin namens Saskia.
»Ich lag mit der nur einmal im Bett, passiert ist nichts, und jetzt redet die mir von Liebe.«
»Saskia?« Und im Bett? Zu zweit?
»Groß, blond, kräftig, laut. Aber ganz hübsch.«
»Ach, das ist dieses geschminkte Pferd. Hut ab, Jeremy, echt mutig.«
Ich hatte sie zusammen auf dem Weg zum Bus gesehen, doch eine Beziehung zwischen ihnen war mir entgangen.
»Da läuft nichts! Nicht wirklich.«
»Na, mein Lieber. Dann wünsche ich dir viel Erfolg, halt dich ran, damit ich nicht umsonst lästern muss.«
Jeremy hatte nur ein mitleidiges Lächeln für mich übrig. »Musst du heute arbeiten?«
» Nope «, sagte ich. »Frei, und morgen auch.«
»Paris?«
»Was ist Paris? Wo liegt das?«
Er lachte. »Warum kommst du nicht endlich mal mit saufen?«
»Ich trinke kein Bier.«
»Hast du das Kronenbourg schon probiert? Oder das Brückbier?« Mein Kopfschütteln registrierte er mit sichtlicher Genugtuung. »Na also, dann hast du ja was vor dir.«
Ich überlegte kurz. Er streckte mir wieder die Hand aus.
Wie lernt man Laufen? Einfach die Knie durchdrücken und einen Fuß vor den anderen setzen? Gleichgewicht ist das Geheimnis.
Ich jagte im Raumschiff durch das All, schrie und hob die Hände über den Kopf. Die Fahrt war lange nicht so schnell wie befürchtet. Nur die Warteschlange am Space Mountain beim dritten Mal machte mich ungeduldig.
Dafür fuhr ich einmal mehr mit den Zwergen.
Später, nachdem ich vergeblich versucht hatte, Excalibur aus dem Felsen zu ziehen, dafür vor der Bohnenranke gestanden und mir vorgestellt hatte, wie es wohl wäre, in den Himmel zu klettern, später setzte ich mich wieder ins Boot und trieb zu den Piraten. Den Drachen konnte ich ein anderes Mal töten.
Am nächsten Tag, zum Beispiel. Punkt 14 Uhr stand ich wieder am Eingang des Parks, zeigte meinen Mitarbeiterausweis vor, bekam eine Karte und trat ein. Ich war Ritter, war Zwerg, Aladdin und Peter Pan.
Gegen 15 Uhr kämpfte ich gegen Captain Hook, eine halbe Stunde später raste ich bereits wieder durch die Minen im Frontierland, danach entdeckte ich einen neuen Geist im Phantom Manor.
Man musste mich um halb sieben zweimal bitten, das Disneyland zu verlassen, weil ich endlich das Labyrinth von Alice gefunden hatte und mich nicht von den hüpfenden Wassertropfen trennen konnte.
Dort traf ich ihn, den weißen Hasen.
Er stand vor dem Labyrinth, ließ sich von mir umarmen und gab mir ein Autogramm. Ich hüpfte um ihn herum, kitzelte ihn, bis mich Alice bat, den armen Kerl nicht zu sehr zu triezen. In einer Boutique wurde ich meine letzten Francs los.
Unser Apartment war leer. Ich stellte den großen Stoffhasen an das Fußende meines Bettes, machte mir Pasta, setzte mich an den Esstisch und blätterte in einem Hotelprospekt. Das weiße Kaninchen schien mich dabei zu beobachten.
Mein eigenes Schnarchen riss mich aus dem Mittagsschlaf. Ich schnappte nach Luft. Meine Zunge klebte am Gaumen.
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