„Schon mal daran gedacht, zu den Samaritern zu gehen, sooft wie du betrunkene Frauen in deinem Bett schlafen lässt.“
„Ich konnte sie doch nicht auf dem Gang aussetzen, so was macht man nicht.“
„Nein natürlich, so etwas tut man wirklich nicht … Ich glaub es nicht, ein angepisster Tom schlief auf der Couch, weil sein Aufriss zu viel Alk abbekommen hatte.“ Also irgendwie amüsierte mich der Gedanke gerade.
„Ich war nicht angepisst, im Gegenteil. Ich hatte Zeit, konnte in Ruhe nachdenken und mir über ein paar Dinge klar werden.“
„Soso, Männer denken mal nach. Etwas ganz Neues. Sollte ich dir jetzt deine Story tatsächlich glauben? Dann hast du mich neulich nach dem Eis essen ziemlich verarscht.“
„Tja, da hab ich wohl gelogen. Scusa.“
„Du wolltest mich testen!“
„Naja, nicht so ganz.“
„Du bist echt ein gemeiner Schuft!“ Ich schimpfte vor mich hin.
„Und du? Bist du sauber?“
„Oh, sauberer geht es gar nicht mehr!“ Er grinste zufrieden.
„Tja bella, nach deinen sportlichen Erfahrungen – wie sieht die Sache aus, wenn du in einer Beziehung bist? Hast du Sex, oder lebst du von nun an zölibatär?“
„Was ist das bitte für eine blöde Frage?! … Natürlich habe ich Sex!“
„Bist du sicher?“ Mir schoss die Röte ins Gesicht. Jetzt fühlte ich mich unsicher. Es war absolut keine gute Idee, mit ihm so offen darüber zu plaudern.
„Am Anfang häufiger und … dann, naja … manchmal halt eben … Wie das eben so läuft.“
„Manchmal? Hmm … Mensch Süße, ich glaube du hattest in deinem Leben noch nie guten Sex!“ Theatralisch schlug er sich mit der flachen Hand auf die Stirn und ließ seinen Kopf nach hinten sinken. Als wäre das jetzt ein riesiges Problem.
Ich kam mir saublöd vor.
Fast wie eine Jungfrau.
Aber irgendwie hatte er recht, die Wahnsinnserfahrung hatte ich noch nicht erlebt. Niklas … naja … wie soll ich es formulieren … er war schnell.
Zack.
Bumm.
Aus und vorbei.
Kurz auf den Punkt gebracht – er war einfach zu schnell – für mich.
Trotzdem war‘s schön – meistens halt.
„Das kannst du überhaupt nicht beurteilen“, verteidigte ich mich, „ich finde nur … Liebe und Sex, lässt sich nicht so leicht trennen, wie die meisten behaupten.“
Es schien, als würde er für einen Moment über meine Worte nachdenken.
„Stimmt, ich kann das nicht beurteilen und ich bin deiner Meinung. Wenn man mit jemandem schläft, den man aufrichtig liebt, ist das natürlich etwas ganz anderes.“
Die Stille, die sich nun in unsere Heukammer einschlich, war kaum auszuhalten.
„Warum reden wir überhaupt über dieses Thema, können wir nicht über etwas anderes reden?!“ Meine Kehle fühlte sich plötzlich trocken und heiser an.
„Du hast damit angefangen …“, meinte er frech grinsend.
Das führte uns erneut in eine Sackgasse.
[…]
Pause.
[…]
Eine sehr lange Pause.
[…]
Mit einem getrockneten Grashalm fing er an, über meine Hand zu streichen, und beobachtete mich dabei durchdringend. Sanft streichelnd fuhr er entlang meines Armes weiter, was mich innerlich fast in den Wahnsinn trieb. Äußerlich versuchte ich, meine Aufgebrachtheit so gut es ging zu verbergen, wobei mich aber meine Gänsehaut verriet. Blöd zupfte ich an unserer Decke herum.
„Warum hast du nie etwas gesagt, dass es eigentlich Olli war?“, krächzte ich und starrte ihn fragend an. Mein Timing war miserabel, aber womit sonst hätte ich ihn ablenken können.
„Was meinst du?“
„Na, das mit meinem Bikinioberteil.“
„Oh … hat er endlich gebeichtet?“ Er hörte mit seinem Spiel auf und legte sich zurück.
„Ja, das hat er … du hast meine Frage nicht beantwortet.“
„Naja … Olli war frisch mit Nora zusammen, keine Ahnung welche Konsequenzen das für ihn gehabt hätte. Außerdem, hätte es etwas geändert? … Ich meine, ich war für dich von Anfang an der Arsch!“
„Das glaubst du wirklich?“ Für einen kurzen Moment dachte ich über seine Worte nach. „Stimmt. Du hast recht, aber bevor das am Pool passierte, hatten wir uns eigentlich ganz gut verstanden – oder etwa nicht?“ Überlegend verharrte sein Blick auf der Holzdecke.
„Eigentlich bin ich nur deinetwegen zum Hotel gefahren – keine Ahnung warum …“, meinte er dann, beugte sich vor, starrte mich an und ich schluckte. „Im Grunde durfte ich das auch nicht, denn ich hatte ja eine Freundin, aber ich … wollte dich einfach näher kennenlernen – du gingst mir damals schon nicht mehr aus dem Kopf.“
Das schlug erneut schon wieder eine Richtung ein, die mich noch unruhiger werden ließ, als ich es ohnehin schon war. Ein Plauderstündchen mit ihm zu führen war eindeutig zu dangerous für diesen Raum und führte womöglich noch zu einem Schäferstündchen.
„Ich denke wir sollten lieber schlafen“, sagte ich mit erstickter Stimme und rückte ein Stück von ihm ab.
„Miteinander?“, fragte er mich mit seiner tiefen Stimme.
„Tom – vergiss es!“, zischte ich ihn an. Ich muss wie ein Uhu geglotzt haben.
„Ich wollte nur zur Sicherheit nochmals nachfragen … falls du es dir doch anders überlegt hättest.“
„Soso … zur Sicherheit!“
„Du bist Single, ich bin Single. Ich find dich süß, du findest mich sexy. Also warum sollten wir nicht …?“
„Oh nein!“, platzte ich heraus, „Ich hab nie behauptet, dass ich dich sexy finde! Niemals!“
„Aber gedacht! Was ist schon dabei, ich find dich auch sexy!“
„Ich glaub, bei dir sind ein paar Schrauben locker!“
„Also bitte, was stört Madame so an mir?“
„Naja … sagen wir einfach … so einiges. Außerdem bist du ganz und gar nicht mein Typ.“ Meine Sehorgane wanderten über den Heuhaufen. Ihn jetzt auch noch anzusehen, wäre eine absolute Zumutung gewesen.
„Ach wirklich? Dafür, dass ich nicht dein Typ bin, verbringst du aber eine Menge Zeit mit mir.“
„Gezwungenermaßen bitteschön. Du bist ein Hallodri hoch drei, außerdem zu groß und vielleicht auch zu schlank … einfach zu italienisch!“ Er lachte, glaubte mir kein Wort.
„Wusste gar nicht, dass du so oberflächlich bist.“
„Tja, du weißt vieles nicht von mir.“ Und ich auch nicht von dir.
„Ich denke, mit dir zu schlafen wäre magisch.“
„Stopp Herr Kollege – jetzt reicht es aber wirklich! Und fürs Protokoll, so viele Weinflaschen hat Herr Salvatore nicht, dass ich mich dazu überreden lassen könnte.“ Um irgendetwas zu tun, schüttelte ich mein Kissen nochmals. Sein Blick klebte lange an mir, dabei veränderten sich seine Gesichtszüge, wurden ernster.
„Ich würde nicht wollen, dass du betrunken wärst, bella“, bemerkte er bestimmt, und dann tat ich einfach so, als hätte ich gerade einen Hörsturz erlitten und würde nichts mehr mitbekommen. Mit dem Rücken zu ihm legte ich mich neben ihn, deckte mich zu und achtete penibel darauf, ihn nicht zu berühren. Lässig wie er war, zog er sich seine Jeans aus und warf sie in die Ecke. Die gelassene Ruhe, die er immerzu ausstrahlte, ließ mich noch unsicherer werden. So jemand wie ich konnte ihn natürlich nicht nervös machen. Mein Herz schlug noch schneller, kräftiger und lauter – mein Puls raste förmlich. Wenn ich diese Nacht ohne einen Herzinfarkt überstehe, werde ich mir gleich morgen ein Blutdruckmessgerät besorgen. Vielleicht gab es ja auch homöopathische Mittelchen, um meinen Körperhaushalt einigermaßen zu regulieren. Auf die Dauer kann so eine psychische Belastung bestimmt nicht gesund sein.
Tom deckte sich ebenfalls zu und verschränkte seine Arme hinter seinem Kopf. Ganz leicht berührten sich unsere Beine, was mir beinahe schmerzhafte Stromschläge verpasste. So würde das mit dem Schlafen bestimmt nichts werden. Mit der geballten Faust drückte ich so etwas wie eine Grenze in unsere Decke. Als ich mich endlich nach minutenlangem Herumgezappel einigermaßen ruhig hinlegen konnte, schloss ich meine Augen und atmete entspannt tief durch.
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