„Körperflüssigkeitsaustausch? Das ist für dich Sex? … Ach komm, Mia, gib es zu! Du hattest bestimmt auch schon Sex mit jemandem, mit dem du nicht zusammen warst.“ Ich überlegte und er starrte ebenfalls wie angewurzelt auf meine Zehen.
„… Einmal oder vielleicht auch zweimal …“, stammelte ich verlegen und klopfte mein Kopfkissen zurecht.
„Vielleicht zweimal?“, fragte er mich zweifelnd.
„Naja, der Erste zählt eigentlich gar nicht.“
„Jetzt will ich es aber genau wissen!“ Entspannt stützte er seinen Kopf auf seinem Ellbogen ab und ich lehnte mich leicht an seinen Bauch. In Erinnerungen schwelgend grinste ich vor mich hin.
„Ach glaub mir, das willst du nicht wissen …“
„Und ob“, forderte er mich erneut auf. Irritiert blickte ich ihn an.
„Jetzt erzähl schon!“
„Können wir nicht einfach …“
„No.“
„Na gut … also das war so: Eine Freundin aus unserer Clique machte eine Party. Ihre Eltern waren übers Wochenende verreist. Malou und ich waren auch eingeladen. Alle redeten blöd auf mich ein, ich sollte es doch einmal versuchen, es wäre ganz easy und so. Die Wahrheit war, ich ging ihnen schon allen ziemlich auf den Keks, da ich die Trennung von meiner ersten Beziehung noch nach Monaten nicht wirklich überwunden hatte.“
„Wie lange dauerte denn deine erste Beziehung?“ Ich zögerte, und mit zusammengekniffenen Augen starrte ich ihn an.
„Wehe du lachst!“, drohend richtete ich meinen Zeigefinger auf ihn und er schüttelte unschuldig den Kopf. „Sie dauerte knapp achtundvierzig Stunden!“
„Oh … achtundvierzig Stunden? … Das ist wirklich …“, er verkniff sich das Lachen. „Achtundvierzig?“, fragte er nochmals und schüttelte nun fassungslos den Kopf.
„Ich fass es nicht, dass ich ausgerechnet dir davon erzähle!“ Ein paar Lacher rutschten ihm schon durch, was er gleich mit einem gekünstelten Hustenanfall überspielte. „Hey, für mich war das damals eine halbe Ewigkeit – okay? … Und überhaupt war er meine erste große Liebe. Das war echt hart! … Mein Herz war … futsch!“ Irritiert guckte er mich jetzt an. „Okay, du verstehst das natürlich nicht“, bemerkte ich.
Und dann kicherten wir beide vor uns hin, und er fing mit einer Haarsträhne von mir zu spielen an, was mich gleich nochmals aus dem Konzept brachte.
„Erzähl weiter …“
„Ähm … na, auf jeden Fall gingen wir zu dieser Party. Die Hälfte dieser Leute hatten wir in unserem Leben noch nie gesehen, und unsere Freundin bestimmt auch noch nicht. Das war echt extrem und lief komplett aus dem Ruder. Obwohl es da noch kein Facebook und auch kein Twitter gab … Tja, und dann lernte ich so einen Rotschopf kennen, der anscheinend der Cousin unserer Freundin war. Keine Ahnung, wie der nochmal geheißen hat … er hatte mir nicht einmal gefallen, er war eher so ein Sonderling. Aber ich ging die Sache wie besprochen an, ganz easy und relaxed. Irgendwann verdrückten wir uns auf ein Zimmer im Obergeschoss.“ Plötzlich spürte ich förmlich, wie Tom mich mit seinem Blick auszog. Räuspernd erzählte ich weiter.
„Wir küssten uns, fummelten ein bisschen herum, und bevor es wirklich richtig zur Sache ging, musste ich mal …“
„Du musstest mal?!“ Sein Blick, fragend und bestürzt zugleich.
„Jaahaa … du weißt schon … auf … die Toilette.“
„Oh.“
„Er meinte noch, er würde das mit dem Kondom in der Zwischenzeit regeln. Ich zog mir meine Sachen an, schlich die Treppe runter, rief mir ein Taxi und fuhr einfach nach Hause.“
„Du hast ihn mit einem Hammer in der Hose allein zurückgelassen? … Du bist echt knallhart Babe!“
„Tja, was soll ich sagen … oft ist halt Vorfreude die schönste Freude!“ Wir prusteten jetzt beide richtig los. „Anscheinend hat er eine ganze Stunde auf diesem Zimmer verbracht und auf mich gewartet.“
„Der arme Kerl kann ja einem richtig leidtun …“ Wir hätten uns kaputtlachen können.
„Sag mal, wie alt warst du denn da?“, fragte er mich, als wir uns wieder eingekriegt hatten.
„Naja, das war kurz bevor wir uns entschlossen hatten nach Italien zu reisen.“
„Aja?“
„Hmm“, bestätigte ich nochmals.
„Und was ist beim zweiten Mal passiert?“
„Beim zweiten Mal“, ich atmete tief durch, „naja, es dauerte ungefähr ein Jahr, bis ich einen weiteren Versuch wagte.“ Um meine Nerven etwas zu beruhigen, spielte ich mit einem getrockneten Grashalm herum. Seine Nähe aber auch so offen mit ihm über Sex zu reden, machte mich viel zu nervös, und meine Hände zitterten leicht.
„Malou war damals schon mit Gianni in Italien, und meine Freunde nervten mich aufs Neue. Ich würde eine dringende Entspannung benötigen. Was natürlich völliger Schmarrn war. Aber eines Abends lernte ich tatsächlich einen Mann in einem Pub kennen, der mir optisch schon mal ganz gut gefiel. Charaktermäßig war es mir völlig egal, ich wollte ja etwas Unverbindliches. Kurze Zeit später schleppte ich ihn mit in meine Studentenwohnung … Ich weiß auch nicht, aber ich glaube er hatte da etwas missverstanden als ich erwähnte, dass ich Sport gerne mochte. Dieser Idiot verwechselte mich mit einer Leistungsturnerin!“ Tom lachte laut auf.
„Nach sämtlichen Verrenkungen reichte es mir, und bevor ich einen Krampf riskierte, setzte ich ihn unverbindlich vor die Tür.“ Beide feixten wir herum. „Das war es dann, ich brauchte keine weiteren Experimente mehr!“ Er lachte noch ein paarmal laut auf, konnte gar nicht mehr damit aufhören.
„Hey, das ist nicht witzig!“ Ich boxte ihn leicht in den Bauch. Nun war ich neugierig.
„Und, wie viele Damen gehören zu den Beglückten von Tom Corneli?“
„Ob sie tatsächlich im Nachhinein glücklich waren weiß ich nicht, das ist ja bei euch Frauen oft echt schwer zu sagen.“
„Du lenkst ab! Wie viele waren es – egal ob glücklich oder nicht?“
„Reicht es dir, wenn ich einige sage?“
„Willst du mir die Zahl nicht sagen weil du denkst, ich würde kein Wort mehr mit dir reden?“ Tom druckste herum.
„Naja … es ist so …“
„Oh Mann! DU weißt es nicht mehr!?“ Entsetzt richtete ich mich auf.
„Hmm … aber ich kann sagen es waren zwei, bei denen ich dachte, ich hätte sie geliebt.“
„Bei denen du DACHTEST?“
Völlig schockiert lehnte ich mich wieder an seinen Bauch. Stirnrunzelnd sah er mich an.
„Schon mal einen Aids-Test gemacht?“, fragte ich nach einer Weile, als ich wieder klar denken konnte.
„Naja, nach meinem letzten Sex, der ja schon eine ganze Weile her ist, habe ich mich testen lassen … ich bin sauber.“
„Tja, nach diesem Blondschopf hätte ich mich auch testen lassen, die sah nicht gerade gesund aus.“
„Wenn du Klein-Blondchen meinst, … ich hab nicht mit ihr geschlafen.“
„Du meinst Alt-Blondchen. Hast du sie dir bei Tageslicht schon mal genauer angesehen?“ Er schüttelt seinen Kopf.
„Wie fies du manchmal sein kannst! Hast du mir überhaupt zu gehört? Ich hatte mit I-H-R K-E-I-N-E-N S-E-X.“
„Ja klar! Erzähl das mal deiner Oma! Ich verrate dir mal ein kleines Geheimnis, die Wände vom Grand Hotel Paradiso sind sehr, sehr, seeehr dünn. Da hat der Herr Architekt wohl etwas zu sehr gespart. Also Tom, ich bin kein kleines Mädchen mehr, also raus aus der Märchenstunde!“
„Mia, das einzige was du gehört hast war, wie sie die Obstschale zerschmetterte und dann vielleicht noch, wie ich sie in mein Bett hievte. Sie war zu betrunken, dass da noch was hätte laufen können, also schlief ich auf der Couch. Ehrlich.“
„Ist ja auch egal.“
„Es ist die Wahrheit.“ Mit einem Röntgenblick scannte ich sein Gesicht und verdammt, ich musste echt zugeben, er wirkte wirklich ehrlich.
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