Nachdem aber das beste Angebot nutzlos bleibt, wenn Hilfesuchende es nicht ordentlich annehmen, werden Sie hier auch erfahren, welche Verantwortung Betroffene selbst haben, damit sie von einem guten Angebot auch tatsächlich einen Nutzen ziehen können.
1. Beginnen Sie mit einer Liste
Die ersten 9 Punkte dieses Leitfadens helfen Ihnen vor allem bei den ersten Schritten Ihrer Suche. Im Kapitel 10 geht es dann um Anrufe und Terminvereinbarungen, und danach um die ersten und laufenden Sitzungen.
Beginnen Sie nun also mit einer Liste möglicher Anbieter, egal ob handschriftlich oder am Computer. Überlegen Sie sich ein paar grundsätzliche Dinge, die zuerst einmal entscheiden, wer auf Ihre Liste kommt:
• Will ich eine weibliche Anbieterin oder einen männlichen, oder ist mir das Geschlecht egal?
• Örtliche Erreichbarkeit: Wie mobil bin ich? Soll der Anbieter in der Nähe sein oder spielt die Distanz eine kleinere Rolle?
• Schwerpunkte (Spezialisierungen) und Therapiemethoden (falls Sie daran interessiert sind)
• Namen, Kontaktdaten und Adresse
• Telefonsprechstunden
• Homepage
• Kann ich privat zahlen oder kommen nur Anbieter in Frage, deren Leistungen von Kostenträgern bezahlt werden?
• Wenn Kosten übernommen werden, in welchem Ausmaß, also in welcher Höhe und für wie viele Sitzungen? (Besonders in Deutschland wird ein Großteil der Kosten von den Kassen bezahlt.)
• Gibt es eine Wartezeit und wenn ja, wie lange ist sie?
• Weitere Daten, die Sie für wichtig oder sinnvoll halten, zum Beispiel: Will ich lieber einen religiösen oder atheistischen Anbieter? Oder: Habe ich Empfehlungen über jemanden erhalten?
Wo können Sie suchen? Es gibt ein paar zentrale Register, die viele Anbieter auflisten, aber keines, wo ausnahmslos alle aufgelistet sind. Wenn Sie also eine vollständige Übersicht der lokalen Anbieter haben wollen, sollten Sie nicht nur die Suchportale im Internet verwenden, sondern auch herkömmliche Branchenverzeichnisse, lokale Listen bei Krankenkassen oder bei der Suche auf Google ihre Stadt oder Region dazu angeben. Die gängigen Listen sind leicht auf Google zu finden mit Keywords wie »Psychotherapeuten Suche« oder »Klinische Psychologen Verzeichnis«.
Zentrale Seiten für Deutschland
https://www.therapie.de/therapeutensuche
https://www.psychotherapiesuche.de/pid/search
https://psych-info.de/
https://www.deutschepsychotherapeutenvereinigung.de/nc/patienten/psychotherapeutensuche/
https://www.kbv.de/html/2044.php
Zentrale Seiten für Österreich
https://www.psychotherapie.at/patientinnen/psychotherapeutinnen-suche
https://www.psyonline.at/
https://www.gesundheit.gv.at/service/beratungsstellen/psychotherapie-adressen
Manche meinen, man solle sich gleich zu Beginn für eine Psychotherapie-Methode entscheiden. Das kann man machen, es kann aber für Anfänger schwierig sein, diese Methoden einzuschätzen. Außerdem sind die Methoden nicht so entscheidend für den Erfolg, sondern die Eignung des Anbieters und die Bereitschaft des Klienten.
Meiner Erfahrung nach ist es auch problematisch, wenn Therapeuten zu sehr auf einzelne Methoden festgelegt sind. Zum Beispiel ist Verhaltenstherapie allein, mit der man besonders in Deutschland recht euphorisch ist, oft unzulänglich. Gute Therapeuten arbeiten nicht stur nach einer einzigen Methode, sondern flexibler.
Wenn Sie sich in die Therapiemethoden einlesen wollen, empfehle ich Ihnen die Seite https://www.psyonline.at/methoden. Hier sind auch die drei zurzeit in Deutschland anerkannten Methoden enthalten (Stand 2021): Verhaltenstherapie (VT), Analytische Psychotherapie und die Tiefenpsychologisch Fundierte Psychotherapie.
Ansonsten rate ich vorerst eher dazu, sich danach zu richten, welche psychischen Schwierigkeiten Sie haben und ob Anbieter darauf spezialisiert sind. Warum Spezialisierungen wichtig sind, wird später erläutert.
Bedenken Sie, dass psychische Hilfe auch über das Internet möglich ist. In Deutschland und Österreich ist Internet-Psychotherapie zwar bisweilen nicht zugelassen, aber die Realität des Lebens ist eine andere: Psychische Hilfe und Heilung sind grundsätzlich nicht davon abhängig, einem Helfer in einem Raum gegenüber zu sitzen, daher ist Online-Psychotherapie in einigen Ländern bereits erlaubt und sie wird auch in Deutschland und Österreich inoffiziell von Psychotherapeuten unter Bezeichnungen wie Coaching und Beratung praktiziert.
1.1 Kurze Erläuterungen über Methoden und Modelle
Dass es heute noch nicht so eindeutig ist, welche therapeutischen Modelle und Methoden die hilfreichsten sind, zeigt allein die Tatsache, dass die Staaten bei der gesetzlichen Regulierung der Psychotherapie verschiedene Wege gehen. So sind in Deutschland zurzeit nur 3 grundsätzliche Verfahren zugelassen. In Österreich sind es 4 Hauptströmungen mit insgesamt 23 Unterkategorien. In den USA sind es noch wesentlich mehr, zum Beispiel auch NLP, welches manche Anbieter in Deutschland und Österreich inoffiziell anwenden.
Forschungen und praktische Erfahrungen vieler Therapeuten zeigen auch, dass die Anwendung bestimmter Modelle und Methoden nicht so sehr entscheidend sind für den Erfolg bei psychischer Hilfe, sondern die Fähigkeiten des Anbieters, die Qualität der Beziehung zwischen Anbieter und Klient, und schließlich die Eigenverantwortung der Klienten. Daher sagt es an sich auch nicht viel aus, wenn jemand wissenschaftlich geprüfte Methoden anwendet. Man kann geprüfte und bewährte Methoden technisch irgendwie anwenden, aber das bleibt nutzlos, wenn sie falsch angewendet werden und wenn der Klient keine ausreichende Bereitschaft hat.
Nicht nur mit konkreten Methoden, sondern auch mit psychologischen Theorien und Erklärungsmodellen sind manche Anbieter sehr festgelegt, also mit prinzipiellen Vorstellungen darüber, wie psychische Leidenszustände entstehen und wie sie zu lösen seien. Betroffene und ihre Situationen werden von weniger guten Anbietern oft gesehen wie Maschinen, wo man bei Problemen immer nach dem gleichen Schema vorgehen könnte, um Lösungen zu finden.
Das Denken in Modellen ist einerseits völlig natürlich, der Mensch kann auch gar nicht anders. Außerdem beruht alles Körperliche und Psychische auf allgemeinen Strukturen und Mechanismen. Aber andererseits sind viele psychologischen Modelle fehlerhaft oder unausgereift. Das zeigt sich auch daran, dass in der Forschung frühere Modelle oft verworfen werden, weil Psychologie und Psychotherapie immer noch junge Wissenschaften sind. Und diese Fehlerhaftigkeit zeigt sich gerade auch heute anhand vieler Wiederholungsstudien, die oft zu anderen Ergebnissen kommen als die früheren. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Ansichten über die Ursachen und Lösungsmöglichkeiten psychischer Leidenszustände unter Fachleuten immer noch recht unterschiedlich ausfallen.
Ein guter Anbieter mag von seinen Methoden und Modellen überzeugt sein, aber er weiß, dass diese nur Mittel sind für den Bewusstseins- und Gewohnheitswandel eines Menschen, und dass nicht alle Modelle bei allen Klienten anwendbar sind. Diejenigen, die so auffallend stark von einzelnen Modellen und Methoden überzeugt sind, sind meistens die problematischsten Anbieter. Halten Sie sich von allen Anbietern fern, die behaupten, ihre Methoden und Modelle seien »die besten«, »die modernsten«, »die wirksamsten«, »der Königsweg«, »alternativlos«, »wissenschaftlich eindeutig belegt« oder Ähnliches.
Man kann sehr viel Technisches in der Psychotherapie lernen, aber das lernt man nicht, man hat es, oder eben nicht.
Prof. Fritz Henn, amerik. Psychiater und Biomediziner, geb. 1941 2
2. Achten Sie auf Spezialisierungen
Wenn Sie Hilfe bei konkreten psychischen Leiden finden wollen, dann sollte ein möglicher Anbieter auf Ihre Problematik spezialisiert sein, ähnlich wie Fachärzte in der körperlichen Medizin.
Читать дальше