Der Ordensstifter. Franz von Sales ist der Vater eines der ruhmreichsten Orden der Kirche, des Ordens der Töchter der Heimsuchung Mariä" (im deutschen Sprachraum gern Salesianerinnen" genannt), der sich schon zu seinen Lebzeiten rasch entwickelte, nach seinem Tod in wenigen Jahren über die ganze katholische Welt ausbreitete, wunderbare Früchte der Heiligkeit hervorbrachte und hervorbringt. Einer Tochter dieses Orden, der hl. Margareta Maria Alacoque verdankt die Kirche die Verbreitung der Verehrung des heiligsten Herzens Jesu und damit den reichen Segen, der sich durch diese Verehrung über die gläubige katholische Welt ergießt. Auch heute noch ist dieser Orden von jugendlichem Leben und Eifer getragen und eine der herrlichen Zierden der katholischen Kirche.
Der Heilige. Die Kirche hat ihn in feierlicher Weise zu einem ihrer großen Vorkämpfer und Vorbilder erklärt. Es genüge hier, das Zeugnis zweier Heiliger anzuführen, des hl. Vinzenz von Paul und der hl. Johanna Franziska von Chantal; beide erklärten, Franz von Sales sei das lebendige Ebenbild des Heilands gewesen.
Die Werke des hl Franz von Sales
Wie schon gesagt wurde, hat der Heilige relativ wenige Werke geschrieben und selbst herausgegeben: Die Anleitung zum frommen Leben" (Philothea) und die Abhandlung über die Gottesliebe" (Theotimus), die Verteidigung der Kreuzesfahne" und einige kleinere Schriften. Trotzdem umfaßt die neue kritische Ausgabe seiner Werke 26 Bände, ein 27. Band ist in Vorbereitung. Von vielen tausend Briefen, die er geschrieben, sind mehr als 1800 erhalten und füllen 11 stattliche Bände; zwei Bände enthalten seine selbst geschriebenen Predigten und Predigtentwürfe, vier Bände kleinere, zumeist noch nicht veröffentlichte Schriften und Notizen, ein band die von ihm niedergeschriebenen, aber nicht als Buch veröffentlichten ³Kontroversen".
Gesammelte Werke des heiligen wurden bald nach seinem Tod veröffentlicht. Im 19. Jahrhundert gab zunächst Blaise (1821) die gesammelten Werke des Heiligen heraus, dann Vivès (1856-1858), schließlich Migne (1861). Diese Ausgaben sind freilich mit vielen Mängeln und Fehlern behaftet. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entschloß sich das Kloster der Heimsuchung zu Annecy zu einer vollständigen und kritischen Ausgabe der Werke des hl. Franz von Sales; von 1892 bis 1937 erschienen die einzelnen Bände nach gründlicher Vorbereitung. Diese große Ausgabe liegt unserer deutschen Übersetzung zugrunde.
Die vorliegende Deutsche Ausgabe.
Die wichtigsten Werke des hl. Franz von Sales wurden bald nach seinem Tod auch ins Deutsche übersetzt, davon die ³Anleitung zum frommen Leben" in ungezählten Auflagen. In neuester Zeit gab Otto Karrer in vier Bänden ausgewählte (stark gekürzte) Schriften des hl. Franz von Sales (im Verlag J. Pfeiffer) heraus, eine andere geplante Sammlung der Schriften des hl. Franz von Sales ist nur bis zu zwei Bänden gediehen.
Die jetzt vorliegende kritische Ausgabe der Werke des Heiligen ermöglicht nun eine deutsche Ausgabe der Werke des Heiligen, die seiner Bedeutung entspricht. Die großen Werke des Heiligen wurden nach der Ausgabe von Annecy übersetzt und ungekürzt wiedergegeben, die ³geistlichen Gespräche" nach der neuesten kritischen Ausgabe von 1930. Von den Predigten wird eine Auswahl getroffen, ebenso von den Briefen und den kleineren Abhandlungen. Diese Auswahl wird aber bestrebt sein, nichts Wesentliches von der Lehre des Heiligen zu übergehen und als Ganzes ein klares Bild des Seelenführers, Seelsorgers und Bischofs geben.
Die Bände 1 und 2 dieser deutschen Ausgabe sind schon früher in mehreren Auflagen erschienen. Sie sind nun (teilweise verbessert) in die Sammlung aufgenommen und erscheinen in gleicher Ausstattung wie die übrigen Bände.
Zur Einführung in die „Anleitung zum frommen Leben."
1. Ihre Entstehung.
Der Aufenthalt des hl Franz von Sales zu Paris im Jahre 1602 und zu Dijon im Jahre 1604 bedeuten die Wende des Heiligen vom Apologeten zum Seelenführer.
In Paris kam er mit heiligmäßigen Seelen und berühmten Seelenführern zusammen. Er konnte die Früchte seiner Studien und Erfahrungen mit denen anderer messen. Es waren Monate stillen Fragens, Lernens und Reifens, aus denen er mit fertigen Überzeugungen, mit einem vollständig ausgebauten System aszetischer Lehren und Methoden hervorging. Sofort nach diesem Aufenthalt in Paris setzten seine Briefe der Seelenführung ein, und schon in den ersten dieser Briefe tritt die charakteristische Eigenart des Heiligen im System wie in der Methode seiner Führung vollendet hervor.
Bereits in Paris empfand er deutlich den Mangel eines Buches, das die Hauptlehren der Frömmigkeit für Weltleute zusammenfaßt. In Dijon lernte er 1604 eine Reihe hervorragender Menschen kennen, die sich unter seine Leitung stellten; ihnen schickte er nicht nur Briefe, sondern auch kleine Abhandlungen, die sie untereinander austauschen sollten. Im gleichen Jahr stellte sich auch Frau von Charmoisy unter seine Seelenleitung. Wie den anderen sandte auch ihr der Heilige nicht nur einzelne Ratschläge, sondern eine Reihe von Abhandlungen über verschiedene wichtige Fragen des geistlichen Lebens (vgl. Vorwort).
Wir dürfen wohl annehmen, daß dem Heiligen bei Abfassung dieser ausgedehnten Arbeiten der Gedanke, sie einmal in ein großes Werk zusammenzufassen, vorschwebte. Den unmittelbaren Anstoß dazu gab Frau von Charmoisy; sie zeigte diese Abhandlungen dem Pater Fourier SJ., der von ihnen so begeistert war, daß er den Heiligen drängte, sie zu veröffentlichen. Franz von Sales verlangte die Abhandlungen von Frau von Charmoisy zurück, sah sie durch, fügte verschiedenes hinzu und konnte im August 1608 das fertige Werk an den Buchdrucker Thibaut nach Lyon schicken; dort erschien es Ende 1608 oder Anfang 1609. Franz von Sales hat selbst noch weitere vier Auflagen vorbereitet; schon die zweite war bedeutend reichhaltiger. Die 5. Auflage (1619), der unsere Überzeugung folgt, enthält 16 Kapitel mehr als die erste Auflage, sie war auch sonst in vielen Teilen erweitert.
2. Ihr Erfolg.
Dem Buch war ein außerordentlicher Erfolg beschieden. Im Jahre 1620 konnte der Heilige schreiben, daß sie bereits mehr als vierzigmal allein in französischer Sprache gedruckt worden war. In rascher Folge kamen die Übersetzungen; im Jahre 1656 gab es solche bereits in 17 Sprachen. Zeitgenossen bezeugen, daß die Buchhändler kaum die benötigte Zahl von Exemplaren beschaffen konnten. Der hl. Vinzenz von Paul sagt im Heiligsprechungsprozeß des hl. Franz von Sales aus, daß man überall auf ihn hinwies mit den Worten: Das ist der große Bischof Franz von Sales, der die Anleitung zum frommen Leben geschrieben hat." Im Jahre 1651 berichtet der Gesandte des Herzogs von Savoyen, daß am kaiserlichen Hof in Wien alle fürstlichen Persönlichkeiten, Herren und Damen die Anleitungen stets zur Hand hatten. (s. Oeuvres, Band 3, XXIV, Anm.).
Die Päpste wetteiferten im Lob der ³Anleitung". Es genüge, hier anzuführen, was Pius IX. im Breve vom 28. Dezember 1877 schreibt: ³Franz von Sales hat in seiner Anleitung die Tugend in lebhaften Formen gemalt, hat schlechte Wege gerade gemacht, holperige geebnet, allen getreuen Christi einen so leichten Weg zu Ihm hin gezeigt, daß seither die Frömmigkeit überallhin ihr Licht verbreitet..." Pius XI. schreibt in der Enzyklika vom 26. Januar 1923: Möge dieses Buch, das die Zeitgenossen in jenen Tagen für das vollkommenste in seiner Art hielten, auch heute von allen durchgearbeitet werden, wie es zuvor so lange Zeit hindurch in den Händen aller war; dann würde die christliche Frömmigkeit bei allen Völkern wieder emporkommen und die Kirche Gottes würde sich über die gemeinsame Heiligkeit ihrer Kinder freuen..."
Vor der Größe dieses Buches beugen sich nicht nur die Wortführer der katholischen Religion. Zur Zeit seines Heiligsprechungsprozesses berichteten zeugen unter Eid, daß im kalvinistischen Genf, das ihn zu seinen Lebzeiten so heftig bekämpft und gehaßt hatte, nun die ³Anleitung" in keinem guten Haus fehlte. Der gleiche begeisterte Empfang wurde dem Buch auch im protestantischen England zuteil (s. Oeuvres, Band 3, XXVIII f).
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