Nachdem sie nun das Volk fortgejagt hatten, sind sie die alleinigen Herren der Stadt Münster gewesen. Da waren die Bürgermeister Knipperdollingk und Kipenbroick und hatten die Stadt für sich alleine. Knipperdollingk ging an diesem Freitagnachmittag durch die ganze Stadt und rief: „O Vater, o Vater, vergib, vergib“, so laut er rufen konnte, als ob er irrsinnig wäre und war ganz blass im Gesicht. Knipperdollingk blieb nicht lange allein. Zehn oder Zwanzig, die auch so in allen Straßen und Gassen riefen, dass an diesem Tage ein wunderliches Wesen in der Stadt war. Und niemand kann sich das ausdenken oder beschreiben.
Bernt Knipperdollingk
Sie haben den ganzen Tag überall ausrufen lassen, dass der Rat beschlossen hat, dass alle diejenigen, die noch in der Stadt waren und nicht getauft, die sollten sich bei Sonnenaufgang aus der Stadt machen, sonst würde man sie totschlagen. Dies war für die Leute schrecklich zu hören, und das Volk war darüber entsetzt. Dies rief ein Staatsdiener, genannt Teba.
Die, die nicht getauft waren, verließen die Stadt.
Dann haben die beiden Bürgermeister, Knipperdollingk und Kipenbroick, und alle Räte, die die Wiedertäufer gewählt hatten, Wachen eingestellt, so viele sie bekommen konnten. Diese Wachen mussten jede Nacht Wache halten und haben jede Nacht Pfannen mit Feuer auf dem Marktplatz aufgestellt. Die beiden Bürgermeister und auch Johan van Leyden sind jede Nacht durch die Stadt gegangen, um die Wachen zu kontrollieren. Eines Nachts sind sie wieder durch die Stadt gegangen, um die Wachen zu kontrollieren. Dabei haben sie außerhalb ein Feuer gesehen, dass mannshoch in die Luft brannte. Das sahen beide Bürgermeister, Johan van Leyden, zwei von den Wachen und noch zwei oder drei Ratsmitglieder. Da haben Johan van Leyden und beide Bürgermeister gesagt, dass dieses Feuer von Gott aus dem Himmel geschickt sei, weil Gott die Stadt bewachen will. Danach sind sie auf die Knie gefallen und haben dem Vater gedankt.
Nun hat mein gnädiger Herr von Münster begonnen, die Stadt zu belagern und nachts zu bewachen. Ich glaube, dass seine Landsknechte dieses Feuer angezündet haben, um die Stadt zu beleuchten wenn sie nachts Wache hielten. Als sie eines Nachts wieder vor dem Feuer standen, da sagte Knipperdollingk, dass er in dem Feuer das Angesicht Mariens gesehen habe. Das pflegte er nachts sehr oft zu sehen. Die anderen, die bei ihm standen zeigten mit den Fingern in die Luft, aber sie konnten nicht das Gleiche sehen, wie Knipperdollingk es konnte. Diejenigen, die nicht das Gleiche sehen konnten wie Knipperdollingk, wurden von den anderen Wiedertäufern für weniger heilig gehalten, auch hätten sie den tiefen Glauben nicht, so wie Knipperdollingk.
Solche Dinge pflegten sie oft zu sehen; dann machten sie dem gemeinen Volk weis, dass sie nachts in der Luft drei Städte gesehen hätten. Diese Städte waren Münster, die andere Straßburg und die dritte war Deventer. Diese Städte hätte Gott auserwählt, und wollte, dass ein heiliges Volk in ihnen lebe. Darin sollte Gottes Wort niemals versiegen und von dort aus sollte Gottes Wort um die ganze Welt gehen. Das sollte von diesen drei Städten ausgehen. So haben sie noch über ein halbes Jahr von demselben Feuer gepredigt, welches sie in der Nacht vor der Stadt gesehen hatten.
Johan Matthis und Johan van Leyden waren Propheten und waren gleichzeitig die Obersten von den Bürgermeistern und den Räten der Stadt Münster. Johan Matthis war von den beiden der obere Prophet, Johan van Leyden war da noch nicht der oberste Prophet. Aber Johan Matthis sagte, dass ihm offenbart war, dass Johan van Leyden noch hochgehoben werden sollte in der Welt, um ein großer Prophet zu werden. Die Propheten und Predicanten und die Wiedertäufer, die aus allen Landen nach Münster gekommen waren, sind sich einig gewesen, was sie mit der Taufe im Sinne gehabt haben.
Es ließen die beiden Propheten, Johan Matthis und Johan van Leyden alle Mannsleute, die in der Stadt waren, mit Gewehr und Harnisch auf dem Domhof zusammenkommen. Auf dem Domhof riefen die Propheten, dass Gott zornig sei und dass es keine Gnade mehr gäbe. Dann riefen die Propheten, dass all diejenigen, die des Freitags getauft waren, sich auf die eine Seite begeben sollten. Darauf gingen diese dorthin und standen dort separat. Dann kamen einige von den Ratsleuten und Predicanten zu den anderen und sagten zu ihnen, ein jeder solle seine Waffe und den Harnisch ablegen. Das haben sie auch getan. Einigen haben die Räte und Predicanten auch die Waffe und den Harnisch mit Gewalt abgenommen. Sie mussten sich mit dem Gesicht nach unten auf den Boden legen und den Vater bitten, dass sie in der Stadt bleiben dürften und dass sie möchten in Gnaden kommen. Die Propheten und Predicanten sagten, Gott wolle nichts Unreines in der Stadt Münster haben; Gott wolle ein williges Volk haben, das seinen Namen preisen solle. So haben die Leute eine Stunde auf der Erde gelegen und haben geschrien und gebetet und hatten ständig Angst, dass die Propheten und Predicanten und die anderen Wiedertäufer sie totschlagen würden. Ein Teil von ihnen sagte auch, dass man sie totschlagen würde. Ein anderer Teil sagte, dass man sie nackt und bloß aus der Stadt treiben würde, dann würden sie von den Landsknechten totgeschlagen. So haben sie die anderen zu der Taufe gebracht.
Die an diesem Freitag getauft wurden, waren um die dreihundert.
Als sie nun so auf dem Domhof lagen, in großer Angst, mussten sie aufstehen und zur Lambertikirche gehen; ihre Waffen mussten sie liegen lassen. In der Kirche haben sie drei Stunden lang auf Händen und Füßen gelegen und mussten den Vater bitten, dass sie in der Stadt bleiben dürften bei dem heiligen Volk. Sie riefen mit lauter Stimme: „O Vater, o Vater, o Gott, erbarme dich unser und sei uns gnädig.“ So haben sich Frauen und Männer in den Armen gehalten und haben sich kreuzweise umherbewegt und haben getanzt und mussten so den Vater anbeten. Dabei waren auch einige kleine Jungen und Mädchen in der Kirche, die auch alle so riefen, und es war ein unheimliches Geläute in der Kirche. Es waren auch einige Wiedertäufer dabei, die an dem Freitag getauft waren. Diese gingen in der Kirche auf und nieder und sagten, „bittet, bittet, bittet den Vater in geeigneter Weise“, und gingen dem einen vor und dem anderen nach.
Einer war dabei, der ist lange still gelegen und hat sich nicht gerührt. Zu dem sind sie gegangen, haben ihn aufgerichtet und mit lauter Stimme gerufen „O Vater, vergib.“ Darauf haben sie ihn wieder hingelegt. Bald hat er sich wieder aufgerichtet, ist zu den anderen gegangen, hat die Hände in die Luft gestreckt und mit lauter Stimme „O Vater, gib Gnade“ gerufen. Dann hat er sich wieder hingelegt und ist kurze Zeit still gewesen. Dann hat er sich zum dritten Mal aufgerichtet und den Herrn wieder angerufen. Und es hat einer bei ihm gestanden, hat ihn bei den Armen gehalten und zu ihm gesagt „halt fest, halt fest, bitte treulich.“ Da hat er so lange gebetet bis er auf den Rücken niedergefallen ist und hat die Hand in die Luft gestreckt und gezeigt, als würde gleich ein Engel aus dem Himmel herunter kommen. Und der, der bei ihm stand rief „was ist das, was ist das?“, und hat er mit der Hand auf das Gewölbe in der Kirche gewiesen. Das gemeine Volk in der Kirche dachte, dass sich Gott offenbart hat, und ein Engel wäre vom Himmel gekommen. An das Kirchengewölbe war ein Gottesbild gemalt, auf dieses wies er mit dem Finger. Und als der andere ihn fragte, „was ist das“?, da zeigte er den Weg zu seinem Gott.
Johan van Leyden und ein Teil der Predicanten waren durch die Ruferei zur Kirche gekommen; nun standen Johan van Leyden und Schlachtschaep am Kirchentor und schauten zu. Als das Rufen und Zeigen mit dem Finger geschah, gingen sie in die Kirche. Johan van Leyden ging zu dem Altar und rief: „Liebe Brüder, ich soll euch von Gott verkünden, dass ihr seine Gnade habt, und bei uns bleiben sollt und ein heiliges Volk sein sollt.“
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