Die einen sagten, sie sei 120 Jahre alt, die anderen sagten, sie sei unsterblich. Niemand wusste sicher, wo sie lebte und mit welchem Gesicht sie sich tarnte. Aber alle wussten, dass Obamakka über Einfluss verfügte. Sie hatte sich im Hexenzirkel hochgedient, hatte Seilschaften geknüpft und Mehrheiten gebildet.
»Obamakka. Hast dich ja lange nicht blicken lassen. Was machste denn jetzt? Bist du in Blankenburg?«
Obamakka blieb die Antwort schuldig. Kolafanta, und Köstritza wichen aus dem Schein des Feuers nach hinten zum Waldrand, die Besen fest umklammert.
»Keine von euch war auf der letzten Versammlung.«
»Versammlungen interessieren uns nicht«, erwiderte Dihomma.
»Wisst Ihr von den Beschlüssen?«, fragte Obamakka ruhig. Tsabitta grinste wieder breit, selbstsicher.
»Ach, davon habe ich schon gehört, jaja. Ihr wollt da was ändern.«
»Wir wollen uns schützen, uns alle, und dazu gehört auch ihr«, entgegnete Obamakka. »Deswegen wäre eure Beteiligung so wichtig gewesen.« Die Art und Weise, mit der sie um das Feuer herumging, war fast ein Schlendern. Beiläufig und desinteressiert. Sie sah die anderen Hexen der Reihe nach an, jede wandte den Blick ab, Tsabitta nicht, und Mixa lag noch schwer atmend im Gras.
»Schützen, hä?« Das Wort war ein heiseres Krächzen. »Ihr wollt uns den Dings, den Spaß verbieten. Jaja, ich weiß genau, in welche Richtung das läuft. Ihr wollt alles regeln. Wir sollen keine Wölfe mehr verzaubern und keine Kühe, nicht mehr auf dem Besen reiten und...«
»... vor allem aufhören, Menschen aufmerksam zu machen.«, unterbrach Obamakka sie. Ihr Tonfall hatte von beiläufig zu hart gewechselt.
Tsabittas Augen funkelten trotzig. »Wir sollen die Art und Weise aufgeben, nach der wir schon Jahrhunderte leben, das ist es. Wir erkennen eure Autorität nicht an. Was kommt danach? Ein Ministerium für Hexerei oder eine Zauberschule?«
Obamakka winkte ab. »Ruhig, Mädchen, lass den Kinderkram. Sachlich bleiben. Wir bitten euch lediglich um Diskretion. Frauen werden verbrannt, hoffnungsvolle Talente, die nie Zeit hatten, ihre Kräfte zu entwickeln. Wir schaden so nur uns.«
»Ach was. Die Menschen verbrennen allein sich selber. Ich wüsste nicht, wie wir uns schaden könnten. Bislang sind wir aus jeder brenzligen Situation entkommen.«
»Es ist doch nur eine Frage der Zeit, bis sie auch euch erwischen.«
Tsabitta spuckte verächtlich ins Feuer. »Panikmache.«
Obamakka legte die runzligen Hände aneinander und senkte den Kopf.
»Ich sage es euch noch im Guten. Verzichtet auf die Walpurgisnacht. Es wird sonst ein schlimmes Ende nehmen.«
Dihomma schielte zu Tsabitta herüber. Was würde sie jetzt sagen? ‚Du drohst uns?‘ Oder ‚Wie willst du uns daran hindern?‘ Doch Tsabitta sagte nichts mehr. Sie drehte sich um, schwang sich auf ihren Besen und gab den anderen drei Hexen, die sich ebenfalls zum Abflug bereit machten, ein Zeichen. Heulend sausten sie davon.
»Hier werden keine Kinder mehr geopfert«, sagte Obamakka und trat zurück, aus dem Lichtkreis des Feuers. Ihre letzten Worte schienen kaum noch an Dihomma sondern mehr an sich selbst gerichtet zu sein. »Wir haben Wichtigeres vor.«
Dann verschwand die alte Hexe wieder in der Düsternis des Waldes, Dihomma blieb nachdenklich auf ihrem Stamm am Feuer sitzen, bis sich Mixa regte und erschöpft den Kopf unter dem spitzen Hut hob.
»Hilfst du mir, den Baum zu mir nach Hause zu tragen?«
Dihomma schüttelte nur den Kopf. Armes Mädchen, dachte sie wieder.
II
Sonntag, 28. April 1599
Lang war der Schlaf, tief und ruhig. Eine Katze weckte den Spielmann sanft, strich schnurrend durch das Stroh, rollte sich auf seiner Brust zusammen. Tim gähnte. In der Nacht zuvor war noch Moos unter einer Tanne sein Lager gewesen und hatte die Kälte ihn geweckt. Ein solch gemütliches Plätzchen hatte er lange nicht gehabt.
Tim streckte sich, warf die Katze herunter, suchte seine Sachen zusammen und wollte gerade die Leiter vom Heuboden hinabsteigen, als er hörte, wie das Scheunentor geöffnet wurde.
Leise Schritte ertönten. Wie spät es wohl sein mochte? Die Erinnerung an die vergangene Nacht kam wieder, an das gemeinsame Musizieren und die vielen Hände.
Tim dachte, so könne es jedes Mal sein. Erst das Spiel auf großer Bühne und im Anschluss in der Scheune vor ausgewähltem Publikum eine Zugabe. Das Leben als Musikant gefiel ihm wieder. Jetzt noch mehr Geld in der Tasche, oder, da musste er sich korrigieren, überhaupt etwas Geld in der Tasche, und das Leben wäre wie erträumt.
Jemand stieg die Leiter hinauf, leichtfüßig. Gleich darauf tauchte ein dunkler Haarschopf auf, zwei wache Augen blinzelten ihn an. Die Tochter des Bauern, die ihn gestern in die Scheune geführt hatte.
»Aufwachen. Es ist schon spät am Morgen.«
Tim streckte sich. Frühstück ans Bett? Es wurde ja immer besser. Das Mädchen stieg auf den Heuboden. Wieder trug sie das schlichte braune Kleid über den sehr weiblichen Rundungen. Sie klimperte nervös mit den Augen.
»Mein Vater glaubt, ich sei auf dem Feld.«
»Und warum bist du es nicht?«
»Ich würde gerne noch einmal Euer Instrument sehen.«
Tim kratzte sich am Kopf und tastete nach seiner Gitarre, die neben ihm im Stroh lag. Das Mädchen sah seine Bewegung und schüttelte den Kopf.
»Nein, nicht das. Das andere.«
Der Bauer erwischte sie in einem sehr ungünstigen Moment. Tim hatte gerade die festen Pobacken des Mädchens geknetet und staunend beobachtet, wie sein Rohr von hinten in ihrer feuchten und jugendlich engen Möse ein und aus fuhr, hatte das Klatschen genossen, mit dem sich ihre Körper trafen und wollte das Kleid höher schieben, um die saftigen Brüste besser bewundern zu können, die bei jedem Stoß erregend wippten, als hinter ihm eine Stimme dröhnte.
»Du niederträchtiger Halunke!«
Der Moment, in dem ein Schock ihn durchfuhr, war selten ungünstig. Das vor ihm kniende Mädchen, das sich vor Lust auf die Lippen biss und jeden Zoll seines Instrumentes genoss, bekam nicht mit, wie der Bauer einen Ochsenziemer auf Tim niederfahren ließ. Tim hingegen krümmte sich vor Schmerz.
»Das ist also der Dank für meine Gastfreundschaft«, dröhnte der Bauer, nachdem der erste Schlag auf Tims Rücken niedergegangen war.
Und dann brach Chaos auf dem Heuboden auf. Tim rollte sich jammernd zur Seite, das Mädchen ließ sich kreischend in das Stroh fallen, mit dampfender Möse und erregten Nippeln, unbefriedigt und panisch, während sein Vater auf den Heuboden sprang. Tim rannte nackt durch das Heu, im Kreis um die flehende Tochter herum, die jetzt ebenfalls einen Schlag auf den nackten Hintern abbekam. Tim packte seine Sachen, seine Gitarre, seine hörnerne Erektion, und floh vor dem Bauern, der ihn über den Heuboden jagte.
Mit viel Glück verletzte er sich nicht beim Sturz von der Mitte der Leiter, die der Bauer von oben umwarf, bevor er verstand, dass er sich und seine Tochter, die noch immer kreischend hinter ihm im Stroh lag, damit auf dem Heuboden gesperrt hatte. Tim raffte seine Kleidung zusammen, seine Gitarre, die ebenfalls unbeschädigt geblieben war, und stürzte mit schmerzendem Rücken aus der Scheune.
Er musste lachen, als er vom Hof rannte, erst auf einem Bein hüpfend, um sich die Schuhe anzuziehen, dann im Laufschritt, den fluchenden Bauern und das keifende Mädchen im Rücken. Diese Geschichte konnte er noch seinen Kindern erzählen. Wenn er denn je welche hätte.
Kaum hatte Tim das Gehöft hinter sich gelassen, wurde das gewundene Band des Weges zu einer geraden Straße, die direkt nach Blankenburg führte. Von dort hörte er die Kirchenglocken läuten. War es wirklich schon so spät? Ah, das Leben eines Musikanten hatte wahrlich seine Vorteile, dachte Tim und hüpfte über eine Pfütze und einen Stein. An der Abzweige in Richtung des Glockengeläutes bog er nach kurzer Überlegung in den gegenüberliegenden Weg ein. Vielleicht ging es dort zur Burg Regenstein.
Читать дальше