Mathilde Mathe
Dem Schatten Kindheit die Stirn geboten
Eine Erzählung einer starken Frau, auf wahrer Begebenheit
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Mathilde Mathe Dem Schatten Kindheit die Stirn geboten Eine Erzählung einer starken Frau, auf wahrer Begebenheit Dieses ebook wurde erstellt bei
Wie alles begann
Der Ernst des Lebens rückte näher
Auch schönere Erinnerungen
Zerrissen zwischen der Kindheit und der Realität
Das Leben ohne Vater
Als ich endgültig resignierte …
Kontakt zu einer Frau
Wie ich Tom kennen lernte
Lokalsuche
Mein größtes Glück
Angst um meinen Sohn
Das glückliche Familienleben war vorbei
Plan zur Scheidung
Die Baustelle
Mein Großvater
Erschrocken über mich selbst
Kraftlos
Ein neuer Lebensabschnitt
Weitere Aufarbeitung
Die Frau in mir
Impressum neobooks
Dem Schatten Kindheit die Stirn geboten
Eine Erzählung einer starken Frau,
auf wahrer Begebenheit
Aus Rücksicht auf alle Beteiligten, sind die Namen mit anderen ersetzt worden.
Ich danke meiner Partnerin, dass ich sie in diesem Buch erwähnen durfte. Weiteres bedanke ich mich bei einer lieben Freundin, die geduldig meine Geschichte lektoriert hat.
Ebenso meinen Söhnen, die mir Kraft gaben immer wieder aufzustehen und weiter zu
Machen. Ich liebe euch von ganzem Herzen.
Wie oft habe ich mir die Frage gestellt: „Was wäre gewesen wenn …“
Dies nährte lediglich ein schmerzendes Verlangen nach Erlebnissen, welche ich in einer bestimmten Form nicht mehr nachholen konnte. Die Vergangenheit zu betrauern führt dahin, in einer unerfüllten Welt zu leben, welche nur in der Phantasie existiert.
Ich habe viel erlebt, dabei eine Menge Tiefen, vernichtende Situationen und außerordentlich verletzende Momente. Meine Vergangenheit war oft sehr kraftraubend. Dennoch wachte ich auf und änderte meine Frage auf: „Was will ich heute und morgen?“
Ich werde Geschehenes niemals vergessen können, aber meine Sicht darauf verändern sehr wohl. Das gibt mir die Chance, daraus zu lernen und so meine Zukunft zu verbessern.
Niemand kann mir versprechen, dass ich nicht mehr in solche Tiefen des Lebens gerate, aber ich bin nun gewappnet.
Hier meine Geschichte:
Die erste Schwangerschaft meiner Mutter dauerte leider nicht lange an, es kam früh zu einer Fehlgeburt. Danach funktionierte es, und mein Bruder Viktor kam zur Welt. Zwei Jahre später kündigte ich mein Kommen an. Um ein weiteres Geschwisterchen nach mir, wurde viel gestritten und so brach meine Mutter die Schwangerschaft ab. Vater zweifelte aufgrund seiner extremen Eifersucht die Vaterschaft an.
Meine Eltern mussten sich ohne familiäre Unterstützung ein Leben aufbauen. Beide kamen aus finanziell nicht gut gestellten Familien. Obwohl mein Vater am Bau viel verdiente, dauerte es seine Zeit, bis wir aus einem Abbruchhaus in eine neue Wohnung ziehen konnten. Ich war damals so um die zwei Jahre alt. Es handelte sich um einen ganz neuen Gemeindebau in Wien, der für junge Familien erbaut wurde.
Mutter blieb auf den Wunsch meines Vaters zu Hause bei den Kindern, und er brachte das Geld nach Hause. Leider stellte das bald ein Problem dar, denn er war damals bereits Alkoholiker. Im Gegensatz zu vielen anderen Suchtkranken ging er immer brav arbeiten, war kaum im Krankenstand und eigentlich nie lange arbeitslos. Aber wenn Zahltag war, kehrte er immer in ein Gasthaus ein und brachte nur mehr einen Teil vom Lohn mit. Meine Mutter beschloss daher gegen seinen Willen, heimlich kleine Jobs in der Reinigungsbranche anzunehmen. Ob mein Vater von dem Zusatzeinkommen ahnte, weiß ich bis heute nicht.
Unsere Familie war größer als es mir möglich ist, alle persönlich zu kennen bzw. kennen gelernt zu haben.
Mein Vater hatte 5 Halbgeschwister, mit denen er bei seiner Mutter aufgewachsen ist. Wobei zwei von ihnen früh nach Südamerika zu ihrem anderem Elternteil gezogen sind. Ihre dortigen Kinder habe ich nie kennen gelernt und leider weiß ich auch nicht, wie viele Cousins ich in dieser Familienlinie tatsächlich habe.
Meine Großmutter verstarb, noch bevor es mich gab, und meinen richtigen Großvater sah ich nie. Eigentlich erfuhr ich erst spät, dass mein Vater einen anderen Erzeuger hatte als seine Geschwister. Er wuchs in einem Dorf auf, in dem alle Alles wussten, aber keiner darüber sprach. So gibt es auch noch eine mir unbekannte Familie von meinem Großvater, denn er heiratete eine andere Frau und bekam Kinder, die selbst Kinder, Enkelkinder, … haben.
Meine Mutter hatte sieben Geschwister, mit denen sie aufwuchs, weitere verstarben jung. Dann gab es noch uneheliche Kinder ihrer Eltern, die ebenfalls Familien gründeten. Zur damaligen Zeit waren viele Kinder ganz normal, daher habe ich eine Menge Cousins. Einige davon sind um die 25-30 Jahre älter als ich.
Das liegt daran, dass ich die Jüngste aus meiner Generation dieser Familienlinie bin.
Meine Erinnerungen gehen weit zurück in die Kindheit. Für mich ist es normal, noch so viel von der Vergangenheit zu wissen. Meine Freundin meint, es wäre eher ungewöhnlich, vor allem, dass ich noch so viele Details weiß.
So erinnere ich mich noch gut an die Zeit, als ich begann in 3D zu sehen. Es war ein seltsames Gefühl, denn plötzlich hatten die Gegenstände unterschiedliche Entfernungen. Manches kam dann viel zu nahe, wie meine Tanten zum Beispiel, welche sich immerzu meinem Gesicht näherten. Aber auch wenn ich herumgetragen wurde, kamen Möbel und Diverses näher als gewohnt. Manchmal schien mich die neue Perspektive in sich hinein zu saugen.
Als ich nicht mehr auf den Kinderwagen angewiesen war und meine Mutter zu Fuß begleitete, entdeckte ich erneut etwas sehr Aufregendes. Meinen Schatten.
Es war ein sonniger Tag. Meine Mutter hatte einen dringenden Weg. Sie hielt mich an der Hand, ging ein bisschen zu schnell für meine kleinen Beine, also befand ich mich immer einen Schritt hinter ihr. Da merkte ich, dass mich etwas verfolgte. Ich lief schneller und dieses etwas auch. Ich riss mich von der Hand meiner Mutter los und wollte auf dieses Ding hinaufspringen, aber es wich immer viel zu schnell zurück. Bei der Bushaltestelle versuchte ich es noch einmal. Ich versuchte es einzufangen, drauf zu springen, schneller zu sein, nichts half, es war immer schneller als ich. Meine Mutter schimpfte, weil ich so komisch herumhüpfte und der Bus sich bereits näherte. Wie sollte ich von dieser geheimnisvollen Gestalt berichten? Ich konnte ja noch nicht so viele Worte, um es zu erklären.
Zu Hause war ich den Verfolger endlich los, aber im Freien verfolgte er mich, auf Schritt und Tritt. Irgendwann gab ich die erfolglosen Versuche ihn auszutricksen auf, aber ich schaute natürlich immer nach, ob er noch da war. Es dauerte eine Weile, bis ich meinen Schatten akzeptierte. So mit vier oder fünf Jahren stellte sich heraus, dass er manchmal auch ein guter Zuhörer war.
Kurz nachdem ich die Windel ablegte und meine ersten Unterhosen bekam, saß ich einmal im Wohnzimmer am Boden, um mich herum einige Legosteine. Meine Mutter und mein Vater saßen gegenüber auf einem Sofa. Mein Vater hatte Arme und Beine verschränkt. Eine Körperhaltung, die ich noch sehr oft bei ihm sehen würde, zurückhaltend und sich emotional nicht outend. Meine Mutter saß recht locker dort und beide beobachteten mich beim Spielen, was ich aber nicht so gerne hatte. Und doch denke ich manchmal, dass dies der friedlichste Moment zwischen meinen Eltern war, den ich jemals sehen durfte.
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