»Stefan?«
»Hallo Mia, ich …« Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Das war aber auch nicht nötig. Smalltalk hatten wir noch nie gebraucht, ich hoffe, dass das noch lange so bleiben würde.
»Also«, begann Mia und dann erzählte sie mir alles. Bastian war ein Schwein: Obwohl er offiziell und ›ganz richtig‹ mit ihr ging, hatte er mit anderen Mädchen angebandelt und war sogar wild knutschend mit einer anderen im Freibad gesehen worden. Unter Tränen berichtete sie mir, wie sie ihn zur Rede gestellt hatte und er einfach alles zugegeben hatte. Als wäre das überhaupt keine große Sache. ›Okay, machen wir eben Schluss, was?‹, hatte er gesagt. Dann war er aufgestanden und aus ihrem Leben verschwunden. Natürlich nicht so richtig, weil er ja auf die gleiche Schule ging, was die Sache aber nur noch schlimmer machte.
Ich beruhigte meine Nichte, so gut ich konnte. Erzählte ihr, dass es noch andere hübsche Jungs gab, dass er sowieso nicht der richtige gewesen sei und andere Allgemeinplätze. Mir fiel nichts Besseres ein, aber ich meinte es ehrlich. Es gibt noch mehr Fische im Meer – so dumm das auch klingt, ist das nicht die Wahrheit?
»Hast du das auch gemacht?«, fragte sie mich unter Tränen. »Bist du auch so ein … so ein …«
»Scheißtyp?«, half ich ihr. Ich dachte nach. Sollte ich lügen? Nein, ich hatte sie noch nie angelogen, das brachte ich nicht übers Herz. »Ja, Mia. Ich habe das auch gemacht. Ich mache das immer noch. Ich bin immer wieder ein Arschloch, wenn es um Beziehungen geht. Ich verletze und bin verletzt worden.«
Sie sagte nichts. Hätte ich das nicht sagen sollen? Sie hatte eine ehrliche Antwort verdient. »So ist das Leben, Mia. Wir tun anderen weh und man tut uns weh. Wenn wir keinen Schmerz mehr fühlen, sind wir tot.«
Wieder schwieg sie. Dann antwortete sie: »Das ist aber ganz schön kacke.«
Ich musste schmunzeln und hoffte, dass sie es nicht hörte. Aber eigentlich hatte sie recht. Ich hätte ihr irgendwas erzählen können, dass das nötig ist, wegen der Evolution und so was und dass so sichergestellt ist, dass der bestmögliche Partner gefunden wird. Das mochte auch zutreffen, aber, verdammt noch mal, sie hatte recht.
»Ja, das ist manchmal richtig Scheiße. Und doch … Ich weiß nicht, vielleicht ist die Liebe auch deshalb so schön, weil immer die Gefahr besteht, verletzt zu werden. Man öffnet sich, zeigt seine verwundbarste Seite und hofft, irgendwann jemanden zu finden, der einem nicht wehtut, sondern heilt.«
»Mensch, Stefan«, schniefte sie. »Das ist ja richtig gut.« Ich hörte, dass sie lächelte und das erfüllte mich mit einem tiefen Glücksgefühl.
»Danke. Den Spruch habe ich in einem Glückskeks gefunden.«
»Ich glaube dir kein Wort.«
»Okay, du hast mich durchschaut. Sag aber deinen Eltern nicht, dass dein Onkel Stefan auf seine alten Tage tiefsinnig geworden ist.«
»Ehrenwort.«
»Indianer-Ehrenwort?«
» Indianer-Ehrenwort? Mann, Stefan … ich bin doch keine fünf mehr.« Sie war so entrüstet über diesen Ausdruck, dass ich grinsen musste.
Wir sprachen noch über dieses und jenes, und als ich das Gefühl hatte, dass sie sich halbwegs im Griff hatte, verabschiedete ich mich und legte auf. Danach lag ich noch lange in meinem Bett und starrte die stuckverzierte Decke an. Wir müssen etwas finden. Irgendwie auch für Mia.
Für Mia, meinen kleinen Sonnenschein.
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