»Wir haben uns schon Sorgen um dich gemacht.«
Die Sängerin würde am liebsten im Boden versinken. Nachdem sie entdeckt wurde, ist es zu spät sich zu verstecken.
»Sorgen um mich? Wieso?«
Vilca gibt sich Mühe, gelassen zu wirken. So aufgewühlt fällt ihr das nicht leicht. Gerade hatte sie sich so weit beruhigt, dass sie sich in der Lage fühlte, mit ihrem Freund über ihr Problem sachlich zu sprechen. Sie bedauert, nicht besser aufgepasst zu haben. Sie weiß doch, dass der Weg zurück zur Krankenstation am Gemeinschaftsraum vorbeiführt. Schlauer wäre gewesen, sich vorbeizuschleichen. Am besten mit einem von Sams Tarnmänteln.
»Vilca, Sams blutende Nase ist nicht zu übersehen. Komm, setz dich zu uns und erzähl was passiert ...«
»Blutende Nase?« Es dauert einen Moment, bis sie kapiert. »Ihr glaubt doch nicht, dass ich ...?« Nach Auswertung der auf sie gerichteten Blicke fügt sie frustriert hinzu: »Doch, das tut ihr.«
Dann sprintet sie los. Wenige Sekunden später klopft sie hektisch an die Tür, hinter der sie ihren Freund vermutet. Ihr Herz pocht bis zum Hals.
»Wer ist da?«, tönt es von innen.
»Sam, ich bin’s«, flüstert sie. »Mach auf!«
Vilca glaubt, Schritte zu hören, die sich nähern. Sie schaut sich um, der Gang ist leer. Noch.
»Schnell!«, fügt sie hinzu.
Endlich öffnet er die Tür. Vilca saugt scharf die Luft ein, als sie die blutgetränkte Kompresse sieht, die er sich vor die Nase hält. Dann drängelt sie sich an ihm vorbei in die Krankenstation.
***
»Glaubst du, es hat etwas mit den Symbots zu tun?«, fragt Vilca später, nachdem sie die Nase ihres Freundes verarztet hat.
Sam liegt flach auf der Behandlungsliege, um die Blutung zu reduzieren. Vilcas Frage nach seiner Erfindung beschäftigt ihn. Nach Faktenlage gibt es in ihrem Gehirn keine Symbots. Dafür veränderte Neuronen. Mit diesen Neuronen kann sie sich entweder über einen Computer ins Cybernet einklinken oder am Holoport vorbei direkt mit anderen Symbots kommunizieren. Das hatte er nicht vorgesehen. Dadurch wird eine unmittelbare Verbindung von Gehirn zu Gehirn ermöglicht, die ihr erlaubt, Gedanken zu lesen. Sam zieht die Augenbrauen hoch.
»Du bist besser in Biologie als ich. Du kennst die Antwort.«
Resignierend sinkt die unfreiwillige Telepathin in einen Stuhl.
»Natürlich.«, seufzt sie. Vilca sucht nach Worten. »Sam, du hast doch sonst immer so geniale Einfälle. Du hast die Symbots erfunden. Hast du denn gar keine Idee, wie man das wieder rückgängig machen kann?«
Die Frage kommt überraschend für Sam. Er überlegt, sie schaut ihn erwartungsvoll an.
»Ich fürchte nicht. Die Symbots sind so designt, dass sie sich an die Nervenzellen im Gehirn anbinden. Ihre Aufgabe ist, elektrische Signale per Funk zwischen den Neuronen und dem Holoport zu übertragen. Der wiederum verbindet sich mit dem Cyberspace. Bei dir haben sich die Neuronen verändert. Symbots und Neuronen sind zu einer Einheit geworden. Ich wüsste nicht, wie man das rückgängig machen kann.«
»Ich auch nicht.«, gibt sie zu. »Aber vielleicht kann man es blockieren?«
»Du meinst die Verbindung zwischen deinen Neuronen und den Symbots eines anderen Gehirns?«
»Genau, das ist es.« Hoffnung keimt in den smaragdgrünen Augen auf.
Sam steht auf und geht zu Vilca.
»So einfach geht das nicht. Ich fürchte, du musst lernen damit zu leben.«
»Das will ich aber nicht. Ich ...«
»Doch das willst du.«, sagt er bestimmt.
»Wieso? Nein, will ich nicht.«, trotzt Vilca mit verschränkten Armen zurück.
»Was ist so schlimm daran?«
»Ich habe Angst davor ausgegrenzt zu werden, wenn das bekannt wird. Ich will als Mensch angesehen und behandelt werden. Nicht als ein exotisches Ausstellungsstück oder so etwas.«
Der Erfinder lächelt sie aufmunternd an.
»Bisher wissen nur wir beide davon. Von mir wird ganz gewiss nie jemand davon erfahren. Außerdem, wer hat gesagt, du musst mit einem Schild um den Hals herumrennen, wo draufsteht »Ich kann Gedanken lesen« ?«
»Niemand.«, bestätigt sie. »Aber solange ich das nicht kontrollieren kann ...«
»Genau das ist der Punkt.« Sein Lächeln wandelt sich zu einem schelmischen Grinsen. Genüsslich macht er sich an ihrer Bluse zu schaffen.
»Hey«, warnt sie. »Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Ich bin nicht in der Stimmung für sowas.«
Vilca greift nach seinen Händen, um sie zu stoppen.
»Sternchen, entspann dich! So verkrampft kann ich dich nicht trainieren.«
»Mich trainieren?« Vilca ist ein einziges Fragezeichen.
Sam küsst ihre Hände. Seine Lippen arbeiten sich zu ihrer Ellenbeuge hoch.
»Hör auf«, kichert sie. »das kitzelt.« Sie zuckt, entwindet sich aber nicht seinem Griff.
»Möchtest du nicht lernen, deine Gabe zu kontrollieren?«
Vilca überlegt. Ihr Gesicht spiegelt ihre Gefühle wider. Sam wartet geduldig, bis sie antwortet. »Wenn es keine Möglichkeit gibt, das abzuschalten, dann muss ich ja wohl. Also ja.«
»Na dann, lass uns anfangen.«
»Gut, wenn du meinst. Aber wieso darf ich dafür meine Bluse nicht anlassen?«, beschwert sie sich.
»Die brauchst du nicht für das Training. Den Rock übrigens auch nicht.«
»Samuel Niyol Lee! Jetzt aber mal ernst. Was hast du mit mir vor? Nach Telepathietraining sieht das nicht gerade aus.«
»Doch! Genau so steht es im Handbuch!«
»Welches Handbuch? Das Kamasutra ist wohl kaum der richtige Ratgeber für Telepathen.«
Nachdem er Vilca vollständig entkleidet hat und bei ihr der Groschen immer noch nicht gefallen ist, beginnt Sam lasziv sein Hemd auszuziehen.
»Auf Seite eins des Kamasutra steht: »Man bringe die Telepathin in den Zustand, der sie befähigt Gedanken zu lesen.« Bei dir heißt das bekanntermaßen starke Erregung.«
Endlich geht sie auf ihn ein.
»Ach, so meinst du das. Du glaubst also im Ernst, du darfst mit mir eine Sexorgie nach der anderen veranstalten und kannst das ungeniert als notwendiges Training deklarieren?«
Sie wirft ihm einen Blick zu, der nach Sams Meinung mehrere Interpretationen zulässt. Der Telepathietrainer entscheidet sich für die Variante: Da bin ich aber gespannt, was du dir alles einfallen lässt, damit mir dabei nicht langweilig wird.
»Genau, mein Blondchen.«
»Vorsicht, mein Lieber. Wut ist auch ein Zustand starker Erregung.« Vilcas Augen funkeln.
Sam entledigt sich demonstrativ seiner Hose. »Das kannst du dir nicht leisten.«
»Wart’s ab«, warnt sie.
»Nein. Denk an dein Image. Im Moment glaubt hier jeder, du hättest mich geschlagen.«
»Vorsicht! Ist der Ruf erst ruiniert, ...«
»... lebt sich’s gänzlich ungeniert.«, beendet Sam die Redensart. Mit diesen Worten fällt sein letztes Kleidungsstück. »Also, was ist jetzt? Meldest du dich freiwillig zum Telepathietraining oder muss ich dich erst fesseln und knebeln?«
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