„Hm, das stimmt. Aber du bedeutest mir einfach viel, ich bin gern in deiner Nähe. Egal, wieviel Platz mir dafür zur Verfügung steht. Was dagegen?“ Jeff setzt ein gespielt enttäuschtes Gesicht auf.
„Nein, natürlich nicht. Aber ich könnte ja auch bei dir schlafen. Also, öfter meine ich.“
„Oder ständig.“ Dieses Gegenargument kam wie aus der Pistole geschossen, als hätte er nicht eine Sekunde über seine Worte nachgedacht. Hat er das gerade wirklich gesagt? Ich hake nach.
„Ständig? Und was mache ich dann mit meiner Wohnung?“, frage ich vorsichtig. Nicht dass ich am Ende doch was falsch verstanden habe.
„Kündigen?“ Jeff scheint sich wirklich sicher zu sein.
„Das heißt also, ich soll bei dir einziehen? Willst du das wirklich?“ Ich liege noch immer in seinem Arm, eng an ihn gedrückt, damit ich nicht versehentlich aus dem schmalen Bett falle. Was gerade durchaus hätte passieren können vor lauter Schreck.
„Ja, warum nicht? Wäre schonender für meinen Rücken.“ Im sanften Mondlicht erkenne ich sein schelmisches Grinsen.
„Hast du denn auch genug Platz für all meine Klamotten, meine Schuhe, mein Make-up, …?“, ziehe ich ihn auf.
„Ich habe einen Keller.“ Na, wie nett.
„Danke.“ Ich drehe mich zu ihm und knuffe ihn leicht in seine nackte Schulter.
„Nächstes Wochenende. Ich helfe dir beim Packen. Liz und Tim werden sicher auch helfen.“
„Dann ist es also beschlossene Sache? Ganz sicher?“ Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn, der so fest ist wie sein Entschluss.
„So sicher wie der Name des Volkes im Gerichtssaal.“ Sein Standardsatz, über den ich noch immer schmunzeln muss.
„Also schön.“ Um den Deal zu besiegeln, küssen wir uns noch einmal innig, bevor ich mich wieder umdrehe und wir versuchen, in den Schlaf zu finden. Ich muss an das Gespräch mit Liz denken. ‚Alles wird gut‘, hat sie gesagt. Und jetzt, genau in diesem Moment, weiß ich, dass sie recht hat. Jeffreys Bitte an mich, zu ihm zu ziehen hat mir gezeigt, dass er scheinbar wirklich nichts zu verheimlichen hat, dass er mich öfter um sich haben und in meiner Nähe sein möchte. Endlich kann ich an Elizabeth‘ Worte glauben. Von nun an werde ich mir keine Sorgen mehr machen.
Auf den Zahn gefühlt
Dienstagmorgen im Büro.
„Guten Morgen, Jeff. Na, dein restliches Wochenende hat ja eine ganz schöne Veränderung mit sich gebracht. Bist du sicher, dass du es warst, der Rachel den Vorschlag bezüglich des Zusammenziehens gemacht hat und dich nicht der Teufel geritten hat? Ich meine, ich freue mich für euch, wenn ihr eure Beziehung festigt. Aber du weißt ja, welche Bedenken ich habe …“ Dieses Thema brennt mir schon den ganzen Morgen unter den Nägeln. Noch nicht einmal mit Liz konnte ich darüber sprechen, auch wenn ich ihr eigentlich nichts mehr verheimlichen will, aber in Anbetracht der Umstände kann ich ihr nichts von alldem erzählen, bevor Jeff nicht endlich selbst mit der Sprache rausrückt.
„Ja, ich bin mir sicher. Denke ich. Ich liebe sie, sie ist mir wichtig. Sie könnte die Richtige sein.“ Irgendwie kaufe ich ihm das nicht ganz ab. Nicht dass ich ihm nicht glauben würde, aber ich vermute, es steckt noch mehr dahinter als nur der Wunsch nach mehr Nähe zu seiner Freundin.
„Und was noch?“ Jeff schaut mich an, als wäre ich nicht mehr ganz dicht.
„Was, was noch? Was meinst du?“
„Aus welchem weiteren Grund hast du sie gebeten, bei dir einzuziehen?“ Ich glaube, jetzt fühlt er sich ertappt.
„Na ja, ich will doch in Kürze mit ihr reden, über alles. Und weil ich nicht will, dass sie mich verlässt, …“ Ich lache.
„Das ist also Plan B? Ist das dein Ernst? Du glaubst, sie bleibt bei dir, nur, weil sie ihre Wohnung aufgibt?“ Ich schüttle den Kopf. „Jeffrey, denk positiv. Vielleicht wird sie betroffen sein, traurig, vielleicht auch wütend, im ersten Moment. Aber sie wird darüber nachdenken und auch darüber, was du ihr bedeutest. Sie wird dich nicht verlassen wegen einer Tragödie, die Teil deiner Vergangenheit ist. Du trägst keine Schuld, Jeffrey! Das hast du sogar Schwarz auf Weiß.“
„Das schon. Trotzdem könnte sie anders darüber denken, vielleicht hat sie nicht genug Vertrauen zu mir.“
„Ach, Jeffrey … Dann tu, was du für richtig hältst. Aber komm hinterher nicht zu mir und heul mir die Ohren voll, weil du es bereust.“ Mit diesen Worten lasse ich ihn stehen. Ich kann nur hoffen, dass das gutgeht.
Sicherheit
Viel ist es nicht, was Rachel mit zu mir bringt. Ihre Habseligkeiten packen wir in Kisten, ihre Möbel hat sie teilweise verkauft, den Rest möchte sie einem Seniorenheim spenden, wofür Rachel viel Anerkennung von mir erhält. Ich wäre wohl nicht auf eine solche Idee gekommen. Bei mir würden die Möbel längst auf der Straße stehen. Aber Rachel hat nun mal ein großes Herz, denkt immer an andere, bevor sie an sich denkt und tut gerne Gutes.
„Haben wir alles?“ Rachel schaut sich ein letztes Mal um, geht durch alle Zimmer, überprüft, ob alle Fenster verschlossen sind und nichts liegengelassen wurde.
„Ja, ich denke schon. Lass uns gehen.“ Elizabeth und Timothy haben ihr Auto ebenfalls beladen und warten unten auf uns. Bevor Rachel die Haustür ein letztes Mal schließt, nehme ich sie in die Arme und küsse sie. Sie drückt sich fest an mich. Sie lächelt und seufzt, als sei sie zufrieden, aber ich kann auch die Unsicherheit und Traurigkeit in ihren Augen erkennen. Auch ich bin gemischter Gefühle in diesem Augenblick. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Ich freue mich, mit Rachel zusammenleben zu können aber wenn ich daran denke, dass all das bald wieder vorbei sein könnte, wird mir schwer ums Herz. Obwohl wir in unserer Beziehung gerade den nächsten gemeinsamen Schritt gehen, habe ich Angst, sie zu verlieren.
„Kommt ihr?“, ertönt es im Treppenhaus. Rachel schließt die Tür und steckt den Schlüssel ein, den sie am Montag bei ihrem Vermieter abgeben wird.
„Ich dachte schon, ihr wollt gar nicht mehr nach Hause“. Timothy und seine Sprüche. Aber seine Wortwahl gefällt mir. Er spricht im Plural von Rachel und mir und benutzt den Ausdruck ‚nach Hause‘. Ich sollte glücklich sein, und ich gebe mir sogar Mühe, das auch zu sein. Das Glück zu sehen und zu spüren, denn es liegt direkt vor meiner Nase. Gemeinsam tragen wir die letzten Kartons nach oben und lassen uns erst einmal in der Küche nieder. Als Dank bestelle ich Pizza und öffne eine Flasche Wein.
„Schön hast du’s hier.“ Stimmt, Elizabeth war noch nie hier. Sie schaut sich um und sieht fast ein wenig neidisch aus, wobei Timothys Einrichtung auch nicht übel ist.
„Danke. Das wird sich ja bald ändern.“ Alle lachen, bis auf Rachel. Sie spielt die beleidigte Leberwurst und fällt erst später in unser Lachen ein.
„Du wolltest wohl sagen, dass es hier bald noch schöner sein wird.“ Es kostet mich Mühe, so unbeschwert zu wirken, aber es scheint mir trotzdem zu gelingen. Niemand ahnt etwas von meinen Ängsten. Höchstens Timothy, aber er lässt sich nichts anmerken. Beim Essen werde ich mit Rachels seltsamen Essgewohnheiten vertraut gemacht. Sie ist die Einzige, die Thunfischpizza bestellt hat. Alleine der Geruch verursacht bei mir ein Magengrummeln, weshalb ich mich verzweifelt an meine Salamipizza klammere. Rachel jedoch scheint das Essen zu genießen, jedenfalls schwärmt sie noch den halben Abend davon. Nachdem wir Timothy und Elizabeth verabschiedet haben, nehmen wir auf dem Sofa Platz, tauschen diesen aber bald gegen – jetzt ‚unser‘ – Bett ein. Obwohl Sorgen mich plagen, schlafe ich erstaunlich schnell ein, wache jedoch mitten in der Nacht wieder auf. Der Platz neben mir ist leer, und normalerweise würde ich mir nichts dabei denken, doch ich höre Geräusche irgendwo in der Wohnung. Da fällt es mir wieder ein: Rachel. Vielleicht hatte sie Durst und geistert nun in der Küche umher, doch das, was ich höre, zwingt mich zum Aufstehen. Schnell wird mir klar, dass die Geräusche aus dem Bad kommen und Rachel im Moment ganz sicher keinen Durst hat.
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