„Ach. Und jetzt so viele Fragen auf einmal?“ Lisa streicht mit der linken Hand ihre dunkelblonden Haare hinter das Ohr.
Ich schaue sie nur an. Vielleicht redet sie ja von sich aus.
„Ich habe Brian nach dem Segelfliegen in der Rhön kennengelernt. Nach meinem ersten Alleinflug mit dir ist er auf der Heimfahrt von der Rhön mit mir im selben Zugabteil gefahren. Wir haben uns unterhalten und unsere IDs ausgetauscht. Seitdem sprechen wir regelmäßig. Irgendwann haben wir uns dann zum Segelfliegen in der Rhön verabredet. Und dann haben wir ausgemacht, dass ich ihn in Stuttgart besuche. Er hat in Nürtingen sogar ein eigenes Segelflugzeug.“
„Du hast mir kein Wort gesagt. Du hast mich die ganze Zeit überhaupt nicht eingeweiht. Du hättest schon etwas sagen können, Lisa. Vor allem, wenn ich dein bester Freund bin, wie du sagst.“
„Ach. Das war für mich auch alles so neu und aufregend. Ich wusste ja selbst nicht, auf was das alles hinausläuft.“
„Wieso heißt der Typ Brian? Kein Mensch heißt Brian, Lisa.“
„Sein Vater arbeitet als Spezialist für IT-Sicherheit und Telekommunikation bei der Eucom.“
„Eucom? Ich verstehe nicht…“
„Das ist das Hauptquartier der US-Streitkräfte in Stuttgart.“
„Und wie ist Brian so?“
„Er ist phantastisch. Du wirst ihn mögen.“
Das glaube ich jetzt aber nicht. Aber das behalte ich für mich. „Kannst du mir mal seinen Avatar zeigen?“
„Moment.“ – Lisa greift an ihr Handgelenk. Kurz darauf erscheint Brians Hologramm über Lisas Display. „Hier ist er.“ Lisa schaut mich ganz stolz an.
„Also, 14 ist der aber nicht.“
„Nein. Brian ist vor zwei Wochen 17 geworden.“
„So ein alter Falter? Mensch Lisa, warum lässt du dich auf so einen ein?“
„Er ist total stark. Und süß. Und alles. Und sein amerikanischer Akzent ist umwerfend. Ich liebe es, wenn er spricht.“
Was soll man dazu sagen? Offensichtlich ist Lisa mit Brian nach dem Segelfliegen von Wolke Sieben nicht mehr zurückgekehrt. Da kann ich nichts machen. Gar nichts. Ich kann sie nur weiterschwärmen lassen.
Zu blöd. Gegen Brian komme ich nicht an.
Papa hat mir erlaubt, dass ich Hannah und Johannes in Heidelberg besuche. Hannah gehört irgendwie schon zu unserer Familie. Vielleicht kann sie mich aufmuntern. Bei Papa hat das ja vor drei Jahren auch geklappt.
Nach der Fahrt mit der S-Bahn steige ich am Darmstädter Hauptbahnhof in den Interregio nach Heidelberg. Mit der Straßenbahn geht es anschließend zum Bismarckplatz. Das Haus in der Fußgängerzone mit der Eisdiele im Erdgeschoss finde ich schnell. Ich läute. Mit einem Surren öffnet sich die Tür. Es riecht nach Bohnerwachs. Ich schaue im Treppenhaus nach oben. Johannes schaut aus dem zweiten Stock zu mir herab. Er winkt. Nach wenigen Momenten bin ich bei ihm. Er begrüßt mich herzlich.
Und dann kommt auch Hannah an die Tür. Mitte oder Ende siebzig muss Hannah nun wohl schon sein. Aber ihr ganzes Wesen ist jugendlich und frisch. „Komm rein, Lars.“
Wir nehmen im Wohnzimmer Platz. Es gibt Kakao und Eiscreme. Besser geht es nicht.
„Hannah, ich komme gleich zur Sache, um keine Zeit zu verlieren. Ich habe Liebeskummer. Wegen Lisa. Sie hat jetzt einen Freund. Sie sagt aber, ich sei ihr bester Freund. Und damit komme ich gar nicht klar.“
„Ich finde es sehr mutig, dass du mir das so offen erzählst. Du hast schon viele schöne Momente mit Lisa erlebt, oder?“
„Ja, Hannah. Ich kenne sie schon mein ganzes Leben. Ich kann mir das Leben ohne sie gar nicht vorstellen. Und ich sehne mich so sehr zurück – nach der Zeit, bevor sie diesen Brian kennengelernt hat und ich sie noch für mich allein hatte.“
„Ja, Lars. Manchmal ist das so, dass sich Erinnerung und Sehnsucht zu einem tiefen Schmerz vermischen. Das erlebst du jetzt. Und ich werde jetzt nicht sagen, dass die Zeit alle Wunden heilt. Denn das ist nicht wahr. Die Zeit kann manche, aber nicht alle Wunden heilen.“
„Wie kann mein Liebeskummer geheilt werden, Hannah?“
„Durch eine neue Liebe.“
„Was? Wie könnte ich ein anderes Mädchen lieben? Alle anderen Mädchen sind ganz fahl und grau gegen Lisa. Keine ist mit ihr zu vergleichen.“
„Kein Mensch ist mit einem anderen Menschen zu vergleichen, Lars. Jeder hat seine eigene besondere Art. Und irgendwann wirst du ein Mädchen kennenlernen, das eine eigene Art hat, die du lieben wirst.“
„Glaubst du, Hannah? Ist das möglich? Ich bin doch schon 14. Was soll da noch kommen?“
„Das Leben, Lars. Das Leben kommt noch. Auch wenn man schon 14 Jahre alt ist.“ Jetzt lacht Hannah herzlich. Und wir essen gemeinsam unser Eis auf und trinken unseren Kakao.
Heidelberg ist schön. Und bei Hannah und Johannes ist es auch schön. Das ist heute ein wunderbarer Ausflug für mich. Und ich fühle mich schon besser. Vielleicht hat Hannah ja Recht.
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