Rüdiger Marmulla - The Fulfillment

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Was wird am Ende der Zeit sein? Und was hält die Welt im Innersten zusammen? Der erst vor kurzem am Virginia Science & Technology Campus zum Professor gekürte Lars Krönlein und die Genfer Professorin Dr. Jael Rosenberg erforschen am neuesten Pentaquark-Ring den Ursprung der Materie. Dabei entdecken sie ein geheimnisvolles Phänomen, das sie als «Wind» bezeichnen und das jedem Materieteilchen wie ein Lufthauch vorauszueilen scheint. Es kommt der Tag, an dem das deutsch-israelische Forscherteam spurlos verschwindet.

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Vorwort

Forscher wollen immer dasselbe: Verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält.

Lisa stellt als zukünftige Ärztin den Menschen in den Mittelpunkt ihres Interesses. Ihr Ehemann Lars hingegen schießt mit seiner Kollegin Jael Rosenberg über das Ziel einer bodenständigen Forschung hinaus. Die beiden entdecken einen Effekt, der den Ursprung der Existenz erklären und gleichzeitig ihr Ende einläuten könnte.

Während Lars und Jael Rosenberg um das nackte Überleben kämpfen, erkundet Lisa das Geheimnis jüdischer Prophezeiungen. Trotz räumlicher und zeitlicher Distanz pflegt Lisa den Kontakt zu Lars. Werden sie gemeinsam einen Weg finden? Wird es ein Wiedersehen geben? Gefahr und Faszination verwickeln den Leser in eine andere Realität.

Schockiert und zugleich gebannt gerät der Leser in eine fiktive Geschichte, die auch Realität werden könnte. Erneut schuf der christliche Autor und Meister des Spannungsaufbaus, Rüdiger Marmulla, einen Thriller, der forschungsethische Fragen aufwirft.

Wie wird eine Geschichte enden, deren Verlauf schon die alttestamentlichen Propheten vorausgesagt haben?

Margit Helten, Karlsruhe im Oktober 2021

Vertrauen

Lieber Lars,

die Landschaft unter uns könnte die Peloponnes sein. Die Umrisse sind recht charakteristisch. Du schläfst. Francis hat auch die Augen geschlossen.

Ich muss Dir sagen, dass ich Deine Begeisterung für die Gegend im Jordangraben nicht teilen konnte. Ich sah es Dir an, dass Dein Herz ganz weit und froh war, weil Dir alles so herrlich schien. Ich sah in Deinen Augen, wie glücklich Du warst. Und ich entdeckte in Deiner Freude eine kindliche Unschuld des Herzens. Da habe ich mich entschlossen, Dir ganz neu zu vertrauen. Wenn Du wach wirst, spätestens wenn wir in Frankfurt ankommen, werde ich Dir meine Entscheidung sagen. Ja. Wir werden wieder zusammen wohnen. Wir machen einen Neuanfang.

Ich schaue wieder aus dem Fenster. Die Sonne spiegelt sich im Mittelmeer. Im Flugradar sehe ich, dass wir uns Italien nähern. Noch gute zwei Stunden, und wir werden zuhause sein. Ich glaube, ich höre jetzt auf, in unsere Cloud zu schreiben und schließe ebenfalls noch eine Weile meine Augen.

Ich liebe Dich auch, Lars.

Deine Lisa

Heimat

Die Flugbegleiterin greift zum Mikrofon: „Wir sind im Anflug auf den Rhein-Main Airport. Bitte stellen sie ihre Rückenlehne aufrecht und legen sie ihren Sicherheitsgurt an. Das Wetter in Frankfurt ist warm und trocken. Bitte vergessen sie beim Aussteigen nicht ihr Handgepäck. Wir wünschen ihnen einen angenehmen Aufenthalt in Frankfurt und danken ihnen für den Flug mit Lufthansa.“

Ich rufe kurz meine Nachrichten auf dem Messenger ab. Ich schaue auch noch in die Cloud. Lisa hat etwas in unser Tagebuch geschrieben. Der Eintrag ist vom Freitag, den 23. Oktober 2043. Ach, das ist ja heute Morgen! Ganz frisch. Ich lese es. Wir werden wieder zusammen wohnen. Und sie liebt mich. Besser könnte es nicht sein. Ich schaue zu Lisa rüber. Ich schenke ihr ein breites Lächeln. Und sie nickt mir zu. Ich fühle mich phantastisch. Wir legen alle unsere Sicherheitsgurte an.

Wir sind im Landeanflug. Wir kommen über Osten rein. Da ist das Müllverbrennungswerk in Heusenstamm. Die Autobahn A3 begleitet uns. Der Monte Scherbelino. Gravenbruch. Der freie Platz, wo früher mal ein Autokino war. Neu-Isenburg. Wald. Viel Wald. Wir überqueren die Autobahn A5. Jetzt geht es ganz schnell. Zaun. Luftbrückendenkmal. Landebahn. Touchdown. Die Wasserstoffturbinen gehen sanft in den Umkehrschub.

„Papa, ich will auch einmal Pilot werden.“ Francis schaut mich mit großen Augen an.

„Wir werden heute Nachmittag aus den Kissen auf dem Wohnzimmersofa ein Cockpit bauen. Und dann fliegen wir zwei. Ich werde dein Copilot sein.“

„Au ja, Papa. Und was nehmen wir als Lenkrad?“

Ich überlege. Dann habe ich eine Idee. „Wir nehmen einen Kleiderbügel aus der Garderobe.“

Unser Flugzeug geht am Terminal 3 in die Parkposition. Alle steigen aus. Auch unsere Familie und unsere Freunde, die mit uns nach Israel gereist sind, verlassen den Airbus.

„Wir sehen uns dann am Montag wieder in der Uni, Frau Krönlein.“ Professor Jürgens, Lisas Doktorvater, verabschiedet sich von uns.

Hannah und Johannes machen sich auf den Heimweg nach Heidelberg. Hannah lächelt. „Diese Reise werden wir nie vergessen.“

Lisas Eltern und Heidi nehmen mit uns ein Taxi nach Sachsenhausen. Wir lassen sie zuerst am Deutschherrnufer aussteigen.

Dann geht es zum Sonnenring. Ein gutes Gefühl steigt in mir auf, als Lisa mit dem Keycode die Wohnungstür öffnet. Wieder zuhause. Endlich.

Pläne

„Sag mal, Lars. Was haben eigentlich John und der Dekan vom Virginia Science & Technology Campus in Israel mit dir besprochen?“

„Die beiden wollen, dass ich vorzeitig ein Examen rigorosum ablege.“

„Aber du promovierst doch bislang nicht.“

„Nein, Lisa. Es geht in diesem Rigorosum allein um den Master-Abschluss meines Studiums.“

„Jetzt schon?“

„Ja. Sie planen nach dem Studium irgendetwas mit mir. Aber sie sind da noch nicht mit der Sprache herausgerückt.“

„Und wann soll das Rigorosum stattfinden?“

„Nach dem Abschluss des jetzigen Semesters.“

„Im März kommt unser zweites Kind zur Welt. Es wäre schön, wenn du bei der Geburt wieder dabei bist. Da würde ich mich sicherer fühlen.“

„Ja, Lisa. Das ist klar.“

„Ich habe schon einen Namen.“

„Ja? Sag.“

„Maurice.“

„Denkst du an Maurice Ravel?“

„Ja, Lars. Und ich denke an Daphnis et Chloé, die Suite, die wir immer so gern hören.“

„Und wenn es ein Mädchen wird?“

„Es wird ein Junge, Lars.“

Ich nehme Lisa in die Arme. Zwei Jungen. Das ist wunderbar. Nach einer Weile löse ich mich aus der Umarmung. „Ich bin vom Unterricht bis auf weiteres freigestellt.“

„Du nimmst mit deinem Avatar nicht mehr am Tele-Learning des Virginia Science & Technology Campus teil?“

„Nein. John und Professor Williams haben mir auf meinen Messenger jede Menge Literatur gesandt, die ich das kommende Halbjahr durcharbeiten muss. Es wartet viel an Arbeit auf mich. Ich muss mich jetzt konzentriert auf das Rigorosum vorbereiten.“

„Aber auf dein gutes Essen muss ich in der Zeit nicht verzichten, oder?“

„Nein, Lisa. Um das Essen kümmere ich mich weiterhin. Das Kochen lasse ich mir nicht nehmen. Nur den Einkauf und den übrigen Haushalt würde ich gern Kerstin anvertrauen. Ich denke, das alles kann sie gut bewerkstelligen.“

„Ja. Das verstehe ich. Ich widme mich auch wieder ganz meinem Studium und der Promotion. Gut, dass Maurice in den Semesterferien kommen wird. Und im Sommer nächstes Jahr kommt dann mein Erstes Staatsexamen.“

„Du machst gute Schritte voran. Du wirst eine gute Ärztin werden, Lisa. Ich weiß es.“

„Danke, Lars, dass du an mich glaubst. Das bedeutet mir so viel.“

„Ich weiß, Lisa.“

Francis kommt zu uns ins Wohnzimmer gerannt. Er will mit uns kuscheln. Wir nehmen ihn in unsere Mitte und umarmen ihn gemeinsam.

In der Pathologie

Lieber Lars,

hier in der Pathologie ist alles viel vitaler, viel lebendiger als in der Anatomie. Die Leichen in der Pathologie haben nicht die typische Graufärbung, die vom konservierenden Formaldehyd stammt. Es ist ein komisches Gefühl, Körper vor sich zu haben, in denen vor wenigen Stunden noch das Leben steckte.

Heute nahm ich an meiner ersten Sektion in der Pathologie teil. Im Sektionssaal ist in großen Lettern an die Wand geschrieben „media vita in morte sumus“.

Ich habe das einmal recherchiert. Der Satz bedeutet, dass wir mitten im Leben dem Tod begegnen, und er geht auf einen frühmittelalterlichen gregorianischen Choral zurück. Der komplette Text lautet

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