„Du bist einfach giga. Ich wäre gern dein Freund.“ – Nein. Dann denkt sie am Ende noch an diesen Markus.
„Ich liebe dich, Lisa. Ich mag mit dir gehen.“ – Ja. Das ist gut.
Ich will mehr sein, als nur ihr Kumpel aus Kindertagen. Ich will mehr sein als ein Kamerad.
Was ziehe ich an?
Jetzt könnte ich die Tipps von Mama gebrauchen. Sie hatte das perfekte Talent, Menschen zu einem gelungenen Date zu verhelfen. Und sie hatte eine Freundin, die eine Farb- und Typberatung anbot. Ja. Das wäre jetzt etwas für mich. Mama fehlt mir so.
Auf einmal werde ich ganz schwer und traurig. Warum ist Mama nicht mehr da?
Ich sollte in die Küche gehen und mir einen Kakao holen. Ich trinke immer Kakao, wenn ich traurig werde, weil Mama mir fehlt.
Dunkelblaues Jackett mit hochgekrempelten Ärmeln. Darunter ein knallgelbes Hemd. Hellblaue Jeans. Weiße Sneaker. Mein Dresscode. Ich glaube, das geht.
Einer der Abiturienten bedient die Soundanlage. Er dudelt die ganze Zeit ein Musikstück von irgendeiner neuen Band rauf und runter. Die Stadtratten heißt die Band, soviel kriege ich mit. Das geht zwei Stunden so. Warum sagt keiner was?
Ich wollte, Lisa wäre schon da. Ich sehe sie vor mir. Dunkelblonde Haare. Rehbraune Augen. Ein wundervolles Gesicht. Ich glaube, alle lieben Lisa. Hoffentlich wird das kein Problem. Ich schaue mich nach allen Seiten um. Von Lisa ist nichts zu sehen. Ist sie noch in der Rhön?
Markus kommt auf mich zu. Auch das noch. „Na, Lars. Findest du eigentlich, dass Lisa hübsch ist?“
„Ja.“
„Die kannste vergessen. Die werde ich klarmachen. Hast du mich verstanden, Kleiner?“
Ich drehe mich einfach weg. Das habe ich gar nicht gehört. So ein Blödmann. Was denkt der, wer er ist?
Die Zeit schleppt sich dahin. 22 Uhr. Ich glaube, Lisa kommt nicht mehr. Schade. Das war kein guter Samstag. Ich habe so auf heute hin gefiebert. Und jetzt das. Hoffentlich ist Lisa nichts passiert.
Ich gehe nachhause.
Heute ist Schulausflug. Mit der U-Bahn geht es zum Goetheplatz und von da aus zu Fuß zum Großen Hirschgraben 23. Lisa geht ganz am Ende der Truppe. Ich warte. Sie kommt mir entgegen.
„Hallo Lisa. Ich habe am Samstag auf dich gewartet.“
„Ja, Lars. Aber ich habe dir nicht versprochen, dass ich komme. Es wurde spät in der Rhön. Ich habe es nicht geschafft, zum Schulfest zu kommen.“
Mit hängendem Kopf gehe ich neben ihr.
Mit einem Mal steht dieser Markus vor uns. „Hey, Lisa. Giga, dass du auch dabei bist. Ich war schon mal im Goethe-Haus. Ist nicht cool. In dem Haus steht nicht ein einziges Möbelstück der Familie Goethe mehr.“
Dieser Angeber. Muss der sich wieder wichtigmachen?
Unsere Lehrerin macht vor dem stattlichen Haus Halt. „Hier wurde Johann Wolfgang Goethe am 28. August 1749 mit dem Glockenschlag zwölf geboren. Und hier wuchs er bei seinen Eltern Johann Caspar und Catharina Elisabeth zusammen mit seiner Schwester Cornelia auf. Bildet jetzt bitte eine Doppelreihe, und ich melde uns zur Führung an.“
Wir bilden eine Reihe. Markus drängelt sich neben Lisa. Ich stehe hinter den beiden. Gefällt mir gar nicht.
Die Führung geht vom Erdgeschoss bis in den dritten Stock nach oben. Markus weicht kein einziges Mal von Lisas Seite. Es sieht fast so aus, als ob Lisa das gefiele. Nicht zu fassen.
Liebes Tagebuch,
heute war kein guter Tag. Markus ließ einfach nicht von Lisa ab. Ich fühlte mich ganz allein.
Das Goethe-Haus war schön. Zwei Dinge sind mir auf der Führung besonders aufgefallen. Da war einmal das Seitenfenster im Obergeschoss. Die Führerin sagte uns, dass Johann Wolfgangs Vater durch besondere Beziehungen zur Stadt die Erlaubnis bekam, ein kleines Fenster in die Brandschutzmauer setzen zu lassen. Durch dieses Fenster konnte er die Straße beobachten und sehen, wenn sein Sohn nachhause kam.
Beziehung im Leben ist alles. Ich hoffe, dass dieser Markus nicht noch seine Beziehung zu Lisa vertieft.
Die andere Sache, die mir im Goethe-Haus auffiel, war das Puppentheater-Zimmer. Hier steht noch das alte Puppentheater, das Johann Wolfgang im Alter von vier Jahren von seinen Eltern geschenkt bekam. Die Führerin sagte uns, dass dieses Puppentheater den Jungen schon früh zu einem phantasievollen und schöpferischen Spielen angeregt habe.
Das berührte mich. Die Jahrhunderte sind über das kleine Theater hinweggegangen. Goethe ist schon so lange tot. Aber sein Puppentheater ist immer noch da. In vergangenem Glanz.
Und Lisa? Die sah ich heute eigentlich nur von weitem.
Ich könnte sie fragen, ob sie am nächsten Samstag mit mir auf den Flohmarkt am Mainufer gehen mag. Ja. Das mache ich.
Samstagvormittag. Ein super sonniger Frühlingstag. Lisa hat ja gesagt. Ich hole sie ab. Wir laufen zum Mainufer. Unter den Platanen sind die Stände aufgebaut. Ich liebe die Frühlingssonne auf Lisas Gesicht. Heute ist ein guter Tag.
Lisa trägt heute ein buntes T-Shirt und einen weißen Rock mit roten Punkten. Früher hat sie sich ja mehr wie ein Junge gekleidet. Aber in der letzten Zeit wird sie mehr und mehr zur Dame. Sehr schön.
„Schau mal. Steht mir dieses Tuch?“ Lisa greift nach einem wild bunten Seidentuch und legt es sich um den Hals. „Soll ich mir das zulegen? Damit könnte ich als späte Janis Joplin durchgehen.“
„Janis wer?“ Ich verstehe nicht.
„Das war eine Sängerin, damals, als die Leute noch auf Pferden durch den Wilden Westen ritten. Macht nichts, wenn du sie nicht kennst.“
„Die Stadtratten sind im Moment sehr angesagt.“
„Echt jetzt? Woher kennst du die denn? Ich dachte, sowas hörst du gar nicht.“
„Doch. Kenne ich. Ihr neuester Song heißt Die Antwort und wurde auf dem Schulfest zwei Stunden lang rauf und runter gedudelt.“ Ich richte mich auf und stelle mich ganz gerade vor Lisa. Sie denkt, ich höre nur die Sticks mit den Hits von den New Romantics, die Papa noch von früher hat.
„Ey, Lars. Du bist angekommen im Frühjahr 2036. Respekt, Respekt.“ Lisa klopft mir anerkennend auf die Schulter und grinst mich breit an.
Die Leute drängeln sich zwischen den Flohmarktständen. Briefmarken. Münzen. Kleider. Bücher. Alte Elektronikartikel. Smart-Glasses. Da liegen sogar noch Mobiltelefone. Mannomann.
Ein zwielichtiger Typ spricht Lisa an: „Na? Willste ‘ne Tüte mit ‘nem Hirnhammer?“
„Nee, Mann. Zieh‘ die dir mal schön selbst rein.“ Lisa schiebt mich von dem Typ weg.
„Was wollte der, Lisa?“
„Der wollte uns was zu rauchen geben. So fängt es immer an. Dann kommen kleine bunte Pillen dazu. Bis hin zu härterem. Ich bin strikt dagegen, seit mir Papa die Ausnüchterungszelle im Diakonissenkrankenhaus gezeigt hat. Die ist gefliest wie’n Tigerkäfig im Zoo. Morgens wird sie mit dem Wasserschlauch ausgespült.“
„Ausgespült? Von was?“
„Kotze, Kacke. Die ganze Batterie. Ich bin gegen Drogen. Fang‘ damit gar nicht erst an, Lars. Das musst du mir versprechen.“
Jetzt klingt Lisa wie eine große Schwester. Ich weiß nicht, ob ich das gut oder schlecht finden soll. Gut finde ich, dass sie sich um mich sorgt. Schlecht finde ich, dass das so ein Gefälle in unserer Beziehung aufbaut. Ich will nicht ihr kleiner Bruder sein. Aber woher soll sie das auch wissen? Ich habe ihr noch nicht gesagt, dass ich auf sie stehe. Sie weiß nichts von meinen Gefühlen. Ich muss es endlich sagen. Aber in diesem Gedränge geht einfach gar nichts.
„Sag mal, Lisa. Wollen wir aufs Restaurantschiff? Ich bekomme Hunger.“
„Ja. Warum nicht? Ich könnte jetzt auch etwas essen.“
Wir gehen die Treppe hinunter zur Mainpromenade. Über den Steg gehen wir auf das Schiff. Wir haben Glück. Zwei Plätze sind noch frei.
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