Irritiert verließ ich den Fitnessraum, lief durchs Haus und steuerte auf die Haustür zu. Violettas Schritte folgten mir. Bevor ich die Tür überhaupt geöffnet hatte, stieg mir der Werwolfgeruch in die Nase. Genervt öffnete ich die Tür und davor stand tatsächlich Alina. Sie schaute uns überrascht an. “Oh, Entschuldigung. Habe ich euch beim Sex gestört? Ihr riecht zumindest nach dem Schweiß des jeweils Anderen.“ Ich blinzelte ungläubig. “Wie bitte?!“ Violetta neben mir lachte. Verärgert schüttelte ich den Kopf. “Nicht das es dich etwas anginge, aber wir haben nur Sport gemacht. Was willst du?“ “Wir waren für heute verabredet“, erwiderte sie. “Wegen der verschwundenen Kinder, erinnerst du dich nicht mehr?!“ “Doch“, sagte ich. “Aber ich dachte nicht, dass du zu so einer unchristlichen Stunde hier auftauchen würdest!“ “Entschuldigung“, sagte sie. “Heißt das, ich soll jetzt wieder gehen?!“ Ich grummelte. “Nein, komm rein. Du kannst dir schon mal die neuen Informationen ansehen und dich auf den neusten Stand bringen. Ich zeige dir den Weg.“ Höflich trat ich beiseite und ließ sie herein. Ich wandte mich an Violetta. “Geh ruhig duschen, während ich unserem Gast den Weg zeige.“ Sie nickte und verschwand nach oben zu ihrem Zimmer, welches ein extra Badezimmer hatte. In der Zwischenzeit führte ich Alina ins Wohnzimmer und zeigte ihr die Unterlagen. Sie war sichtlich beeindruckt. “Das alles hast du innerhalb eines Tages rausgekriegt?!“, fragte sie und machte große Augen. “Du bist wirklich so gut, wie die Leute sagen!“ Ich zuckte mit den Schultern. “Mag sein.“ Kurzerhand reichte ich ihr ein paar Zettel auf denen das Wesentliche zusammengefasst stand. Sie nahm sie entgegen und las aufmerksam. “Woher hast du das alles?“, fragte sie verblüfft. Ich grinste. “Berufsgeheimnis.“ “Jetzt im Ernst“, sagte sie. “Das sieht aus, wie Sachen, die nur in Polizeiakten stehen können!“ “Korrekt“, erwiderte ich. “Daher ist der meiste Kram auch.“ “Wie kommst du da dran?!“ Ich verdrehte die Augen. “Können wir die Fragestunde jetzt bitte beenden und uns auf das Wesentliche konzentrieren? Sei doch einfach froh, dass ich an die Unterlagen gekommen bin. Über das >Wie?< brauchst du dir keine Gedanken machen.“ Kurz musterte sie mich eindringlich, doch dann nickte sie und las weiter. Ich wischte mir einige Schweißperlen von der Stirn und zupfte mein T-Shirt zurecht. Einige Zeit verging, dann schaute Alina von den Papieren auf. “Was habt ihr eigentlich gerade für einen Sport gemacht?“ “Boxen.“ “Oh, darf ich auch mal mitmachen?“ Ich schnaubte. “Glaub mir, dass willst du nicht!“ Alina machte ein verdutztes Gesicht. In dem Moment kam Violetta herein. Sie trug nun ein schwarzes langärmliges T-Shirt mit Totenkopf drauf, schwarze Jeans und schwarze Socken. Geschminkt war sie nicht. Ihre Haare waren noch feucht und glänzten im Licht. “Hi“, sagte sie. “Oskar, willst du jetzt eben duschen gehen, bevor wir richtig loslegen?“ Kurz zögerte ich. Es widerstrebte mir nach wie vor Violetta mit der fremden Werwölfin alleine zu lassen, aber ich wollte auch nicht, wie ein überfürsorglicher Spinner wirken... Mal abgesehen davon, dass ich nicht den ganzen Tag, wie ein schwitziges Stinktier rumlaufen wollte. Violetta kann schon auf sich aufpassen, dachte ich und stand auf. Innerlich seufzte ich und nickte. “Sicher. Ich brauche auch nicht lange.“ Rasch verließ ich den Raum, holte mir ein paar Klamotten aus meinem Schlafzimmer und ging ins Bad. Dort sprang ich unter die Dusche und schrubbte mich eilig ab. Nach drei Minuten war ich fertig, trocknete mich ab und schlüpfte in ein weißes Hemd, Jeans und Lederschuhen. Danach lief ich eilig zurück ins Wohnzimmer, wo zu meiner großen Erleichterung alles so war, wie vorher. Es lagen keine Körperteile herum und die Wände waren nicht mit Blut und Eingeweiden besprenkelt. Violetta und Alina saßen nebeneinander auf der Couch und lasen gemeinsam in den Unterlagen. Ich gesellte mich zu ihnen. Sie schauten beide auf. Alina räusperte sich. “Also was schlägst du vor? Wo fangen wir an?“ “Bei dem letzten verschwundenen Kind“, erwiderte ich. “Da ist die Spur noch am frischesten. Wir sprechen mit den Eltern, schauen uns in der Wohnung um und suchen nach allem, was auch nur ein bisschen verdächtig aussieht. Mit unseren Spürnasen finden wir vielleicht etwas, was die Polizei übersehen hat. Danach sehen wir weiter.“ Alina runzelte die Stirn. “Das klingt ja alles schön und gut, aber wie sollen wir die Familie dazu bringen mit uns zu reden? Wir können ja schlecht einfach klingeln, oder? Wir sind ja schließlich nicht von der Polizei.“ “Dann tun wir halt so, als ob“, erwiderte ich amüsiert. “Ihr braucht nur ein paar schicke Klamotten und ein Passbild. Gefälschte Dienstmarken und Dienstausweise habe ich vorrätig. Das ist kein Problem.“ Violetta und Alina sahen mich beide erstaunt an. Ich runzelte die Stirn. “Habe ich irgendwas verpasst? Warum guckt ihr mich so an?“ Violetta schmunzelte. “Ist das nicht offensichtlich? Wofür hast du gefälschte Polizeimarken?“ “Für Fälle, wie diesen“, erwiderte ich irritiert. “Sicher nicht zur Dekoration, falls du das meinst. Das sind halt so nützliche Dinge, die sich im Laufe der Jahre ansammeln, wenn man in meinem Geschäftsfeld tätig ist. Also habt ihr ein paar Bilder? Wenn nicht, müssen wir noch welche machen gehen.“ Die beiden tauschten einen Blick aus, dann schüttelten beide den Kopf. Gleichzeitig sagten sie: “Wir haben keine.“ “No problemo“, erwiderte ich. “Das kriegen wir hin. Dann legen wir halt noch einen kleinen Zwischenstopp ein.“
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