Plötzlich hörte er, dass auf der anderen Seite von dem Pärchen, etwas leise durch den Wald schlich, es war kaum zu hören, er hatte das Gefühl, da waren noch welche, aber vielleicht hatte er sich getäuscht. Er verdoppelte seine Anstrengungen, los zu kommen, es war sinnlos, sie waren zu stark.
Er sah, dass einer seiner Entführer etwas an seinen Kopf hielt, es sah aus, wie eine Kamera. Es war wohl eine IR-Kamera, er dachte, auch noch Spanner! Dann hörte er nur noch die Geräusche von dem Liebesspiel. Plötzlich hörte er, wie sie sagte: „Du! Hör mal! Da ist doch was.“ Sofort drückten seine Entführer noch heftiger zu und erstickten ihn beinahe. Er hörte wie er sagte: „Ich höre nichts, da ist vielleicht irgendein Tier.“ Und sie sagte: „Das hört sich an, wie wenn zwei miteinander ringen.“ Daraufhin sagte er: „Ach Unsinn! Wer soll denn hier ringen? Da würde man doch viel mehr hören.“
Er erkannte die Stimme, es war einer aus seiner Firma, es war der penetrante Typ, dieser Besserwisser, auch das noch! Er war doch eigentlich kontaktgestört. Er war überrascht, dass dieser Typ auch noch eine andere Seite hatte, er hatte ihm das gar nicht zugetraut. Er schien eigentlich geschlechtslos, ja, er war wohl verheiratet, aber so etwas? Er beachtete Frauen kaum, etwas, was gerade deren Ehrgeiz anstachelte, ihn doch noch irgendwie herumzukriegen. Im Grunde sah er ganz gut aus, aber er war völlig gehemmt, aber vielleicht reizte sie das ja besonders. Aber sie bissen sich alle die Zähne an ihm aus. Eine hatte es wohl doch noch geschafft. Er erkannte die Stimme, es war eine der direkten Kolleginnen von dem Typen, eine, die sich immer bei den Kaffeerunden, unauffällig, wie zufällig, leicht an ihn geschmiegt hatte. Sie war blond, etwas stämmig, ein wenig kleiner als er, deshalb konnte sie sich an ihn anlehnen. Also so einfach war das gewesen. Die anderen Frauen hatten diesen Besserwisser immer angeschmachtet, er hatte es ignoriert, diese hier hatte ihn einfach genommen, während die anderen sich nicht getraut hatten, innerlich lachte er. Echte Gleichberechtigung dachte er.
Sie sagte: „Du, ich glaube wirklich, da ist noch jemand. Es hört sich an, wie wenn jemand heftig atmet.“ – „Ach was, du hörst Gespenster. Wer soll hier sein, jetzt um diese Zeit. – Na ja, vielleicht doch. – Vielleicht sind da ja noch zwei andere, die miteinander…“
********
Sie sagte: „Irgendwie ist mir unheimlich, lass uns lieber fahren. Es ist ja auch schon spät, wahrscheinlich wartet deine Frau auch schon auf dich .Wenn du zu spät kommst, merkt sie noch was. Die Besprechung hat doch auch schon ewig gedauert.“ – „Na gut. Aber schade...“
Er hörte, wie sie sich anzogen, und davonfuhren. Nun war seine Chance zu entkommen dahin. Er ließ ein wenig locker, und er merkte, dass seine Entführer genauso handelten, wie er es damals beim Judo auch gelernt hatte, da gab es Haltegriffe, und die Strategie war, den anderen dann zu halten, wenn er versuchte, los zu kommen, und wenn er locker ließ, ebenfalls locker zu lassen, damit man sich beim Halten nicht verkrampft. Der Trainer hatte damals gesagt: „Man muss warten, bis der Andere sich total verkrampft hat, dann legt man ihn einfach beiseite.“ Aber das funktionierte hier leider nicht.
Er begann zu überlegen, warum wollten sie ihn entführen, er war nicht vermögend, prominent auch nicht, also wozu? Und hier im Wald, wie sollte es weiter gehen? Sie waren ja gestört worden, aber vielleicht hatten sie ja irgendwo einen Wagen geparkt.
Schließlich fragte er einfach: „Was wollt ihr von mir?“ Es gab keine Antwort. „Ich habe kein Geld, ihr könnt kein Lösegeld kriegen, denn ich habe nichts.“ Es gab wieder keine Reaktion. Sie hockten eine ganze Weile auf dem Boden um ihn herum, und er lag auf dem Boden.
Schließlich drehte einer sich zu seinem Nebenmann um und nickte leicht. Einer von den anderen nickte ebenfalls, es erhoben sich zwei und gingen in den Wald. Die anderen zwei blieben bei ihm. Sie hatten ihn wohl irgendwie begutachtet, und sich entschlossen, ihn mit zu nehmen. Die zwei holten wohl den Wagen. Jetzt war seine einzige Chance, dass sie in irgendeine Polizeikontrolle kamen.
Noch einmal versuchte er es: „Was wollt ihr von mir? Was soll das? Ich kann euch nichts geben, meine Familie auch nicht.“ Sie reagierten nicht. Eine Weile geschah nichts.
Er sah nach oben, sah die Baumkronen über sich, ein paar Sterne, es flog ein Vogel am über ihn hinweg. Ganz oben sah er die Lichter eines Flugzeugs langsam über den Himmel ziehen.
Wahrscheinlich sprachen sie miteinander, aber er konnte nichts davon hören, die Raumanzüge waren offensichtlich schalldicht. Ihm fielen die Heftchen über Fliegergeschichten aus dem zweiten Weltkrieg ein, die er früher immer gelesen hatte, da hatten die Jagdflieger alle Kopfhörer und Kehlkopfmikrofone und waren über Funk untereinander verbunden, tauschten Warnungen, Kommentare und Anweisungen untereinander aus. Hier musste es wohl so ähnlich sein, aber vielleicht konnte sie auch telepathisch miteinander kommunizieren, dann brauchten sie gar nicht zu reden.
Er versuchte aufzustehen, sofort drückten sie ihn wieder auf den Boden. Nach einer Weile tauchten zwei aus dem Schatten des Waldes auf und trugen etwas zwischen sich, das aussah wie eine Trage. Es war nicht klar, ob es die zwei von vorhin waren, vielleicht. Sie kamen heran, stellten die Trage auf dem Boden ab, zu viert packten sie ihn, hoben ihn auf die Tage, und schnallten ihn auf der Trage fest, so fest, dass er sich kaum noch rühren konnte. Dann hoben die vier Trage mit ihm an und gingen mit ihm weiter in den Wald.
Warum eine Trage? Vielleicht wollten sie nicht um jeden Schritt kämpfen, eigentlich ganz geschickt, so kam man schneller vorwärts. Es war ein seltsamen Gefühl, so durch den dunklen Wald getragen zu werden. Er sah, wie die Bäume vorbei zogen, es war ein Mischwald, Nadelbäume, irgendwelche Laubbäume, sie gingen ziemlich schnell. Vereinzelt sah er einen Stern. Er hatte sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt, es dauert immer eine Weile, bis man sich an schwaches Licht gewöhnt hat, es kann bis zu einer ¾ Stunde dauern. Er konnte jetzt das Mondlicht erkennen auf den Bäumen, sie warfen sogar Schatten. Es waren sogar Eichen dabei.
Es konnte nur eine Verwechslung sein, vielleicht verwechselten sie ihn mit jemandem, der irgendwie hoch in der Hierarchie war. Was passierte denn wohl, wenn sie ihren Irrtum feststellten? Es gab sicher einen Anschiss vom Chef. Und dann? Würden sie ihn wohl freilassen? - Ich will auch niemandem etwas sagen. – Ach wirklich? - Er sah, dass seine Chancen ziemlich schlecht waren.
Jetzt konnte er langsam im Mondlicht verhältnismäßig gut sehen. Er sah, dass die Bäume zurück traten, sie kamen auf eine Lichtung. Der Boden war mit Farnkraut bedeckt, sie bahnten sich ihren Weg durch die Pflanzen, gingen um ein paar Büsche herum.
Er war bas erstaunt, als er auf der Lichtung im schwachen Licht etwas stehen sah, das aussah wie ein Kampfjet. Die Gruppe bewegte sich darauf zu, er fragte sich, wie sie mit dem Ding da weg kommen wollten, denn er wusste, so etwas brauchte zum Start eine Runway von mindestens anderthalb Kilometern, mit Nachbrenner konnte man das ein bisschen verkürzen. Bei einem Strahltriebwerk, wie sie die Kampfjets normalerweise haben, wird in den heißen Abgasstrahl noch einmal Treibstoff eingespritzt, und es gibt einen Feuerstrahl, ein Donnergrollen, und ab geht die Post. Er konnte genau das Fahrwerk erkennen, die ausgefahrenen Landeklappen, er verstand nichts mehr. Er konnte etwas mehr sehen, es war eine Phantom. Er sah das Höhenleitwerk, das V-förmig nach unten wies, und die Tragflächen, die an den Enden nach oben geknickt waren. Wie wollten sie denn damit starten?
Es würde einen Höllenlärm geben, es würde eine Weile dauern, bis die Triebwerke auf Voll-Last waren, und dann vielleicht auch noch ein Nachbrenner. Wenn es eine Harrier gewesen wäre, die konnte senkrecht starten. Aber auch dann würde die Nachbarschaft im Umkreis von ein paar Kilometern rebellisch werden von dem Lärm, und in Nullkomma Nix wäre eine Staffel Abfangjäger da. Na ja, eine viertel Stunde würde es wohl schon dauern, und dann könnte man weg sein, aber sie müssten über das ganze Gebiet fliegen, und da würden sie schon irgendwie beim Radar auffallen. Und dann?
Читать дальше