Sergej hielt sich bereit und wartete geduldig.
Sie landeten am Flughafen von Bucharrest. Hier werden sie umsteigen, um die Spuren ihrer Anreise zu verwischen. Die Passagiere stiegen die schmale Treppe hinunter und liefen bis direkt davor geparkten Mercedes. Die Türen des Fonds standen bereits offen, Lin und Moureu stiegen ein. Einer der Flugbegleiter brachte die Taschen und Koffer hinterher und verstauchte sie im Kofferraum. Die Limousine fuhr sofort los, der bisher stumme Fahrer begann zu reden.
»Ich fahre sie zu der anderen Maschine, sie fliegen nach Prag. Ab hier haben sie neue Papiere.« Der Fahrer nahm vom Beifahrersitz einen dicken Umschlag und reichte ihn Moureu. »Ich werde alles erledigen, für die Behörden waren sie nie hier, sie sind mit der gleichen Maschine sofort zurückgeflogen«, er machte kurze Pause, »sie haben Hongkong nie verlassen«, ergänzte der Fahrer seine Erklärung.
»Danke, bestens«, antwortete Moureu.
»Sie wissen nicht mehr, wer ich bin, oder?« Der Fahrer fragte mehr sich selbst als Moureu. »Ich bin Xin-Yao, der Urenkel vom Vater Yi. Ich entschuldige mich, ich konnte zum Fest nicht kommen, es tut mir leid. Ich konnte wirklich nicht kommen, nicht ohne meine Frau. Sie ist im neunten Monat, das Baby kann jeder Minute kommen. Ich bitte um Verzeihung.«
»Kinder haben den Vorrang, die Zukunft kommt nach der Vergangenheit«, sagte Moureu gelassen, »aber, ohne eine Vergangenheit gibt es keine Zukunft. Wir sehen uns nächstes Jahr, die Familie wird kaum erwarten können das Baby zu sehen, so wie ich auch.«
Der Mercedes fuhr in eine kleinere Flugzeughalle.
»Die Herren sind bereits in der Maschine, es sind zwei. Der Dritte ist nicht hier. Er wird in Frankfurt auf Sie warten. Er ist ein Mitglied unserer Familie. Ein sehr besonderer Mensch«, erzählte Xin-Yao, als die Limousine vor einem kleinen Jet zum stehen kam.
Sie stiegen aus, Lin sah sie sofort. Überall in der Halle und an den Türen waren Männer verteilt, hielten ihre schussbereite Maschinenpistolen und Sturmgewehre offen hoch. Zwei der Männer holten das Gepäck aus dem Fahrzeug und trugen es in das Flugzeug. Lin ging sofort auf die Maschine zu, die schmale Treppe hoch. Moureu folgte ihr zuerst, blieb vor der Treppe stehen und drehte sich um.
Alle Männer in der Halle standen Richtung Moureu und beugten sich tief vor ihm. Xin-Yao, der Urenkel vom Herrn Yi stand, einen Meter hinter Moureu und hatte sich ebenfalls tief vorgebeugt. Ohne sich aufzurichten, sagte Xin-Yao:
»Ich weiß, wer Sie sind. Wir wissen nun alle, wer Sie sind. Es ist uns eine Ehre. Familie Yi folgt Ihnen bis in den Tod.«
»Es wird ein Junge sein, ein guter Junge, er wird dir viel Freude bereiten. Aber passe auf deine Frau auf, sie wird sehr schwach sein, die Geburt wird für sie nicht einfach sein. Sie wird deine Liebe brauchen, deine Kraft, dafür wirst du das Zehnfache zurückbekommen. Fahre am besten gleich ins Krankenhaus, jetzt gleich«, sagte Moureu. Manchmal sah er Dinge kommen.
Lin war fast in der Maschine als sie Moureus Worte hörte und sich deshalb umdrehte. Die Szene war ihr unheimlich, wie alles, seit sie das Hochhaus der Familie Yi betrat. Moureu streckte seinen Arm aus und zog den Mann zu sich, schaute ihm in die Augen und sagte gelassen:
»Habe keine Angst, egal was jetzt im Krankenhaus passiert, es wird gut ausgehen«, Moureu drehte sich zu Lin und schaute sie forschend an, drehte sich wieder zum Xin-Yao. »Ich habe noch nie so etwas gesagt. Dein Sohn sollte den Namen Yuan tragen. Das wäre ein würdiger Name. Der Geist der Ahnen sucht noch immer seine neue Hülle.«
Moureu drehte sich um und stieg in die Maschine ein, drängte Lin an der Tür weiter zu gehen.
Lin wusste es, alles wird so eintreffen, wie Moureu es eben sagte. Sie wusste nicht, warum sie zu dieser Erkenntnis kam, aber sie war sich sicher: S0 wird es sein. Der Name Yuan war der Name eines Kämpfers, ihres … Vaters.
Stammhotel von Sir Gallmann in Frankfurt war das Kempinski, in Gravenbruch. Er bevorzugte dieses Hotel, da es außerhalb der Stadt lag und seinen Ansprüchen entsprach. Paparazzi hatten keine Möglichkeit an die Gäste dran zu kommen, daher war er ungestört. Die neueren, genauso gute Hotels in Frankfurt, mied er. Dort würde er mit Sicherheit bekannte Gesichter treffen.
Frau Groß ging auf alle Reisen mit, hatte aber nie den Zugang zu den Treffen der Gruppe. Sie war noch nie dabei gewesen, hatte keine Vorstellung, was dort ablief. Sie musste, wie immer, im Hotel bleiben und warten. Ihre Aufgabe war die Koordination und Kommunikation unter den Gruppen aus Frankfurt, Zürich und London, sowie die Kommunikation dieser Gruppen zu einigen bestimmten Organisationen. Auch zu den Ermittlern n Frankfurt, welche den Mann gefunden haben und nun beschatteten. Mehr wird sie nicht erfahren. Als Hand wusste sie nicht, was der Kopf denkt.
Die Fahrt vom Kempinski nach Königstein dauerte nur 20 Minuten. Vor einigen Jahren wurde die Autobahn Richtung Königstein ausgebaut, was die Fahrt enorm verkürzte und erleichterte. Mark bremste sanft vor dem eisernen Tor des Anwesens vom Herrn Mayer. Das Anwesen war sehr groß, durchgehend von drei Metern hohen Mauer umgeben und ideal für konspirative Treffen, Sicherheit und Vertraulichkeit waren mehr als garantiert. Mark musste die Klingelanlage nicht benutzen, jemand überwachte ständig die Kameras. Alsbald die Besucher erkannt wurden, öffnete sich das Tor automatisch. Mark fuhr langsam durch das Tor und parkte den BMW direkt vor der Treppe des Haupteingangs.
Sir Gallmann war diesmal schneller, Mark schaffte es nicht, wie üblich, vorher auszusteigen und dem Sir Gallmann die Tür aufzumachen. Bis Mark um die lange Limousine herum kam, lief Sir Gallmann bereits die wenigen Stufen zum Eingang der Villa empor. Dann eben nicht, meinte Mark. Er wusste, was er jetzt zu tun hatte: warten. Also, gar nichts. Als Mark die Eingangshalle der Villa betrat, war Sir Gallmann in einem der Räume verschwunden. Mark erkannte den Mann an der Tür. Er war einer der Fahrer und Bodyguard vom Hausherrn, dem Herrn Mayer. Anscheinend waren alle erwarteten Gäste bereits da, da der Bodyguard vom Herrn Mayer zu Mark sagte, er solle ihm folgen. Beide Männer gingen in einen kleineren Raum seitlich vom Eingang, die Überwachungszentrale des Hauses. An den Wänden hingen mehrere Bildschirme, zeigten die Aufnahmen der Überwachungskameras. Auf einem Panel war die Skizze des Hauses und des Anwesens, unzählige Lämpchen der Überwachungssensoren auf dieser Skizze läuteten grün. Sollte sich etwas bewegen, dann werden die Sensoren rot aufleuchten und sofort Alarm auslösen. An der Wand lehnte ein geräumiger Arbeitstisch mit vier Laptops, separaten Tastaturen, Telefone, zwei Handys in Ladestationen sowie eine Maschinenpistole. Gegenüber der Wand mit den Monitoren waren mehrere Sessel und eine Couch, eine Minibar, daneben auf einem Beistelltisch eine vollautomatische Kaffeemaschine. Vier Leibwächter der bereits anwesenden Gäste ruhten vor sich hin in den Sesseln und lasen Automagazine. Mark vermutete, dass im Nebenraum weitere Bodyguards ebenfalls warteten und ihren Job gerade verfluchten. Jedenfalls, er tat es.
Mark lief zur Kaffeemaschine, machte sich einen Cappuccino und richtete sich in einem der Sessel bequem ein. Der Bodyguard vom Herrn Mayer nahm am Arbeitstisch vor den Überwachungsmonitoren seinen Platz ein. Die Männer im Raum kannten sich vom Sehen, hatten aber zueinander nichts zu sagen.
Sir Gallmann hatte das Haus vom Herrn Mayer sehr gut in Erinnerung, die Treffen der Gruppen wurden meistens hier abgehalten. Ohne eine Notiz von dem Bodyguard an der Tür zu nehmen, lief Sir Gallmann gezielt durch die repräsentativ gestaltete Empfangshalle durch und nahm die Treppe zum ersten Stock. Der Konferenzraum war mit erwarteten Teilnehmern bereits gefüllt. Sir Gallmann kam wie immer als Letzter, die Gruppe war nun vollständig.
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