In Slowenien, wo sie sich sowieso wie vorbereitet auflösen wollten, teilten sie die Beute. Für jeden vielen mehr als zwei Millionen Dollar ab. Zoran erwähnte, er wurde den Männern noch den Rest des vereinbarten Geldes für die Aktion schulden, er wolle es ausgleichen. Die Männer lachten sich kaputt. Einige aus seiner alten Einheit wussten es, Zoran hatte alles was er besaß verkauft und verpfändet, nur um an das Geld für diese Aktion zu kommen. Das sprach sich herum, war allgemein bekannt. Am Anfang war das den Leuten egal, Zoran musste sie bezahlen, er wollte ja etwas von ihnen. Jetzt, nach der riesigen Beute, da hatten sie kein reines Gewissen mehr. Einer der Männer meinte, eigentlich müssten sie ihn bezahlen. Ohne sich abzusprechen, lief jeder Einzelne auf Zoran zu, legte mehrere Bündel Scheine vor ihn, auf den Tisch an welchem er saß. Das, wofür sie angeheuert wurden, das haben sie nicht erfüllt. Sie fühlten sich daher verpflichtet mindestens die Heuer zurück zu erstatten und einen Teil vom eigenen Beuteanteil abzugeben. Er war der Kopf, der Boss. Zoran sagte nichts, starrte auf den Geldberg wie in ein Feuer.
Zoran organisierte an Ort und Stelle, Mohammad sollte im Krankenhaus überwacht, beschützt, und umgehend herausgeholt werden. In Sarajevo erreichte er einen alten Freund seines Großvaters, welcher sofort zusagte zu helfen. Zoran schickte ihm über einen seiner Männer das Geld für die Ärzte, für die Beschützer, für den alten Mann selbst, sowie das Geld für die Flucht von Mohammad. Für Mohammad persönlich legte er noch mehr Geld dazu. Den Anteil für die zwei Männer welche Mohammad ins Krankenhaus brachten nahm Zoran an sich, er wird auf sie warten. Die Gruppe löste sich auf.
Als die Männer aus Sarajevo nachkamen, fanden sie Zoran orientierungslos vor, er litt unter furchtbaren Kopfschmerzen. In diesem Zustand und mit so viel Geld bei sich wurde er es nie über die Grenzen nach Deutschland schaffen. Die Männer beschlossen Zoran zu begleiten. Zoran rief einen sizilianischen Bekannten an, bat ihn um Hilfe. Sie müssten zuerst irgendwie nach Parma durchkommen. Aus der Fabrik, welche den bekannten Schinken herstellte, fuhren sie in einem Kühllastwagen über Österreich nach Deutschland. Die Fabrik schickte jeden Tag mehrere Lastwagen nach Deutschland, die Fahrzeuge wurden vom Zoll nie kontrolliert. Sie haben sich im Kühlraum eingerichtet, der Fahrer hatte die Kühlung ab und zu ausgeschaltet, außerdem waren sie entsprechend angezogen. Gleich hinter der deutschen Grenze verließen sie das Fahrzeug, ein Bekannter holte sie ab. Damit er wegen gebrochener Zollplomben keine Probleme bekommt, meldete der Fahrer bei der Polizei am nächsten Autohof einen versuchten Diebstahl an.
Seine Kopfschmerzen und Träume fingen bereits nach der Explosion an, wurden von Tag zu Tag schlimmer. Sie waren schon vorher da, aber nicht so stark! Es war ihm bewusst, er wird sich für immer verstecken müssen, unauffällig bleiben. Unsichtbar. Irgendjemand wird irgendwann die Zusammenhänge verbinden, die Personen identifizieren, die Geschichte nachvollziehen. Einige werden ihr Geld zurückhaben, die anderen sich rächen wollen. Auf diesen Tag wird er vorbereitet sein. Wer auch immer kommt, er wird es mit Zoran nicht leicht haben. Egal wann und warum, der Geschickte wird kommen. Er wird genauso schuldig sein, so schuldig wie die Männer, welche er im Wald hingerichtet hatte. Zoran wird für niemanden mehr eine Gnade haben.
Die Worte seines Großvaters klangen in Zorans Ohren nach. Hat er ihm damals sein Schicksal prophezeit, oder ihn gewarnt? Er hat ihm so viel gesagt …
»Ich muss unerkannt bleiben, wie alle bisher …«
Sergej saß in der Kapelle des Flughafens in Jekaterinburg. An den Altären hantierte der Pope mit den Kerzen, pickte abgebrannte Stummel mit einer langen Zange auf und legte sie in einen kleinen Blecheimer. Die Reste werden umgeschmolzen, um daraus neue Kerzen zu machen. Echtes Bienenwachs war sehr teuer.
Sergej kamen die Erinnerungen an seine kurze, rasante und brutale Vergangenheit. Er stammte einer armen Familie ab und hatte kaum eine Zukunftschance. Die Kinder in seiner Familie waren nur glücklich, wenn es etwas zu essen gab, und das kam sehr selten vor. Der Vater arbeitete als Fließbandarbeiter in der Fabrik, Mutter verdingte sich als Putzfrau in einer Schule. Ausbildung der Kinder war nie ein Gesprächsthema, über Unmögliches sprach man nicht. Wozu auch? Sergej schloss sich, wie viele seiner Freunde, einer Gang an. Wegen seiner Überredungsfähigkeit wurde er bald zum Schuldeneintreiber der Gang erkoren. Er erfüllte seine Aufgabe außerordentlich gut, zudem äußerst brutal. Als die Bande zerschlagen wurde, musste Sergej untertauchen und landete beim Militär. Dort hat man seine Fähigkeiten ebenfalls schnell erkannt. Nach der Grundausbildung wurde er in die Spezialabteilung der Antiterrorbekämpfung versetzte. Nach drei Jahren wurde er befördert, zum Elektronikabhörspezialisten ausgebildet, lernte nebenbei Englisch.
Der Pope verschwand in seinen Räumen im hinteren Teil der Kapelle, was Sergej auf andere Gedanken brachte.
Alles verlogen, sprach Sergej in seinen Gedanken zu sich selbst, diese Kirchen, Kapellen, alles nur ein Schein. Alles Theater, welches mit wahrem Leben nichts mehr zu tun hatte. Wahre Gläubige sind nie in der Kirche. Sie sind da, wo man sie nicht erkennt, so wie … der Präsident!
Außer ihm war niemand in dieser Kapelle, stellte Sergej verbittert fest, aber gerade er hatte am wenigsten das Recht hier zu sitzen. Seiner Meinung nach müsste er bereits in der Hölle schmoren. Sie sind alle Heuchler, stellte Sergej erneut fest, alle, welche nach dem Gott schreien, weil sie für ihre eigene Seelen selbst nichts taten, aber jemand anderes es für sie tun sollte. Wie der Pope, welcher gerade die Kerzenstummel mühsam aufsammelte. Er soll die Bürde der Anderen übernehmen, sich ihre Sühnen anhören, und dann für sie beten, ihre Seelen retten.
Und wer sitzt hier, fragte sich Sergej. Ich, ich werde unsere Seelen retten.
Als Abhörspezialist bekam er vom leitenden Offizier der Einrichtung den Geheimauftrag, er soll einige Gruppen abhören. Sergej machte wie befohlen, leitete die Ergebnisse an den General weiter. Sergej kannte alle Einzelheiten, daher fand er es umso merkwürdiger, dass sich gerade seine Abteilung damit befasst. Bei einer Gelegenheit erwähnte er dem General und dem leitenden Offizier der Abteilung sein Unverständnis. Am nächsten Tag bekam Sergej einen BMW als persönlichen Dienstwagen. Sergej war nicht dumm, er stellte keine Fragen mehr und leitete die Ergebnisse an den General weiter. Fortan bekam Sergej jede Woche einen Umschlag mit eintausend Dollar. Der General beauftragte einige Männer der Abteilung sowie Sergej, einen Auftrag zu erledigen. Es wäre zum Wohle des Staates, hätte mit der inneren Sicherheit zu tun. Wie befohlen überfielen sie das Haus, töteten alle, nahmen die Pakete mit. Die wöchentlichen Briefumschläge wurden dicker.
Die Aufträge wiederholten sich immer auf die gleiche Art, mehr oder weniger. Der Angriffstrupp griff die Terroristen an, tötete sie, nahm die Pakete als Beweisstücke mit. Nach kurzer Zeit leitete Sergej den Angriffstrupp. Nun war er die Nummer eins. Er ging davon aus, dass die Aufträge des Generals vom Geheimdienst koordiniert wurden, wie angeordnet tatsächlich im Sinne des Staates wären. Er war überzeugt, die Pakete wurden vernichtet. Die Sonderzahlungen verstand er als Zulage für die Spezialarbeit und das Schweigen, eine Gefahrenzulage.
Ein Freund aus seiner Gangzeit öffnete ihm endlich die Augen. Sein Freund war bei einer Gruppe dabei welche als Feind des Staates eliminiert werden sollte. Sergej war sich sicher, sein Freund hatte mit den Terroristen nichts zu tun. Dieser wusste nicht einmal, wie Terrorist ausgesprochen wird. Sergej ließ ihn am Leben und bekam die gewünschten Auskünfte. Die Wahrheit war bitter. Es ging nur um die Rauschgiftgeschäfte, der General nutzte die Abteilung aus, um an die Informationen zu kommen sowie die Konkurrenz zu eliminieren. Die Männer der Abteilung überfielen die Drogendealer, nahmen das Raschgift mit, der General verkaufte das Rauschgift an andere Dealer, welche für ihn, oder mit ihm arbeiteten. Wer sich quer stellte, der wurde kurzerhand eliminiert. Sergej fühlte es, die Geschichte konnte nicht lange gut gehen, man wird ihn eines Tages ersetzen. Er wusste bereits zu viel.
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