, Unternehmt Euren Versuch, Saint Germain. ‘ Erwiderte Gilles freundlich. ‘...aber vergesst dabei nicht an Eurer Übersetzung der Handschrift weiterzuarbeiten...denn auch ich habe einen Versuch auf dem Athenor stehen und ich wage zu behaupten, dass es vielversprechend aussieht. Die Materie daraus unser Stein bereitet wird, ist ein schlichtes unansehnliches Wesen, da bei ihr nicht die geringste Schönheit anzutreffen. Es ist eben die Materie, daraus Gott im Anfang Himmel und Erde schuf, nämlich aus einem Chaos oder Klumpen...‘
Er erhob sich von seinem Stuhl, strich sorgfältig seine teuren Gewänder glatt und verbeugte sich mit leisem Spott vor seinem Gefangenen. ,Diese Erde war wüst und leer und es war finster in der Tiefe; derselbe Abgrund war voller dicker Finsternis, so wie ein schwarzer Nebel....,Ich nehme an, Ihr legt keinen Wert darauf mich in mein Laboratorium zu begleiten und dort meine letzte Arbeit zu betrachten. Sie war ausgesprochen.....unterhaltsam. ‘
Während die schwere Eichentür sich hinter dem Baron von Laval schloss, drangen laute Befehle, das metallische Geräusch von Waffen, die aufeinander schlugen und das aufgeregte Wiehern vieler Pferde durch den schmalen vergitterten Belüftungsspalt des Kerkers zu Claire de Saint Germain hinunter. Er war wieder alleine in der Kälte und in der Hoffnungslosigkeit seines grausamen Gefängnisses. Die Männer mit dem Wappen des bretonischen Herzogs auf ihren Waffenröcken und die für einen kurzen Augenblick der Euphorie seine Hoffnung auf einen Kontakt mit der Außenwelt gewesen waren, verließen Champtocé im gestreckten Galopp.
Der leere Magen des Alchimisten knurrte immer noch genau so erbärmlich, wie vor dem Höflichkeitsbesuch des jungen Teufels Laval und er war keinen Schritt weiter in seinem Leben. Claire seufzte aus tiefstem Herzen. Dann ging er langsam um den Arbeitstisch herum und zu seinem Versuch. Wenn es überhaupt noch eine Chance für ihn gab, dann lag sie in einem sichtbaren Fortschritt mit dem Manuskript des Leviterprinzen Abraham. Solange weder Gilles noch sein bösartiger, machtbesessener und habgieriger Großvater ein neues Ergebnis der Arbeit sahen, würden sich seine Haftbedingungen vermutlich nicht verbessern. Er warf einen Bund Reisig in den Athenor und konzentrierte sich.
III
Der Erbe des Herzogs von Cornouailles konnte bei einer Lanze kaum unterscheiden, wo vorne und hinten war, aber er bewegte sich flink und geschmeidig und er war ein hervorragender Reiter. Zu seinem eigenen Glück war Sévran mutig und für sein Alter bereits ausgesprochen kaltblütig.
Arzhur de Richemont verfolgte vom Rücken seines spanischen Goldfuchses aus interessiert und ein wenig skeptisch die kriegerischen Anstrengungen des sonderbaren Knappen, der sich nun schon seit etwas mehr als drei Monaten in seiner Obhut befand: Schwarzes Haar, schwarze Augen, der Körper eines Tänzers und das Benehmen eines jungen Wolfes, der in der Falle saß. Er gehörte also offensichtlich doch zu dieser Rasse, die selbst in der ausweglosesten Situation bis zuletzt mit dem Mut der Verzweiflung kämpfte, und eher starb, als sich zu ergeben: Melius mori quam feodari - Lieber tot, als beschmutzt! Richemont verzog unmerklich das Gesicht zu einem leisen Lächeln.
Wo es allerdings um reine körperliche Kraft und die Erfahrung im Umgang mit Kriegswaffen ging, konnte der junge Carnac sich auch mit seinem Gegner an diesem Morgen nicht messen. Der Sohn des Seigneurs von Giron war unter den Edelknappen in Rennes der Ungeschickteste und am wenigsten Begabte. Trotzdem hatte Patrice keine Mühe gehabt, Sévran mit ein paar wuchtigen Schlägen des Streitkolbens vom Pferderücken in den Dreck zu befördern. Selbst seine außergewöhnlichen Reitkünste hatten den Sohn des Herzogs von Cornouailles nicht retten können.
Der Unterschied hätte nicht größer sein können zu diesen beiden älteren Brüdern, die Arzhur so gut gekannt hatte. Sie waren die über viele Jahre hin seine Freunde gewesen ...bis zu dem Tag von Azincourt, an dem irgendeine höhere Macht befunden hatte, dass er weiterleben durfte, während ihnen die Stunde schlug. Aorélian und Glaoda hätten ihren jüngeren Bruder gewiss genauso kopfschüttelnd betrachtet, wie er es nun seit einiger Zeit schon tat.
Doch unten auf dem Boden schien Carnac plötzlich wieder mehr in seinem Element. Den Sturz hatte er erstaunlich rasch verdaut. Obwohl Brustpanzer, Beinschienen und Helm ihn behinderten, rollte er wie eine Katze durch den Dreck und sprang hoch. Noch in der Bewegung gelang es ihm das Schwert in der Scheide zu lösen. Der junge Giron bremste sein wuchtiges, normannisches Kriegspferd, um es auf dem rutschigen Untergrund zu wenden und seinen Gegner noch einmal anzugreifen.
Und damit fingen die Schwierigkeiten erst richtig an.
Er konnte Carnac vom Rücken des mächtigen Streitrosses aus einfach nicht folgen. Sévran hielt ihn geschickt auf Abstand und verwirrte ihn, während er sich gleichzeitig zu Richemonts Verwunderung von seinem sperrigen Brustpanzer befreite. Dann warf er auch noch den Helm in den Dreck. Als er schließlich nur noch das leichte Kettenhemd am Leib trug, griff er Giron an...blitzschnell glitt seine Hand zur Hüfte und Sévrans Schwert glänzte in seinen eisenbehandschuhten Händen.
Patrice war seit seinem siebten Geburtstag in der Waffenkunst ausgebildet worden. Genau aus diesem Grund überraschte Carnacs Angriff ihn so vollkommen. Einen kurzen Augenblick zügelte er sein Pferd, ohne zu begreifen welchen Plan sein Gegner verfolgte. Dieses Zögern genügte Sévran. Er stand mit gespreizten Beinen, das Schwert drohend erhoben und in diesem Augenblick –ohne Zweifel - selbst für einen kampferprobten Mann eine Gefahr. Jeder Muskel seines Körpers war gespannt. Über seine schwarzen Augen lag ein kalter, kalkulierender Ausdruck. Er beobachtete jede Bewegung des schweren Kriegspferdes, das im Galopp direkt auf ihn zustürmte. Sein Reiter hielt bereits die Streitkeule zum Schlag.
Arzhur de Richemont überlegte, ob er den Übungskampf nicht unterbrechen sollte, bevor es zu einem fatalen Zusammenstoß zwischen den beiden ungleichen Gegnern kam. Doch ein erneuter Blick auf Carnac ließ ihn diese Idee wieder verwerfen. Der Junge war vollkommen ruhig und gelassen. In seinen Augen war nicht einmal eine Spur von Angst zu erkennen. Offensichtlich wusste er wirklich, was er tun wollte.
Als die riesigen, eisenbeschlagenen Hufe von Girons Hengst beinahe über dem am Boden stehenden Carnac waren, löste der junge Mann sich so blitzschnell aus seiner Erstarrung, das keiner der Zuschauer im ersten Moment richtig begriff was geschah.
Nie wäre einem Ritter von Rang und Ehre in den Sinn gekommen sein Leben zu riskieren, nur um sich wie ein ungehobelter Landsknecht einem wütenden Streitross in die Zügel zu werfen und dabei gleichzeitig dem Tier mit der flachen Seite des Schwertes einen kräftigen Schlag auf die Kruppe zu versetzen.
Der Hengst bremste scharf und erhob sich vor Schreck hoch auf die Hinterbeine. Er schnaufte erregt. Weil Carnac trotz der gefährlichen, eisenbeschlagenen Hufe über seinem ungeschützten Kopf die Zügel der Kandare einfach nicht losließ, verlor das Tier auf dem rutschigen Grund dabei das Gleichgewicht. Mit einem lauten, metallischen Scheppern landeten Giron und sein Pferd im Dreck. Da lag der Knappe nun, wie eine Schildkröte hilflos auf dem Rücken, rang verzweifelt nach Atem und ruderte wild mit Armen und Beinen. Es war klar, dass er sich ohne fremde Hilfe aus diesem Schlamassel nicht befreien konnte.
Anstatt seinen überraschenden und ungewöhnlichen Sieg zu genießen, lies Sévran endlich die Zügel von Girons Hengst los, damit das Pferd aufstehen und sich wieder beruhigte konnte. Mit dem Handrücken wischte er sich Schweiß und Schmutz aus dem Gesicht, bevor er sein Schwert zurück in die Scheide steckte und seinem Gegner auf die Beine half.
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