Wir wurden einer nach dem anderen aus unserer Zwangsunterbringung gezerrt, und ich kann nur mutmaßen, dass die anderen Opfer die gleiche Entwürdigung und Erniedrigung erlitten, wie sie mir zuteilwurde.
Meine Geschichte ist geprägt von Erlebnissen, die auch für viele andere missbrauchende Beziehungen typisch sind:
Gegen meinen Willen in ein Bett gezogen zu werden, nur um später aus demselben herausgerissen und über den Fußboden geschleift zu werden, ganz nach Willkür und Belieben der Bestie; die Nacht mit ihm verbringen zu müssen, gleich, ob er geduscht war oder nicht.
Dann später, wie eine bittere Ironie, vernachlässigt und für längere Zeiträume in einem abgeschlossenen Raum alleingelassen zu werden. Manchmal brachte dieses Monster sogar irgendeine Hure aus einer Bar oder Straßenecke mit, und ich wurde dazu gezwungen, ihrem schändlichen und beschämenden fleischlichen Treiben beizuwohnen …!
Üblicherweise führte Herr Dearden seine Mätressen nach derartigen Exzessen aus, vermutlich zu Abendessen und feinen Getränken. Man möchte meinen, dass er mir zumindest eine ähnliche Behandlung hätte zugestehen können, da ich schließlich regelmäßig bei ihm sein musste, doch dies war niemals der Fall.
Ich wurde stets zurückgelassen, war abgesehen von meinem Nutzen als Objekt der Annehmlichkeit gänzlich unerwünscht für dieses herzlose Biest. Ich entsinne mich vieler Male, die er mit mir im Bett lag und den Fernseher bis in die frühen Morgenstunden laufen ließ. Manchmal nahm er dabei köstlich duftende Speisen zu sich, während er so ohne einen einzigen Gedanken an meine eigenen Bedürfnisse mit mir dalag …
Aber es gab oftmals noch weit schlimmere Situationen als die Szenen, welche ich bislang beschrieben habe. Oh ja, lieber Leser, viel, VIEL unmenschlichere, als wovon ich bereits berichtet habe!
Sehen Sie, Mr. Dearden genoss es, mich einer absonderlichen Art der Wassermarter zu unterziehen, wovon er dutzendfach Gebrauch machte.
Andere Male wieder wurde ich für eine gefühlte Ewigkeit in eine extrem stickige und heiße Folterkiste gesteckt.
Herr Dearden war zudem ein starker Trinker, der wohl eine Art Nervenkitzel empfand, wenn er von Zeit zu Zeit auf mich urinierte. Ich nehme an, dass er durch diese Entwürdigung auf irgendeine Art sein Überlegenheitsgefühl mir gegenüber demonstrierte.
Bitte verstehen Sie, ich bin von Hause aus weder gewalttätig noch aggressiv; tatsächlich bin ich von meiner Natur her passiv und gutmütig.
Aber nachdem Sie nun gelesen haben, was ich von meiner Behandlung in den Händen dieser Bestie, Herrn Dearden, zu berichten habe, wie könnten Sie mich da für das verurteilen, was ich tat?
Herr Frenz, unser Hauseigentümer, wird sicherlich in ein oder zwei Tagen kommen, um die fällige Miete für diesen Monat abzuholen. Wenn der Leichnam entdeckt wird, wird die Polizei mich bestimmt von hier fortbringen.
Davon abgesehen, ganz gleich, wohin man mich stecken könnte, ist jeder Ort auf der Welt einem Zusammenleben mit Herrn Dearden vorzuziehen.
Epilog:
Nachdem Herr Dearden von seinem Vermieter tot im Bett aufgefunden worden war, wurde die Polizei zu seiner Wohnung gerufen. Die amtliche Leichenschau ergab, dass er zum Zeitpunkt der Auffindung seiner Leiche bereits seit 65 – 72 Stunden tot gewesen sein musste. Als Todesursache wurde Strangulation mit einem Bettlaken ermittelt.
Der städtische Polizeipräsident geriet stark unter Druck, da er den Schuldigen trotz intensiver Bemühungen nicht ausfindig machen konnte. Die Beamten der Mordkommission waren ratlos, denn es gab keinerlei Fingerabdrücke oder Zeugen, keine Zeichen eines gewaltsamen Einbruchs oder überhaupt eines Eindringlings.
Die Auswertung der im Flur befindlichen Überwachungskamera ergab, dass in der fraglichen Nacht niemand Herrn Deardens Wohnung betreten oder verlassen hatte.
Die Ermittler waren derart verwirrt, dass einer von ihnen bemerkte:
„Es ist beinahe so, als hätte das Laken selbst Herrn Dearden erdrosselt!“
4 in einer Erzählung
„Düstere Dienstverhältnisse“
von John Pirog
aus dem Englischen übersetzt von Ruth Boose
Prolog: Das aufziehende Gewitter
Helen Müller bog gerade auf den Parkplatz der Eastern University ein, als die Abenddämmerung langsam hereinbrach. Während sie blinzelnd in ihren Rückspiegel blickte, bemerkte sie ein anderes Fahrzeug, das sich vielleicht zwölf Meter hinter ihr befand. Die beiden Limousinen fuhren langsam durch das geöffnete Tor in den hinteren Bereich des Grundstücks. „Haus B26“, las Helen halblaut, wobei sie einen Blick auf ihre Bewerbungsunterlagen warf. Als sie das Gebäude halb rechts vor sich sah, beschleunigte Helen und schwenkte dann scharf links in eine freie Parklücke zwischen einem abgestellten Kleinbus und einem kleineren Kombi ein. Donald Falling, der Fahrer der Limousine hinter ihr, bog in die Lücke rechts neben ihrem Wagen ein.
Als die beiden aus ihren Fahrzeugen ausstiegen, nickte jeder dem anderen höflich zu und beide hatten zugleich denselben üblichen Gedanken:
„Na großartig! Es gibt natürlich immer noch einen anderen!“
„Eins A“, dachte Don bei sich. „Muss wohl im ersten Stock sein.“
Mit flüchtigem Lächeln im Gesicht schritten die beiden durch scheinbar verlassene Flure und Büroräume.
„Ich denke, es geht … hier entlang“, meldete sich Helen zu Wort und deutete zur Rechten.
„Japp“, antwortete Don. „Am Ende dieses Flurs, glaube ich …“
Destiny McPhellan, die als Erste eingetroffene Bewerberin, saß bereits im kleinen Vorraum des Büros, als die beiden die Zwischentür öffneten und eintraten.
Eine große Schüssel Pralinen stand als stille und sehr verlockende Begrüßungsgeste für die Bewerber bereit. Rasch fingen sie an, mit den Händen ein Stück nach dem anderen zu greifen, auszuwickeln und sich in den Mund zu stecken. Nach mehreren Minuten fast völliger Stille räusperte sich Donald schließlich und begann zu sprechen.
„Hallo, ich bin Don. Also … wir sind wohl alle wegen des Bewerbungsgespräches hier?“
Die beiden jungen Frauen sahen auf und lächelten leicht verlegen, beinahe unbehaglich.
„Ja. Hallo Don, ich bin Helen. Ja, es ist an der Zeit für einen Berufswechsel!“, antwortete die 26-jährige Blondine mit einem etwas nervösen Kichern. „Meine letzte Stelle … nun ja, ich habe als Reinigungskraft in verschiedenen Häusern und Einrichtungen gearbeitet, außerhalb der Geschäftszeiten und so, Sie wissen schon. Die Arbeitsbedingungen waren erträglich und die Bezahlung ausreichend, um meine Rechnungen zu bezahlen, aber der letzte Job ist mir wirklich sehr sauer aufgestoßen.“
„Oh, tatsächlich?“, erwiderte Don interessiert. „Erzählen Sie doch mal.“
Helen presste die Lippen zusammen und starrte angestrengt Dons Füße an. Als Don spürte, dass diese Angelegenheit zu heikel und die Erinnerung wohl noch zu frisch war, um sie mit Fremden zu teilen, lenkte er rasch vom Thema ab, indem er begann, von seiner eigenen Situation zu erzählen:
„Also, ich war nach meinem Dienst bei der Armee auf einem Schrottplatz tätig. Im Grunde die gleiche Geschichte wie bei Ihnen: ausreichende Bezahlung, aber keine Möglichkeit zur Weiterentwicklung.“
Die beiden Frauen nickten zustimmend, als Don seine Überlegungen zu den Gründen für seinen Wunsch darlegte, den bisherigen Job aufzugeben. „Wie bei Ihnen auch war es an der Zeit, weiterzuziehen nach der Sache mit diesem Kerl und seinem Auto … Da könnte ich Ihnen etwas erzählen über seltsame und ungewöhnliche Gründe, seine Stelle aufzugeben, nämlich, dass ich …“
„Wow!“
Destiny McPhellan sprang aus ihrem Sitz auf, sodass Don und Helen zu der bislang stillen 20-jährigen Frau hinüberblickten.
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