dabei Stück für Stück zwei beeindruckend voluminöse Waden zutage
förderten. »Warte, Gunwyn, meine Teuerste und Beste«, keuchte der Händler
angestrengt, »ich helfe dir.«
Der abgesessene Pferdelord sah die Umstehenden auffordernd an. »Helft
dem guten Herrn. Manche Last lässt sich nur gemeinsam bewältigen.«
Hände langten zu, und der Wagen wankte ein wenig, während drei oder
vier Männer sich bemühten, dem Händler zu helfen, und andere die Zugtiere
ausspannten. Der Staub, der über der Kolonne gehangen hatte und ihr wie ein
Schleier gefolgt war, begann sich langsam zu senken, als von vorne eine
Gruppe Reiter heranpreschte. Über ihren Köpfen flatterte der Wimpel eines
Beritts, auf dem das Symbol der Schwertmänner von Eternas prangte.
»Was ist denn nun schon wieder los?«, stieß Garwin erregt hervor, als er
sein Pferd neben dem Wagen zügelte. »Wieso geht es denn nicht …? Ah,
verdammt!« Er überblickte die Situation und stützte sich, leicht vorgebeugt,
auf sein Sattelhorn. »Bei allen Abgründen der Finsternis, das ist jetzt schon
das vierte Mal, dass eines dieser verfluchten Räder zerbricht!«
Helderim hatte endlich die Hand seines geliebten Weibes ertastet und
zerrte, unterstützt von den anderen Männern, mit Kräften daran, um seine
Gunwyn aus ihrer misslichen Lage zu befreien. »Es ist nicht meine Schuld,
Hoher Herr Garwin, ganz gewiss nicht. Die Straße ist schlecht und die Wagen
sind schwer beladen … Für eine solche Last wurden sie nicht gebaut!«
»Helderim?!« Der Aufschrei endete in einem grimmigen Fluch, als
Helderims Weib erneut den Halt verlor und in den Wagen zurücksackte.
Der Händler sah Garwin Hilfe suchend an. »Seht es mir nach, Hoher Herr,
aber …«
»Schon gut, schon gut«, knurrte Garwin und ließ sich zurücksinken.
»Kümmert Euch um Euer Weib.« Er sah die Umstehenden an. »Und ihr
kümmert euch gefälligst darum, dass wir bald weiterkönnen. Zieht ein neues
Rad auf, verdammt. Wir haben schon genug Zeit verloren.«
Ein anderer Pferdelord sah grinsend auf den Frachtwagen. »Dazu muss der
Wagen erst leichter werden.«
Garwin sah den Mann wütend an. »Dann helft gefälligst dabei und grinst
nicht so dämlich, guter Herr! Umso schneller kommen wir weiter.«
Das Gesicht des Schwertmanns verzog sich ärgerlich. Zunächst schien er
eine scharfe Erwiderung geben zu wollen, aber dann wandte er sich zur Seite,
spuckte aus und ließ sich aus dem Sattel gleiten. Wortlos trat er an den Wagen
heran. Mit vereinten Kräften gelang es, Gunwyn über den Kutschbock
hinwegzuhelfen, sodass sie sich schließlich erschöpft an den Straßenrand
sinken lassen konnte. Besorgt fächelte ihr Helderim frische Luft zu.
Garwin neigte sich im Sattel. »Während der gute Herr Helderim sein Weib
versorgt, könnt Ihr den Wagen richten, Männer. Und beeilt Euch, wir haben
noch einen Zehnteltag Wegstrecke vor uns.«
Einige der Männer stöhnten auf, während andere nur kaum vernehmlich
murrten.
»Wozu diese Eile, Hoher Herr?«, wandte ein Händlergehilfe ein. »Die
Tiere brauchen ohnehin eine Rast, und wir können sie ebenso gebrauchen.
Der gute Herr Nedeam sagte uns, wir lägen gut in der Zeit.«
»So, sagt er das, der gute Herr Nedeam?«
»Ja, Hoher Herr, das sagt er.« Der Händlergehilfe war nicht bereit, vor
dem Sohn des Pferdefürsten zurückzustecken.
»Wir sollten wirklich eine Rast einlegen oder gar das Nachtlager
aufschlagen.« Der Pferdelord am Wagen sah Garwin eindringlich an. »Wir
werden einen Viertel Zehnteltag benötigen, um das Rad zu wechseln, Hoher
Herr Garwin.«
»Ich habe nicht um Eure Meinung gebeten«, wies Garwin den Mann
zurecht. »Sollte ich Euren Rat benötigen, Schwertmann, dann werde ich es
Euch wissen lassen. Und jetzt beeilt Euch gefälligst, Ihr Händlergehilfen.
Meine Schwertmänner werden mit anpacken, dann geht es schneller.«
Garwin zog sein Pferd herum, und der Wimpelträger und seine Begleiter
folgten ihm, als er zur Spitze der Kolonne zurückritt.
Einer der Gehilfen spuckte aus. »Er hat einen sehr begrenzten Wortschatz,
der Hohe Herr Garwin. Immer nur ›Eilt Euch‹ und ›Schnell‹. Ich habe auf der
ganzen Reise kaum ein freundliches Wort von ihm vernommen. Dabei sind
wir gut vorangekommen und weit vor der Zeit.« Erneut spuckte er, doch
diesmal in die Hände. »Nun denn, lasst uns den Wagen neu berädern.«
»Wir sollten ihn zuvor entladen«, sagte ein anderer. »Dieser wertlose
Plunder wiegt schwer.«
»Willst du ihn erst mühsam abladen und dann wieder aufladen?« Ein
Dritter ging zu dem hinter ihnen wartenden Wagen und kam mit einem
massiven Balken zurück. »Damit heben wir ihn an. Ist ja nicht das erste Mal,
dass ein Rad zerbricht.«
»Und bei der Eile des Hohen Herrn wird es auch nicht das letzte gewesen
sein.« Der Pferdelord schob den Hebel unter den Wagenkasten und prüfte das
Gewicht. »Wenn es so weitergeht, werden uns die Ersatzräder ausgehen. Zwei
Mann noch zu mir, dann können wir den Wagen hochdrücken.«
Helderim fächelte seiner Gunwyn noch immer Luft zu und blickte dabei
trübselig an der Kolonne entlang. Mehrere Hundertlängen maß die Schlange
der Transportwagen, die berittenen Schwertmänner der Vor- und Nachhut
nicht eingerechnet. Dreißig Wagen hatte Helderim aufgeboten, um den
Transport des Goldes durchführen zu können, und einige der Fahrzeuge hatte
er sich ausleihen müssen. Das würde ihn einiges kosten, aber Helderim
versprach sich ein gutes Geschäft davon, denn Garodem hatte ihm eine
Menge Schüsselchen für den Transport des wertlosen Weichmetalls in
Aussicht gestellt. Als Händler war es ihm wohl bewusst, dass sich die
Bedeutung des Goldes wandelte. Auch wenn die meisten Angehörigen des
Pferdevolkes es immer noch für wertlos hielten, würde sich dies bald ändern.
Die goldenen Schüsselchen waren offizielles Zahlungsmittel im Reich Alnoa
und weitaus praktischer als die Umrechnung einer Ware in den Wert einer
anderen. Früher oder später würde auch der König des Pferdevolkes seine
eigenen Schüsselchen schlagen, und dann würde das weiche Metall an
Bedeutung gewinnen.
Doch er war sich nicht sicher, ob sein Entschluss, diese Handelsreise
durchzuführen, richtig gewesen war, denn bislang war sie nur
unverhältnismäßig strapaziös gewesen.
Helderims Wohlstand zeigte sich in seinen reich verzierten Gewändern und
war begründet in seinem Handel. Längst war der schmächtige und rührige
Mann über das Stadium hinaus, in dem er sich mit seinem Geschäft auf
Eternas, die Hauptstadt der Hochmark, beschränkte. Er selbst hätte sich
durchaus damit begnügt, weiterhin seinen kleinen Laden zu führen und
ehrlichen Handel mit den Bewohnern der Stadt und ihren Besuchern zu
treiben. Aber seine Frau, die gute und voluminöse Seele, hatte es verstanden,
ihm die Vorzüge der Handelsreisen nahezubringen.
»Helderim, mein Guter und Bester«, so pflegte Gunwyn dann mit
Nachdruck zu sagen, »dein Name hat Klang in den Marken des Pferdevolkes.
Deine Vergrößerungssteine, die schwachen Augen zu starkem Sehen
verhelfen, und die Qualität deiner Waren haben sich herumgesprochen.
Zudem bist du ein Held, denn schließlich hast du einst den König Reyodem
vor einem mörderischen Grauen Wesen gerettet. Willst du denn, dass ich,
dein aufopferndes und dich liebendes Weib, mich den ganzen Tag in unserem
kleinen Laden quäle? Viele Händler kommen in die Hochmark, und du musst
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