„Es scheint niemand zu Hause zu sein“, meinte sie, als sie vor der Villa ihrer Eltern parkten. „Jedenfalls brennt kein Licht.“
„Soll ich bei dir bleiben, bis sie kommen? Du wirkst bedrückt, vielleicht ist es besser, wenn du nicht alleine bist.“
Chloés Augen leuchteten auf. „Ja, komm mit! Ich hätte wirklich ein ungutes Gefühl, wenn ich allein in dem großen Haus bleiben müsste.“
Schnell schloss sie die Haustür auf und machte Licht. Unverzüglich gingen sie in den ersten Stock, in welchem Chloés Zimmer lag. Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, zog er sie an sich und küsste sie.
Erschrocken fuhr sie zurück, als sie seine kalten Hände spürte. Noch immer spürte sie die Angst vor dem kalten Wasser, als die eisigen Hände sie in die Tiefe zogen.
„Hey! Stopp! Das solltest du gleich lernen, berühre meine nackte Haut niemals mit Eishänden! Das nimmt mir jede Lust und Erregung.“
„Werde ich mir merken, Liebes“, schmunzelte er. „Wie soll ich sie mir denn wärmen?“
„Komm her, du Frosch!“
Sie nahm seine Hände in ihre und rieb sie langsam. Währenddessen beugte sie sich vor und küsste ihn sanft auf den Mund.
„Hm, du schmeckst wundervoll.“
„Nach was denn?“, fragte er neugierig nach.
„Nach mehr, nach viel mehr!“
Henri drückte sie fest an sich. „Ich bin so froh, dass es dich gibt, Liebes. Schon beim Aufwachen freue ich mich darauf, dich zu sehen. Schade, dass wir nicht zusammen einschlafen und gemeinsam aufstehen.“
Chloé antwortete nicht und bedeckte sein Gesicht mit kleinen, verspielten Küssen.
„Nicht mehr reden, Schatz! Küss mich lieber“, bat sie ihn.
Chloé schmiegte sich an ihn. Es war so schön, in seinen Armen zu liegen und gestreichelt zu werden. Am liebsten hätte sie wie eine Katze geschnurrt, so wohl fühlte sie sich bei ihm.
Henri küsste ihre Augen, ihre Nase und ihren Mund und Chloé genoss die wohlige Wärme, die seine Zärtlichkeit in ihr hervorrief.
Ganz behutsam streichelten seine Hände über ihren Rücken, ihre Arme und den Hals. Sich weiter vorzutasten, wagte er noch nicht.
Chloé nahm seine Hand und legte sie sich auf ihren Bauch.
Henri zögerte nur kurz, dann wollte er sich nicht länger zurückhalten. Sanft schob er seine Hand unter ihr Shirt und streichelte ihre nackte Haut. Als seine Fingerspitzen ihren Büstenhalter berührten, erzitterte Chloé erregt. Henri wollte seine Hand zurückziehen, dachte, etwas falsch gemacht zu haben, doch Chloé schüttelte unwillig den Kopf.
„Bleib genau dort“, flüsterte sie ihm zwischen zwei Küssen zu.
Nur zu gern kam Henri ihrer Bitte nach. Plötzlich waren seine Hände überall. Chloé genoss seine Liebkosungen und stöhnte leise. Mit geschlossenen Augen lag sie da und konzentrierte sich auf die herrlichen Schauer, die seine Berührungen in ihrem Körper hervorriefen.
Ich liebe ihn!, schoss es ihr durch den Kopf. Allein der Gedanke machte sie überaus glücklich.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen!
„Oh ... Verzeihung ... ich ...“
Ein Schwall eiskalten Wassers hätte nicht schlimmer sein können. Chloé fuhr hoch, Henri zog seine Hand von ihrem erregten Körper. Im Türrahmen stand Michelle, die drei Jahre ältere Schwester von Chloé. Sie warf ihre langen blonden Haare zurück. Ihre blauen Augen glitzerten belustigt, mit einem leicht hochnäsigen Ausdruck.
„Ich hoffe, ich habe euch nicht erschreckt“, flötete Michelle und man merkte ihr an, dass es ihr nicht im Geringsten peinlich war, ihre jüngere Schwester und deren Freund gestört zu haben.
„Kannst du nicht anklopfen?“, fragte Chloé schroff und schluckte. Sie musste sich räuspern, spürte einen Kloß im Hals. „Immerhin ist dies mein Zimmer, in dem du nichts zu suchen hast!“
Michelle lächelte. Sie war ein sehr attraktives Mädchen mit ebenmäßigen Gesichtszügen, langen blonden Haaren und einem durchtrainierten, schlanken Körper.
„Hätte ich gewusst, was ihr hier treibt, hätte ich sicher nicht deine Tür geöffnet“, erwiderte Michelle. „Wenn ich Menschen beim Sex beobachten möchte, blicke ich in den Spiegel über meinem Bett und spanne nicht bei meiner unerotischen Schwester!“
„Miststück!“, fauchte Chloé. „Außerdem hatten wir keinen Sex!“
„Dachte ich mir bereits“, sprach Michelle weiter, „dafür bist du sicher auch zu doof!“
„Blöde Kuh!“
„Fettarsch!“
„Also bitte“, unterbrach Henri die beiden Schwestern. „Jetzt ist es aber wieder gut.“
„Und was bist du für einer?“, fragte Michelle und ließ ihre abschätzenden Blicke über Henri gleiten.
„Ähh ... ich bin Henri.“
„Doch nicht etwa Cedrics kleiner Bruder?“, fragte sie und zog ihre Augen zu schmalen Schlitzen.
„Doch.“
Michelle drehte ihren Kopf und funkelte Chloé an. „Du bist mit einem der Vogt-Jungs zusammen.“
„Klar, warst du doch auch, wie ich hörte“, antwortete Chloé.
„Cedric ist ein Arsch!“
„Hey, mal langsam“, fauchte Henri. „Du sprichst über meinen Bruder.“
Michelle versuchte, sich innerlich zu beruhigen. „Was macht Cedric?“
„Er studiert an der LMU in München.“
„Ist er noch mit dieser Ziege Laura zusammen?“
„Ja.“
„Laura ist keine Ziege“, warf Chloé ein. „Ich mag sie.“
„Das glaube ich gerne“, sagte Michelle bissig. „Du hast ja deinen schlechten Geschmack bereits bewiesen.“
„Miststück!“
„Fettarsch!“
„Jetzt reicht es aber!“, donnerte Henri.
„Ist mir auch zu blöd, mit Kindern zu diskutieren“, meinte Michelle. „Macht da weiter, wo ihr begonnen habt, auch wenn ich wenig Aussicht auf Erfolg sehe.“ Sie drehte sich um, donnerte die Tür von Chloés Zimmer zu und verschwand ebenso schnell, wie sie erschienen war.
„Es tut mir leid, Henri.“
„Man kann sich seine Familie doch nicht aussuchen.“
Der ganze Reiz des Augenblicks, die beginnende Erotik, alles war verschwunden. Michelle hatte es geschafft, ihrer Schwester den Nachmittag zu verderben.
Am nächsten Nachmittag bekam sie Besuch von Anna, die sich mit Chloé dringend unterhalten wollte. Sie hatte etwas auf dem Herzen und benötigte den Rat einer Freundin. Da sie allein im Haus waren, lümmelten sie sich auf die bequeme Ledercouch im Wohnzimmer. Chloé servierte kalten Eistee und Schokolade. Henri war noch im Fußballtraining und würde später vorbeikommen.
„Wie heißt er denn?“, fragte Chloé und musste innerlich lächeln. Sie kannte Anna zu gut und wusste, was ihr auf dem Herzen lag.
„Woher weißt du?“, stammelte Anna verwundert.
„Nun sag schon, wie heißt er denn?“
„Ich weiß es nicht“, antwortete Anna.
„Warum weißt du seinen Namen nicht? Woher kennst du ihn?“
„Das ist ja das Problem, ich kenne ihn gar nicht.“
„Das verstehe ich jetzt nicht“, meinte Chloé.
„Ich war gestern mit Lisa im Backstage und da stand er an der Bar.“
Vor Kurzem hatte in Germering eine neue Disko eröffnet. Sie war bereits nach wenigen Tagen zum Treffpunkt der jungen Menschen geworden. Das „Backstage“ wurde zu einem Magneten im Großraum München.
„Hast du mit ihm gesprochen?“
„Nein, eben nicht. Ich habe ihn ständig angeblickt und ermuntert, mich anzusprechen. Aber er tat es nicht! Entweder ist er schüchtern oder er hat eine feste Beziehung“, antwortete Anna.
„Vielleicht bist du auch nicht sein Typ“, erklärte Chloé. „Schon einmal über die Möglichkeit nachgedacht?“
„Natürlich nicht! So ein Fall existiert nicht im Anna-Universum!“
Die beiden Mädchen mussten herzlich lachen. Anna besaß ein natürliches Selbstbewusstsein, das durch nichts und niemanden zu erschüttern war.
Читать дальше