Caro Dabadt
Ich bin Anna
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Inhaltsverzeichnis
Titel Caro Dabadt Ich bin Anna Dieses ebook wurde erstellt bei
Eine Freundin zum Anfassen
Um meinetwillen
Tag 1 – Aller Anfang ist schwer
Der verpatzte Geburtstag
Die böse Schwiegermutter
Wellness à la Anna
Frühstück mit Caro
Endlich bei mir
Impressum neobooks
Eine Freundin zum Anfassen
„ Ich brauche meine Grenzen nicht auszutesten, um zu wissen, dass sie existieren.“
„Sag Anna, kann ich dich mal was Persönliches fragen?“
Etwas unsicher sah ich Caro mir gegenüber an. Ich konnte mich nicht erinnern, dass wir jemals unpersönliche Informationen miteinander ausgetauscht hatten. Es war spät und ich war müde. Bevor ich ihr eine Antwort gab, sah ich verstohlen auf die Uhr. Es war bereits drei Minuten nach elf. In spätestens siebenundzwanzig Minuten würde ich einschlafen. Time-out. Mein Körper würde in sich zusammensacken und mein Kopf müsste ungebremst auf den Bartresen knallen, wenn Caro nicht Barmherzigkeit zeigte und mich in exakt fünfzehn Minuten entließ. In mein gemütliches, heimeliges Leben, das mich seit einiger Zeit teilweise selbst irrsinnig langweilte.
Meinem Körper und Gehirn waren zu diesem Zeitpunkt nämlich egal, dass wir an diesem Freitagabend in einer mittelmäßig gefüllten Bar abhingen, die sich durch einen DJ mit gewöhnungsbedürftigem Musikgeschmack kennzeichnete. Wir befanden uns in einer Après-Ski Bar – weitere Fragen?
Wir wussten, dass es Freitag in den Bars und Lokalen ruhig wäre, weil ja Urlauberwechsel war. Das heißt am nächsten Tag würden die Gäste, die seit einer oder zwei Wochen in Kleinberg oder Wagenham residiert hatten, nach Hause fahren. Und das war meist weit weg. In unserer Gegend urlauben nämlich viele Deutsche. Die aus dem Norden. Wo es selten Schnee und viel seltener – meist nie – Berge gibt. Außer Müllberge – die hat ja jeder, oder? Und für eine zehn- bis dreizehnstündige Autofahrt nach sieben oder vierzehn Tagen Skifahren und/oder Wet-T-Shirt Partys, mussten sogar die leistungsfähigsten Deutschen noch etwas Schlaf und Kraft tanken. Die Duracel-getunten Hochmotivierten allerdings, die waren wahrscheinlich um diese Zeit schon bei München vorbei und Richtung Heimat unterwegs.
Warum in Après-Ski Bars immer schlechte Musik gespielt wird? Ich denke, das liegt zuerst mal daran, dass die Besitzer von Skihütten und derartigen Vergnügungs-Musik-und-Getränke-Schenken aus dem Ort sind. Das heißt sie kommen aus dem Tal oder vom Berg – in jedem Fall vom Land und nicht weit her. Ich habe beobachtet, dass die meisten Landmenschen ihre nächste Umgebung und die Natur lieben. Was ja an sich in Ordnung ist. Deswegen – so vermute ich – zieht es sie nicht unbedingt in die große weite Welt. Was bedingt, dass sie aus ihrem Tal, von ihrem Berggipfel oder der ländlichen Gegend, in die sie hineingeboren wurden – wahrscheinlich mittels Hausgeburt, oh Schreck! - selten bis nie rauskommen.
Das heißt sie kennen nur ihr Umfeld und die Einflüsse, die es über den Berg oder eine natürliche Talsperre mit engen Kurven, unübersichtlichen Engpässen und einem unerwarteten Almabtrieb, der die gesamte Straße für mindestens zwanzig Minuten blockiert, geschafft haben. Und die Brieftaube bringt ja nicht das neueste Album von Mary J. Blidge. Ich weiß, das ist jetzt etwas übertrieben, denn selbst die Kleinberger kennen Internet und W-LAN und die Straßen sind gut geräumt und befahrbar. Auch, nein besonders im Winter. Aber trotzdem.
Aber trotzdem ist es wahr, dass die Gebirgs-und Talmenschen ihre eigene Musik haben. Wahrscheinlich durch die Natur inspiriert. Ihre Instrumente sind die Harfe, das Hackbrett, die Zitter und natürlich die Quetschen, wie man hierzulande sagt. Die Ziehharmonika also. Ein schwieriges Instrument! Von den unterschiedlichsten Musikkapelleparaden im Ort kenne ich also den Rhythmus. Hum-ta-ta nennen wir das. Und wenn man mal ganz genau hinhört, findet sich dieser simple, marschierende Rhythmus sehr oft in den österreichischen/deutschen Après-Ski-Party-Songs. Die kann man kaufen. In gewöhnlichen Geschäften, die bei Tageslicht geöffnet haben. Völlig legal. Ganze Alben voller Wahnsinn! Ob sie in den französischen Alpen genauso grässliche Hüttenschlager spielen? Ich weiß es nicht und will es nie erfahren.
Es gibt natürlich Ausnahmen. „Hey Baby“ vom österreichischen Star-Winterspass-DJ folgt da eher dem Bierzelt Groove, wo sich alle umarmen und miteinander schunkeln – sich wiegen -, damit sie nicht von den rutschigen, bierdurchnässten Tischen fallen, um schlussendlich doch kopfüber und alle zusammen in der feuchten Erde, dem sogenannten Gatsch zu landen, weil es wieder Mal tagelang geregnet hat und sich der hartgesottene Bierzelt-Fan dadurch sicher nicht vom Feiern abhalten lässt.
Ich denke, das alles ist ein Irrtum. Nicht alle Österreicher finden DJ Ötzi gut – so wie ich hoffe, dass auch nicht alle Deutschen Helene Fischer lieben. Ja, Helene Fischer ist wirklich hübsch und echt heiß. Scharfe Braut – keine Frage. Und sie hat eine schöne Stimme! Warum wurde sie nicht Kindergartentante? Die singen auch den halben Tag und haben jobmäßig gute Laune. Kinder würden Helene Fischer mit ihrem wunderschönen Lächeln und den herrlichen blonden Haaren lieben. Sie ist die perfekte Prinzessin! Aber als Kinderfachkraft verdient man natürlich so gut wie gar nichts. Anders Helene Fischer und DJ Ötzi. Die füllen Hallen. Da rollt der Rubel. Davon lässt sich’s natürlich gut leben. Verstehe ich eh. Aber ehrlich: die Musik, die Melodie, die Texte…. Brrh! Komm, das kann nicht euer Ernst sein!
Und was dann noch dazu kommt: die DJs in solchen Kneipen verdienen sicher nicht bombig. Sprich: wie in allen wirtschaftlichen Bereichen, findet man für Hungerlöhne nicht die Begabtesten und die Motiviertesten. Und wenn der Boss des besagten Lokals schon keinen besonders guten Musikgeschmack hat, weil ihm schlichtweg die Kenntnis guter Housemusik fehlt, wie soll er dann einen guten von einem schlechten Song-Zusammen-Steller unterscheiden? Das ist die Lösung.
Denn ich denke, es war genauso: irgendwann als die ersten deutschen Winterurlauber zu uns nach Österreich kamen, war da mal ein DJ, ganz tief drinnen im Wald hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen. Er spielte die Musik, die ihm gefiel. Sie war grässlich, aber ländlich und das war ihm vertraut und deswegen sehr angenehm. Die Urlauber aber, die wollten ihren Spaß haben. Sie arbeiteten das ganze Jahr hart für diese eine oder gar zwei Entspannungs- und Erlebniswochen. Sollten sie sich also von diesem Musikgestalter die Laune verderben lassen? Natürlich nicht. Und mit der Zeit passierte es so, wie alle NLP Spezialisten prophezeien. Der Anker war gesetzt. Das wohlige, entspannte Gefühl, verursacht durch die frische Luft und die Bewegung, deftiges Essen wie z.B. warmer Leberkäse mit Pommes und Germknödel (lecker!), heiße Urlaubsflirts, lange Nächte voller Alkohol und Sex waren untrennbar mit dieser Musik verbunden.
Wenn sich der Deutsche nun an den – ach so herrlichen – Winterurlaub in Österreich erinnern möchte, tut er was? Er hört Skihütten-Songs! Wie sonst ist zu erklären, dass es diese primitiven Lieder bis in die Clubs in Hamburg geschafft haben. Es kann keine andere Erklärung geben.
In dem Moment, als ich über Caros nahende Frage sinnierte, spielte der Musikexperte hinter seinem Pult, welches ihm mitunter als Schutz dienen könnte, eine Nummer von Udo Jürgens. Wieder so ein Irrsinn! An Tanzen war bei diesen Klängen ernsthaft nicht zu denken! Und dabei hätte ich meinen Körper gerne mal wieder zu mich ergreifender Musik gewiegt. Vor Jahren noch – zehn um genauer zu sein – konnte ich „abshaken“ (früher nannte man das so) solange ich wollte. Stimmte die Mucke, war ich nicht zu bremsen. Wollte ich tanzen, tanzte ich ohne Ende. Stundenlang. Bis ins Morgenrot.
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