Alessandro saß zu Hause am Küchentisch und grübelte seit Tagen. Er wusste nicht, was er tun sollte. Wie konnte es nur geschehen, dass Sophia alles erfahren hatte? Warum musste ausgerechnet jetzt diese Frau im Reisebüro auftauchen und ihr alles erzählen? Wieso war er zu feige und hatte es ihr nicht schon längst erzählt?
Er grübelte.
Hätte ich doch nur nicht diesen blöden Abschiedszettel geschrieben, sondern hätte gewartet, bis sie nach Hause kommt. Vielleicht hätte ich es ihr erklären können und sie hätte mich verstanden.
Ziemlich unwahrscheinlich, aber es wäre einen Versuch wert gewesen. Ich mache mir solche Vorwürfe. Wenn ich nur wüsste, wo sie jetzt genau ist. Sie wird sicherlich wieder zurück sein aus Sizilien. Eine Woche wollte sie nur bleiben.
Wenn ich mich richtig erinnere, wollte sie dann gleich noch vier Wochen Urlaub machen irgendwo in der Ferne. Wenn ich wüsste, wo. Darüber kann ich mit Maria aber nicht sprechen. Sie würde es nicht verstehen.
Sie würde ausrasten. Immer ist sie ganz außer sich, wenn wir über Sophia sprechen. Aber etwas muss ich doch tun. Ich halte es keine vier Wochen aus und kann nichts, aber auch gar nichts tun. Das kriege ich nicht hin. Irgendetwas muss ich tun. Was mache ich nur?
Ich habe auch schon überlegt, ob ich ein paar Tage nach Sizilien reise, um mit Sophias Eltern zu sprechen. Vielleicht können sie mir sagen, wo sie ist und ob es Sinn macht, mit ihr zu sprechen. Ich muss wissen, wo sie ist.
Wie soll ich Maria erklären, dass ich ein paar Tage nicht da bin? Ich habe keine Ahnung. Belügen möchte ich sie auch nicht. Ich muss mit ihr reden.
In den nächsten Tagen habe ich keine Vorstellung und in zwei Wochen habe ich wieder eine Woche frei. Vielleicht kann ich jetzt ein paar Tage nach Sizilien fahren, um alles zu klären und ihre Familie um Rat zu fragen.
Nachdenklich zog er sein Handy aus der Tasche, starrte auf das Display und fing an, Maria eine Nachricht zu schreiben. Sie wird mich in der Luft zerreißen, aber ich muss es tun.
Er schrieb:
Hallo mein Schatz,
geht es dir besser? Ich muss dringend die uns so beschäftigende und zermürbende Angelegenheit aus der Welt schaffen. Sei mir nicht böse, ich lasse dich für zwei, drei Tage allein. Ich muss mit Sophias Familie sprechen. Ich muss wissen, wo ich sie finden kann.
Ich weiß, dass du das vielleicht nicht verstehst, aber ich muss das tun. Wir finden vorher keine Ruhe. Wir sehen uns in ein paar Tagen.
Kuss, Alessandro
Wenige Sekunden später summte Marias Handy. Sie hatte sich gerade wieder etwas gefangen und erholte sich von der Übelkeit von heute Morgen, als sie die Zeilen las.
Sie konnte gar nicht glauben, was er ihr schrieb. Augenblicklich versuchte sie, Alessandro auf seinem Telefon zu erreichen. Es klingelte.
Er bemerkte das Klingeln, schaute kurz auf das Display und wartete, bis sie auflegte.
»Was ist denn los?«, wollte Paolo wissen, als er in ihr blasses, verstörtes Gesicht sah.
»Ach nichts. Ich habe einfach keine Kraft mehr. Mir geht es nicht gut und jetzt auch noch das«, erwiderte sie.
»Kann ich dir irgendwie helfen?«, fragte Paolo.
»Nein, da muss ich alleine durch. Manchmal frage ich mich, ob das alles überhaupt noch einen Sinn macht«, erwiderte sie.
»Ich werde aus dir nicht schlau«, sagte Paolo.
»Egal, es ist nicht so wichtig. Lass uns den Kaffee genießen. Ich kann es sowieso nicht ändern, auch wenn es mich wahnsinnig wütend macht«, versuchte sie abzulenken.
Alessandro packte ein paar Dinge zusammen und machte sich auf den Weg zum Flughafen.
Dort angekommen, kaufte er auch ein Flugticket für die nächste Maschine nach Palermo. In ein paar Stunden, heute Mittag, sollte es endlich soweit sein.
Am Nachmittag bekomme ich dann endlich Antworten auf meine Fragen, wo ich Sophia finden kann.
Maria ist bestimmt stinksauer auf mich. Aus ihrer Sicht ist sie das mit Recht. Aber es ist selbstverständlich, dass wir die Dinge bereinigen wollen. Wobei ich noch nicht einmal genau weiß, ob sie es überhaupt bereinigen will, ob sie mir überhaupt zuhören wird, wenn ich mit ihr reden möchte.
Da bin ich mir seit meiner Nachricht neulich gar nicht mehr so sicher. Sie hat nicht geantwortet, nicht mal eine Bemerkung gemacht – nichts.
Ich weiß nicht einmal, was Sophia mit ihrer Familie besprochen hat, ob sie überhaupt ein gutes Haar an mir gelassen hat. Vielleicht wollen sie auch nicht mit mir reden.
Vielleicht ist die Reise dorthin umsonst, aber ich muss es versuchen. Ich empfinde noch sehr viel für Sophia. Gerade jetzt in diesen Tagen bemerke ich, dass ich sie eigentlich doch mehr mag als Maria. Uns verbindet einfach viel mehr miteinander. Ich versuch, diesen Gedanken so gut es geht zu verdrängen.
Wie konnte ich uns nur in so eine Situation bringen? Sie wird nie wieder ein Wort mit mir sprechen, wenn ich das nicht bald klären kann. Sie kann so furchtbar stur sein.
Alessandro verließ den Flughafen und ging ins nächstgelegene Restaurant, um dort die Wartezeit zu überbrücken, bis er einchecken konnte. Er konnte es kaum erwarten, endlich in Mondello einzutreffen.
Maria, die immer noch außer sich vor Wut war und nicht wusste, wie sie am besten damit umgehen sollte, war drauf und dran, ihn wieder zu beschimpfen, nachdem sie ihn am Telefon nicht erreichen konnte.
Doch sie schrieb ihm nur die folgenden Zeilen und schickte die Nachricht ab.
Wie kannst du mir das nur antun Alessandro?
Sie war einfach enttäuscht und fühlte sich wieder einmal im Stich gelassen und bestärkt in ihrer Annahme, dass er es vielleicht gar nicht wirklich ernst mit ihr meinte. Sie war traurig und noch dazu fühlte sie sich schrecklich.
Paolo versuchte, sie zu trösten.
»Ich sehe doch, dass dich etwas bedrückt. Ich würde mich freuen, wenn wir heute nach Feierabend etwas gemeinsam unternehmen. Gerne möchte ich mit dir ausgehen, Maria, um dich auf andere Gedanken zu bringen«, sagte Paolo.
Maria überlegte kurz.
Warum eigentlich nicht. Bevor ich mich die nächsten Tage noch mehr hängen lasse, kann ich die Zeit auch mit angenehmen Dingen überbrücken.
»Okay, aber ich bin bestimmt keine gute Gesellschaft. Also nicht beleidigt sein, wenn meine Laune nicht immer die beste ist«, sagte sie.
»Kein Problem«, erwiderte Paolo und freute sich, dass es ihm gelungen war, sie für einen gemeinsamen Abend zu gewinnen.
»Ich überlege mir etwas Schönes. Dann kommst du auf andere Gedanken«, sagte Paolo.
»Okay – wenn du unbedingt willst«, erwiderte Maria.
»Hast du eigentlich die Blumen schon gesehen, die ich dir auf deinen Tisch gestellt habe?«, fragte er.
»Ja, ach die sind für mich?«, fragte Maria überrascht.
»Ja, für wen denn sonst?«, lächelte Paolo.
»Ich dachte so ganz allgemein für unser Büro«, erwiderte Maria verlegen. »Die sind hübsch«, freute sie sich. Schon lange nicht mehr hatte ihr ein Mann Blumen geschenkt. Sie freute sich über diese Aufmerksamkeit.
Warum hat mir eigentlich Alessandro noch nie Blumen geschenkt? Sophia hat er bestimmt öfter welche mitgebracht. Wieso macht er das bei mir nicht? Manchmal frage ich mich, ob er nur ein Dach über dem Kopf braucht oder ob er mich wirklich liebt. Er versteht mich überhaupt nicht.
Als Alessandro das Restaurant am späten Vormittag wieder verließ, schaute er noch einmal auf sein Handy und fand die Nachricht von Maria.
Schade, dass sie mich nicht versteht. Aber ich muss das hier tun. Enttäuscht steckte er sein Handy wieder ein und begab sich auf den Weg zum Flughafen.
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