Maria blieb nichts weiter übrig, als ihr hinterherzuschauen und ihr Gespräch, das sie mit ihr hatte führen wollen, auf später zu vertagen.
Leicht frustriert und verärgert warf Maria ihre Handtasche auf den Schreibtisch und hatte keine Lust mehr, den Nachmittag im Reisebüro zu verbringen.
Sie fragte sich die ganze Zeit, wofür sie sich so beeilt hatte. Sie fühlte sich ignoriert, wie zuvor auch schon von Alessandro. Sie war gekränkt.
Die letzten drei Wochen waren wie im Fluge vergangen. Morgen ging es nun tatsächlich los. Die Wartezeit auf den Urlaub kam ihr unendlich lange vor. Sie konnte es gar nicht mehr abwarten, endlich in die Sonne zu fliegen und an den schneeweißen Stränden zu liegen und ihre Füße in das glasklare türkisblaue Wasser zu halten.
Sie freute sich sehr, ihre Familie endlich wiederzusehen. Viel Zeit war vergangen, dass sie sie das letzte Mal besucht hatte.
Gestern hatte sie mit Alisa, ihrer Mutter, telefoniert. Sie freute sich und war mindestens genauso aufgeregt wie Sophia, dass sie morgen nach Hause kommen sollte.
Sophias Koffer waren gepackt und dann konnte es losgehen. Die Papiere waren vollständig, die sie noch brauchte, und ihre Tickets waren auch schon da. Es konnte also gar nichts mehr schiefgehen.
Unterdessen war Maria immer noch gereizt und ihre Nervosität ließ ebenfalls nicht nach, so wie sie es gehofft hatte.
Warum kann ich ihr nicht einfach sagen, dass Alessandro und ich jetzt ein Paar sind? Ich würde es am liebsten geradezu herausplatzen lassen. Es belastet mich so sehr, dass ich es für mich behalten muss.
Ich kann unser Glück dadurch gar nicht richtig genießen. Warum ist immer alles kompliziert? Es könnte so schön einfach sein. Aber ich habe es Alessandro versprochen, nichts zu sagen – noch nicht.
Es sind nur noch ein paar Wochen. Das werde ich schon überstehen. Dann sagen wir es ihr endlich – hoffentlich. Ich behalte es nur ungern noch länger für mich. Ich finde es nicht richtig, dass ich es ihr nicht sagen kann.
Irgendwie ist das so, als würde ich sie belügen. Es geht mir nicht gut damit. Sie ist doch meine Freundin. Warum sitze ich immer zwischen den Stühlen? Es ist aber auch wie verhext. Egal, wie ich mich entscheide, irgendjemandem tue ich weh.
»Was grübelst du schon wieder, Maria? Du siehst so nachdenklich aus.«
»Ja, morgen ist es nun schon so weit und dann bist du so lange nicht hier. Ich werde dich vermissen.«
»Ich werde dich auch vermissen. Aber ich werde die Erholung genießen und ich freue mich schon sehr auf alle neuen Eindrücke, die mich erwarten. Ich bin aufgeregt wie ein kleines Mädchen.«
»Das merke ich«, sagte Maria genervter, als sie eigentlich wollte.
»Ach Maria, alte Spaßbremse. Du kannst mir die Reise nicht vermiesen, egal, wie viel Mühe du dir gibst«, neckte Sophia lachend.
»Ist schon gut, hab ich auch gar nicht vor. Ich freue mich, wenn du wieder da bist. Na ja, und die Zeit mit Paolo … da muss ich eben durch.«
»Ach, du und dein Problem mit Paolo. Was ist eigentlich los mit euch? Ist irgendetwas vorgefallen, warum du so komisch bist?«
»Nein, schon gut. Ich hab ihn einfach nicht gerne in meiner Nähe. Er ist eben nicht wie du.«
»Ah … soso. Geht auch schlecht«, scherzte Sophia.
»Hallo Signora Rossi«, begrüßte Sophia eine Stammkundin, die gerade das kleine Reisebüro betrat.
»Hallo Sophia. Wir haben uns schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Ich möchte mit meinen Enkeln in die Ferien fahren.«
»Sophia, ich gehe schnell zur Bank. Ich bin gleich zurück.«
»Ja, ist gut, Maria. Bis gleich. Na dann wollen wir mal, Signora Rossi. Wo soll es denn hingehen? Haben Sie schon eine genaue Vorstellung?«
»Ach Kindchen. Ich weiß nicht recht. Vielleicht nach Griechenland, Santorin. Da wollten wir immer schon mal hin. Nur leider hat es im letzten Jahr nicht so recht geklappt. Da musste mein Sohn kurzfristig für jemanden einspringen, der einen Unfall hatte, und dann konnte die ganze Familie keinen Urlaub machen. Da sind sie zu Hause geblieben, denn meine Schwiegertochter konnte ihren Urlaub nicht mehr verschieben.«
»Oh, das ist ärgerlich. Ich fahre morgen für eine Weile in den Urlaub.«
»Toll, wo geht es denn hin, wenn ich fragen darf?«
»Ach, zuerst besuche ich meine Familie und dann fliege ich in die Karibik. Ein bisschen Ruhe und Erholung kann ich gut gebrauchen.«
»Das kann ich verstehen. Ist nicht einfach, wenn die beste Freundin mit dem eigenen Partner durchbrennt, was?«
Sophia blieb der Mund offen stehen.
Die Antwort traf sie wie ein Schlag.
Sie war sichtlich geschockt.
»Wie … mit dem eigenen Partner? Was meinen Sie?«, stammelte sie.
»Oh mein Gott, nein. Du hast keine Ahnung? Die Spatzen pfeifen es schon von den Dächern. Oh weh, das wollte ich nicht. Ich dachte, du weißt, dass Maria mit Alessandro zusammen ist. Er wohnt bei ihr schon eine ganze Weile.«
»Nein, Signora Rossi, das wusste ich nicht. Aber das erklärt, warum Maria so komisch zu mir ist. Jetzt wird mir alles klar. Sie ist total anders als sonst, sie hat nicht mehr so viel Zeit für mich wie früher und auch sonst ist sie sehr verschlossen. Wie konnte ich nur so dumm sein und das nicht merken!«
Sophia wurde heiß und kalt, hatte sie richtig gehört. Sie wusste nicht, was sie denken sollte? Noch immer rang sie um Fassung.
»Ach Kindchen, alles wird gut. Du wirst sehen. Er war nicht der Richtige für dich. Du bist eine hübsche junge Frau. Der Richtige ist bestimmt schon ganz nah, glaub mir. Es wird nicht mehr lange dauern und du bist über ihn hinweg. Er war nicht gut für dich. Für Maria scheint er auch nicht gut zu sein, denn sonst würde sie anders durch die Gegend laufen. Sie strahlt überhaupt nicht. Sie ist irgendwie fahrig. Findest du nicht?«
»Ich weiß nicht, ich weiß nur, dass ich hier weg muss, bevor mir schlecht wird. Das ist zu viel für mich. Alles wiederholt sich irgendwie. Ich habe einfach keine Kraft mehr. Wie viel Schmerz kann ein Mensch ertragen, bevor er zusammenbricht? Nun auch noch dieser heimtückische Verrat. Sie ist meine beste Freundin. Wann ist das denn passiert? Oh Gott.«
»Beruhige dich, Sophia. Ach, hätte ich dir doch nur nichts gesagt. Vielleicht wäre es besser gewesen. Aber ich wusste nicht …«
Signora Rossi rang nach Worten.
»Nein, Sie können nichts dafür, Signora Rossi. Ich bin Ihnen dankbar, dass ich jetzt die Wahrheit kenne, dass Sie mir die Augen geöffnet haben. Ich hätte es sonst wohl noch lange nicht erfahren. Die Frage ist nur, wie soll ich damit umgehen.«
»Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird, Sophia.«
Signora Rossi redete weiter, ob Sophia das hören wollte oder nicht: »Was gehen will, das geht. Was bleiben will, bleibt, ohne es festhalten zu müssen. Liebe findet immer einen Weg – immer. Das kannst du mir glauben. Ich könnte dir Geschichten erzählen«, lachte die alte Dame und versuchte Sophia zu beruhigen.
Sophia lächelte müde.
»Signora Rossi, schauen Sie mal, hier habe ich etwas für Sie und Ihre Enkel gefunden. Ein schönes Familienhotel für zwei Wochen, all-inclusive zum absoluten Sparpreis. Wie finden Sie das? Ich schaue gleich mal, ob noch Flüge frei sind. Wann kann es denn losgehen?«
»Von mir aus sofort. Also das ist egal, in den nächsten Tagen und für zwei Wochen.«
»Okay, ich schau mal, ob wir da noch Glück haben und einen Flug finden.«
Sophia brauchte wenige Minuten, bis sie eine Fluggesellschaft gefunden hatte, die noch drei Plätze zum angegebenen Zeitpunkt zur Verfügung hatte.
»Darf ich das so für Sie buchen, Signora Rossi? Am Samstag geht es los. Um 04.40 Uhr geht der Flieger nach Kreta. Vierzehn Tage, all-inclusive im Vier-Sterne-Hotel Garden Beach.«
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