2. Die Erhaltung der Beweglichkeit der Gelenke ist auch ein Ergebnis ständiger Gymnastik und regelmäßigen Lauftrainings. Zweifellos können die im Alter nicht mehr so stabilen Gelenkfunktionen durch Überlastungen auch schnell überfordert werden. Bei mir geschah das langfristig in einem solchen Umfang, daß ich bei belastenden Bergabläufen, wie sie extrem beim Harzgebirgslauf auftreten, mit Kniegelenkschmerzen leben musste und ich deshalb schon seit Jahren nicht mehr an diesem ansonsten wunderschönen Lauf teilhaben kann.
Diesen Gelenkbeschwerden versuchte ich durch das Tragen von Kniebandagen zu begegnen. Zunächst hatte ich den Eindruck, daß mir das zu helfen schien, weil ja das Kniegelenk durch die Bandage gestützt wurde. Aber dem entgegen verspürte ich sehr bald, daß die Durchblutung der Beinmuskulatur darunter litt. Eine ähnliche Erfahrung machte ich mit orthopädischen Einlagen im Schuhwerk, die ich trug, weil ich Senkfüße habe. Auch diese Einlagen ließ ich schnell wieder beiseite, so daß ich unbeschwert von derartigen Hilfsmitteln mein Training weiter betrieb, und das mit Erfolg.
3. Ein körperliches Ergebnis des beharrlichen Lauftrainings ist die Koordination unterschiedlicher Körperfunktionen. Ich empfand, daß die Atmung, die zu Beginn eines Laufes intensiver wird, sich im Laufe der Zeit immer schneller auf ein während des Laufes zwar gehobenes, aber relativ ruhiges Niveau einstellte. Vor allen Dingen aber nach dem Lauf sank dieses gehobene Atemniveau sehr schnell auf mein „Ruheniveau“ herab. Das gleiche läßt sich bei der Herzfrequenz feststellen. Eine zu Laufbeginn schnelle Einstellung auf die erhöhten Forderungen an das Herz-Kreislaufsystem geht einher mit der ebenfalls schnellen Normalisierung nach dem Lauf. Bereits nach etwa fünf Minuten ist bei mir der normale Arbeitspulsschlag erreicht. Auch alle damit im Zusammenhang stehenden Organfunktionen (Kreislauf, Atmung) sind in Übereinstimmung miteinander auf Ruheniveau zurückgekehrt.
4.Die geistige Regsamkeit wird durch das Ausdauertraining gefördert. So wie die Sauerstoffversorgung des Körpers auf die Bewältigung der höheren körperlichen Anstrengungen eingestellt wird, so ist das Gehirn gleichzeitiger Nutznießer der erhöhten Sauerstoffversorgung, weil es umfassender durchblutet wird.
In die Anfangsphase meines systematischen Trainings fiel auch die Ausarbeitung meiner Dissertationsschrift. Ich sagte damals immer, die Doktorarbeit habe ich im Wald geschrieben. Tatsächlich hatte ich während meiner Läufe Zeit und Gelegenheit, aber auch die geistige Kraft, mich mit inhaltlichen Fragen dieser wissenschaftlichen Arbeit auseinander zu setzen. Nach Hause zurückgekehrt, ging es unmittelbar an die Auswertung der gesammelten Erkenntnisse und der aufgetretenen Ideen. Also es ist etwas daran, wenn man sagt, die besten Gedanken hat man während des Laufes.
Nach dieser hier geschilderten Periode bis zur Erreichung meiner (relativen) Leistungsgrenze vertrat ich die Auffassung, keine generelle Steigerung meines Ausdauerverhaltens und der dazu erforderlichen Körperfunktionen mehr erreichen zu können. In dieser beschriebenen länger andauernden Periode der Stabilisierung meiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten konnte ich jedoch unter Beweis stellen, dass der biologische Alterungsprozess, bezogen auf die durch Lauftraining geförderten Eigenschaften, wesentlich vermindert wird. Das zeigt sich nachdrücklich an der Stabilität der Ergebnisse über Jahre hinaus. (In diesem Zusammenhang denke ich immer an einen etwas makaberen Spruch: „Läufer leben nicht länger, aber sie sterben gesünder“).
Der Trend dieser Entwicklung meiner bei den einzelnen Rennsteigläufen vergleichbaren Laufzeiten zeigt eindeutig, daß ich meine Leistungen über Jahre hinaus nicht nur aufrecht erhalten konnte, sondern sogar eine Leistungssteigerung über diese Jahre hinweg erreicht habe. Bemerkenswert ist die relativ hohe Laufleistung in den Jahren 1994 bis 1996, obwohl ich in diesen Jahren gegenüber den leistungsstarken Jahren 1983 bis 1988 um ein Jahrzehnt von Ende der 50iger auf Ende der 60iger Jahre gealtert bin. Interessant ist die Betrachtung des meines Laufergebnisses beim Rennsteig-Marathon des Jahres 1996. Hier sollte man um die außergewöhnlich harten äußeren Bedingungen dieses Laufes wissen. Noch nie zuvor waren einzelne Streckenabschnitte durch die tagelang vorausgegangenen starken Regenfälle so weit aufgeweicht wie in diesem Jahr. Außerdem sorgten umfangreiche Regen- und Hagelschauer während des Laufes selbst für eine langsame Strecke. Wenn ich dennoch eine Zeit um 5:25 gelaufen bin, ist das für mich ein Beweis dafür, daß sich mein Leistungsniveau gegenüber den Vorjahren nicht vermindert hatte, sondern mindestens stabil geblieben ist. Aus dieser Betrachtung möchte ich die Ergebnisse der noch folgenden Teilnahmen am Rennsteigmarathon ausklammern, da mit einem Alter von 70 und mehr Lebensjahren die Laufleistungen zwangsläufig nachlassen, obwohl ich noch bis zu meinem 83. Lebensjahr am Rennsteiglauf (in den letzten Jahren „nur“ noch am Halbmarathon von Oberhof nach Schmiedefeld) teilnahm.
Mit Nachdruck möchte ich besonders die älteren Läufer darauf hinweisen, daß mit zunehmendem Alter zur Aufrechterhaltung eines einmal erreichten läuferischen Niveaus ein immer höherer Trainingsumfang und mindestens gleichbleibende Trainingsintensität erforderlich ist.
Ein weiteres Kriterium der Aufrechterhaltung meines körperlichen Leistungsvermögens sind die medizinischen Befunde der Herz- Kreislauftätigkeit.
Seit meinem 50. Lebensjahr unterziehe ich mich jährlich einem Belastungs-EKG, einer Maßnahme, die ich jedem älteren Läufer, ob er beginnen will mit dem Lauf, ob er bereits Einsteiger oder gar alter „Hase„ ist, dringend ans Herz lege. Wenn ich heute die Befunde mit denen von vor 22 bis 25 Jahren vergleiche, kann ich als Laie keine leistungsabfallenden Tendenzen feststellen.
Was die Gelenkfunktionen betrifft, muss ich sagen, daß die oben geschilderten Beschwerden im Laufe der Jahre nachgelassen haben und heute, mindestens bei vernünftiger Belastung, kaum noch zu verzeichnen sind. Das spüre ich besonders, seitdem ich mich während einer Kur im Sommer 1996 der im folgenden beschriebenen Behandlung unterzog, die nach meiner Ansicht frappierende Ergebnisse zeigte. Es ist eine in tschechischen Kurzentren häufig anzutreffende Methode, Gelenke und Rückgrat mit Kohlendioxid-Gasspritzen zu behandeln. Das Spritzen meiner Kniegelenke mit fünfzig cm 3Gas im zweitägigen Rhythmus über 14 Tage hinweg bewirkte, daß ich bereits nach der ersten Behandlung wieder ordentliche Kniebeugen machen konnte, die mir bis dahin sehr schwer fielen. Nach der Behandlung stellte ich erfreut fest, daß auch nach anstrengenden Langstreckenläufen und schwierigen Bergwanderungen jahrelang keinerlei Kniebeschwerden mehr auftraten.
Im Verlaufe meines Läuferdaseins legte ich stets großen Wert auf ein geringes Körpergewicht. Besonders nachdem ich bei Fixx gelesen habe, daß ein Langstreckenläufer dann die richtige Figur hat, wenn Bekannte besorgt fragen, ob denn der Betreffende an einer schweren Krankheit leide. Das heißt, Fixx geht davon aus, daß ein Langstreckenläufer keine überflüssigen Pfunde mit sich herumschleppt. Das ist auch logisch, denn ich stellte fest, wenn ich einen Marathonlauf mit fünf Kilogramm Gewicht zuviel bestritt, dann belastete mich jeder Schritt, und ein Marathonlauf besteht aus mindestens 43000 Schritten, mit zusätzlichen, das heißt überflüssigen fünf Kilogramm Gewicht, das sind insgesamt fast 215 Tonnen Belastung für mein Stütz- und Muskelsystem.
Eine Faustregel sagt, daß bei einem Marathonlauf ein ansonsten gut trainierter Läufer mit jedem Kilo überflüssigem Gewicht sieben bis acht Minuten Zeit zusetzt. Umgelegt auf meine Rennsteiglauf-Ergebnisse stimmt das ziemlich genau. Nun ist der Abwurf unnötiger Pfunde nicht allein an Laufzeiten zu messen. Auch die Gesundheit wird dadurch positiv beeinflußt:
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