Victor hatte eine Seite rausgesucht und las laut vor: „Chloe blickte Amber an und runzelte die Stirn. „Schatz, auch wenn Quasimodo mich schwängern würde wäre mir das immer noch lieber als Michael Huffner. Er ist androgyn und absolut unerotisch. Wer will das schon! Du spinnst wohl!“ Amber lachte. „Oh, Chloe, das ist nicht Dein Ernst! Michael Huffner ist doch unglaublich anziehend.“ Aber Chloe schüttelte traurig den Kopf. „Mein Fall ist er überhaupt nicht.““
Victor schloss das Buch wieder und legte seine Hand darauf. Erwartungsvoll sah er Abi nun an. „Also, Du bist jetzt in der Presse die Buhfrau, weil Du es als einzige Frau auf diesem Planeten gewagt hast, laut auszusprechen, dass es Frauen geben könnte, die KEIN Kind von Michael Huffner haben wollen würden. Und dann schreibst Du noch, dass Michael unerotisch ist.“ Gespielt entsetzt fuhr er fort: „Bist Du verrückt, Abigail? Du kannst doch so was nicht schreiben! Der Kerl ist ja wohl heiß! Und ich weiß was wovon ich spreche!“
Das Publikum lachte und klatschte sich zu Tode.
Abi aber lächelte bloß. Diese Sorte von Gespräch hatte sie in den letzten Wochen schon zu Genüge geführt. Mit zahllosen Damen in ihrem Verlag, mit ihrer Mom, mit ihrer Lieblingskollegin Amanda, einer 45-jährigen zweifachen Mutter und Hausfrau aus Ealing, sowie mit vielen weiblichen Interviewerinnen.
Victor tat, als müsse er Abi wie eine 5-Jährige auf diesen Fehler hinweisen. „Abigail, man schreibt nicht, dass man mit Michael Huffner keinen Sex haben möchte geschweige denn kein Kind haben wollen würde, ja? Der Kerl ist ein Gott.“ Die Frauen im Publikum stimmten ihm mit Füßetrampeln und wildem Klatschen zu. Victor grinste sie kurz an und wandte sich dann wieder Abi zu. „Du hast Dich da echt mit dem kompletten weiblichen Teil der Weltbevölkerung angelegt, Du!“
Abi lächelte geduldig. „Da gehen die Meinungen wirklich auseinander. Ich habe schon Frauen kennengelernt, die mir beigepflichtet haben.“
„Ja, bestimmt“, sagte Victor sarkastisch. „Lesben.“
„Sehr witzig, Victor“, bemühte sich Abi freundlich zu bleiben.
Victor schien das zu merken, denn er änderte das Thema. „Abi, für was für Dinge, außer Schreiben, bist Du noch empfänglich?“
Abi grinste. „Ich zeichne sehr gerne und ich liebe Handtaschen.“
„Nein!“
„Doch.“ Und sie fügte gespielt gen Himmel hinzu. „Was hat die Natur mir nur angetan?!“
Das Publikum klatschte tobend. Victor ließ es toben und sagte nach einer Weile: „Ok, dann holen wir mal unseren zweiten Gast dazu.“
Er stand auf. „Er ist hier. Heute und frisch und gut gelaunt, wie ich eben schon hinter der Bühne feststellen durfte. Der Meister des großen Kinos, der frisch gekührte Golden-Globe-Gewinner Michael Huffner, meine Lieben!“
Die Frauen im Publikum pfiffen, grölten und klatschten sich die Hände wund.
Abi sah den Schauspieler durch die gleiche Tür eintreten durch die sie selbst auch reingekommen war. Ihr wurde unwillkürlich flau im Magen und sie bekam etwas Angst vor Konfrontation. Michael Huffner ging aber auf Victor zu und gab ihm herzlich die Hand. Er trug ein weißes Oberhemd mit offenem Kragen, blaue, enge Jeans und ein schwarzes Jackett. Es stand ihm gut, befand Abi.
Abi fand ihn nun live betrachtet recht attraktiv, aber er war bestimmt ein Lackaffe, der wusste, dass er sich auf sein Aussehen was einbilden konnte.
Huffner betrat das Podest auf dem der Tisch und die Gästesessel standen, gab Abi die Hand ohne sie wirklich anzusehen und setzte sich rechts neben sie.
Victor begann. „Michael, schön, dass Du da bist.“
„Ich freu mich auch hier zu sein“, sagte Huffner mit einer rauen, bedächtigen Stimme, die Abis Herzschlag beschleunigte.
„Du kommst gerade aus Deutschland, nicht?“
Huffner nickte. „Ja, von einem Dreh.“
„Wieso Deutschland?“, erkundigte sich Victor interessiert. „Ist das Drehen da so billig?“
Das Publikum lachte und Huffner schmunzelte. „Nein. Darum ging es nicht. Der Film spielt im Mittelalter und Deutschland hat sehr schöne alte Städte und außerdem sehr großzügige Ordnungsämter, die unsere Drehanfragen ohne mit der Wimper zu zucken genehmigt haben.“
„Du bist auch halber Deutscher, nicht?“
„In der Tat. Mein Vater kommt aus Hannover.“
„Ich kenn nur die Pferde.“
Das Publikum lachte und Huffner antwortete galant: „Ja, daher heißen sie so.“
„Worum geht es in dem Film? Erklär es uns.“
„Krieg ich erst eine Tasse Kaffee?“
Victor lachte und zückte die Kaffeekanne. „Na klar. Aber nur, wenn Du schon mal anfängst.“
„In Ordnung. Ich spiele einen Arzt, der heiraten will, sich aber dann mit Syphilis ansteckt, weil er seiner Verlobten fremdgegangen ist.“
Victor goss zu Ende ein und schob Huffner dann ernst die Tasse zu. „Du spielst oft solche Rollen wo Du entweder nackt bist oder eine Geschlechtskrankheit hast, nicht?“
Das Publikum kicherte.
Huffner schnappte sich die Tasse und trank vorsichtig. „Oder beides.“
Abi musste nun selbst leise lachen und erntete dafür einen verdutzten Seitenblick des Schauspielers neben sich.
Auch Victor wurde wieder auf Abi aufmerksam.
„Abigail, schreib doch mal einen Roman ohne Nacktheit und Geschlechtskrankheiten und schick ihn an Michael, ja?“
Nun hörte Abi Huffner neben sich lachen. „Das wäre mal eine Idee!“
Abi blickte Victor an und zeigte mit ihrem Daumen nach rechts auf Huffner. „Am besten also einen Film aus der Zukunft. Wo es keine Geschlechtskrankheiten mehr gibt und Nacktheit endgültig verboten ist.“
Victor trank grinsend aus seiner üblichen Duffy-Duck-Tasse. „Es klingt so, als hättest du nichts gegen Nacktheit.“
„Nein, habe ich auch nicht.“
„Apropos. Michael“, fuhr Victor dann fort, „gibt eigentlich einen Grund für die arg kurzen Sexszenen in „Forbidden“?“
Abi sah Victor missbilligend an, und ehe Michael Huffner antworten konnte sagte sie: „Ich schätze mal, dass die Szenen den Zuschauern nicht auch noch zum Spaßhaben dienen sollten.“
Sie spürte zwei Paar Augen auf sich. Von rechts und von links und fuhr ungerührt ehrlich fort: „Ich finde es außerdem herzlich unnütz, sich über Schauspieler zu echauffieren, die in Filmen nur das normale Leben darstellen wollen. Ich würde die Meckerer gerne mal fragen, ob sie immer vollständig angezogen sind wenn sie Sex haben oder sie es sich im Bett selbst machen.“
Das Publikum brauchte einen Moment um zu überlegen, ob es lachen sollte oder nicht. Es lachte.
Victor stimmte ein. „Oh je, bei Dir bekomme ich also keine Schnitte mehr. Na gut, ich gestehe hier und jetzt, dass ich beim Sex auch nackt bin.“
Das Publikum grölte vor Lachen. Er fuhr fort: „Und ich werde nie wieder was über Michaels Filme sagen.“
„Und meine Idee zum neuen Buch steht ja auch eh schon.“
„Exakt. Michael, was sagst Du nun über die Tatsache, dass Du in Abis Buch so schlecht wegkommst?“
Michael Huffner sah Abi an. Abi fand, dass er amüsiert aussah. „Wenn sie meint.“
Aus dem Publikum kam ein aufgewühltes Geraune wegen dem großzügigen Verzeihen.
„Macht Dir das nichts aus?“, hinterfragte Victor.
„Nein. Einige Menschen mögen mich, und die Frau in Abigails Buch eben nicht.“ Er zuckte mit den Schultern. „Das ist wohl dann so.“
Die Frauen im Publikum klatschten über so viel Großmut.
Victor blickte ins Publikum. „Der öffentlich gekränkte Michael Huffner verzeiht Abigail Audrun das, meine Damen und Herren. Was sagen Sie DAZU?“
Die besagten Damen und Herren applaudierten. Victor drehte seinen Stuhl wieder in Richtung Michael Huffner. „Was ich Dich noch fragen wollte. Du kommst ja aus einer Schauspielerfamilie, nicht?“
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