»Wie war er denn, dein Tag?«
»Sensationell. Superwind. Ich war richtig lange auf dem Wasser. Habe stundenlang den gleichen Trick geübt und einfach nicht hinbekommen. Aber trotzdem ein sensationeller Tag.«
»Hast du jeden Tag noch Spaß?«
»Wenn der Wind so ist wie heute, dann könnte ich den Rest meines Lebens nichts anderes machen.«
»Und wenn der Wind nicht so ist wie heute.«
»Dann macht es meistens auch noch Spaß.«
»Aber nur noch meistens.«
»Na wenn gar kein Wind mehr ist, kann man ja immer noch hier rumhängen. Ist ja nicht so hässlich hier.«
»Ich glaube, das ist einer der schönsten Orte, an dem ich je war.«
»Bei mir das gleiche.«
»Kommst du morgen wieder mit mir hier her?«
Ich gehe mit dir überall hin.
»Ich bin jeden Tag hier. Hast du morgen Kiteschule gebucht?«
»Klar, die ganze Woche!«
»Na dann, auf eine gemeinsame Woche am Strand.«
»Prost. Was für ein poetischer Trinkspruch.«
»Nicht schlecht oder? Und das bei dieser kitschigen Kulisse.«
»Ja, genau. Prost.«
»Auch ein schöner Trinkspruch.«
»Kitebräute, brauchen keine coolen Trinksprüche, wir sind einfach cool.«
»Seit wann seid ihr Bräute noch mal Kitebräute.«
»Seit heute. Und nur, weil du ein paar Tage früher diesen Ort entdeckt hast, brauchst du nicht denken, du wärst etwas besseres. Wir sind hier so eine Kitesurferfamilie weißt du. Wir... «
»Du Nina, sag’ mal, was hältst du davon, wenn wir morgen gegen 11:00 mit dem Kurs weitermachen und heute Abend...«
Nassar... Verschwinde!
»Hey Holger, are you coming to town with us tonight?«
Die Schwedin. Was will sie denn von mir? Verdammt, eine Doppelintervention. Erst quatscht Nassar Nina an und stiehlt mir meine Gesprächspartnerin. Und jetzt muss ich auch noch Small Talk mit der namenlosen Schwedin machen. Woher weiß sie eigentlich meinen Namen. Und warum will sie unbedingt jetzt mit mir reden, es lief doch gerade mit Nina. Wie heißt sie denn? Eigentlich interessiert es mich null. Aber ich kann sie ja mal fragen. Dann sieht es wenigstens so aus, als wäre ich ein geselliger Typ...
Eigentlich ja ganz nett, die Schwedin. Verdammt, den Namen habe ich direkt wieder vergessen. Sie ist sogar einigermaßen lustig, aber jetzt hätte ich gerne mal Nina zurück. Ich hole einfach mal vier neue Mojitos und dann wird sich das Small Talk-Karussell schon wieder drehen.
»Oh, neue Drinks.«
»Danke, Holger!«
»Thanks and Cheers.
»Prost.«
»Prost.«
»Prost.«
Scheiße, schlechter hätte es nicht laufen können. Die Gesprächskonstellation ist genau die selbe. Jetzt einfach nicht anmerken lassen, dass ich enttäuscht bin. Ist doch die normalste Sache der Welt. Einfach weiter mit der namenlosen Schwedin reden. Mann, bin ich ein geselliger und lustiger Typ. Ich bin völlig entspannt... ich kann zumindest so tun. Jetzt einfach nur nicht ständig zu ihr rüberstarren. Einfach so tun, als würde ich mich ganz hervorragend mit der Schwedin unterhalten. Ganz einfach. Schaut Nina denn mal zu mir? Nicht rüberstarren! Nichtrüberstarren. Einfach nicht rüberstarren. Alles wird gut.
Gut, dann eben der nächste Versuch.
»Bin gleich wieder da.«
Ich gehe auf’s Klo und danach muss ich die Schwedin einfach loswerden.
»Ha! Dich kenn’ ich.«
Nina! Sie kommt von der Frauentoilette. Nach mir losgegangen, aber gleichzeitig fertig. Keine Ahnung, wie Frauen das machen. Wahrscheinlich die fehlende Prostata. Aber muss ja kein Nachteil sein.
»Setzen wir uns an den Strand?«
»Und die anderen?«
»Die Schwedin langweilt mich.«
»Ja, ich weiß. Bei der ist nicht viel zu holen, außer dass sie eben Schwedin ist.«
»Nein, nein. Es ist mir völlig egal, dass sie nicht gut aussieht. Sie ist einfach langweilig.«
Ein bisschen hart das Urteil. Nicht gelogen, aber hart. Aber in der Not und zum Wohle der Gesprächspartnerwahl ist ein bisschen Übertreibung durchaus vertretbar, finde ich.
»Und du denkst, ein Gespräch mit mir allein am Strand wäre spannender?«
»Vielleicht. Lass’ es uns mal ausprobieren.«
»Du Charmeur. Na dann los.«
Sie nimmt den Weg, der hinter der Bar zum Strand geht, da kann uns keiner sehen. Hat sie entschieden, dass wir hier lang gehen, oder war ich das? Schwer zu sagen, wenn man nebeneinander läuft. Eigentlich kann sie den Weg ja nicht kennen. Egal. Es fühlt sich gut an neben ihr. Irgendwie vertraut. Irgendwie richtig. Und trotzdem weiß ich nicht, was ich sagen soll.
»Recht hast du übrigens. Das ist ein wahnsinnig schöner Ort.«
»Ja, ich kenne keinen besseren.«
»Wann geht die Sonne unter?«
»So in einer halben Stunde oder so.«
»Dann aber hinter der Sanddüne oder?«
»Ja, das einzige, was an diesem Ort nicht ganz perfekt ist.«
»Was jetzt?«
»Na, es wäre noch perfekter, wenn sie da vorne ein bisschen weiter links über dem Wasser untergehen würde.«
»Weil?«
»Ich finde es so cool, wenn die Sonne so auf den Wellen glitzert.«
»Aber das tut sie doch gerade.«
»Aber das würde sie kurz vor’m Untergehen noch mehr, wenn sie da hinten untergehen würde.«
»Also ich bin so schon ganz zufrieden mit der Sonne.«
»Einverstanden.«
»Und ganz links da hinten ist Tarifa?«
»Ja. Und da vorne Marokko.«
»Sieht aus, als ob man rüberschwimmen könnte oder?«
»Ja. Geht aber wahrscheinlich nicht. Schätze, könnte anstrengend werden.«
»Und dahinten irgendwo Amerika?«
»Wahrscheinlich auch schwer zum Schwimmen.«
»Sooooooo schön!«
Ihr gefällt es. Ihr gefällt der schönste Ort in meinemLeben. Sie sitzt neben mir an meinem Strand und ihr angewinkeltes Knie hat gerade für eine Sekunde meinen Oberschenkel berührt. Ich habe es erst gar nicht wahrgenommen. Aber jetzt kribbelt es genau an der Stelle, wo gerade noch ihr Knie war. Und jetzt zupft sie auch noch an ihrer Shorts und macht genau das Knie nackig. Aber bevor ich rot werde, spreche ich das doch lieber an.
»Versuchst du, mich zu beeindrucken?«
»Was?«
»Ob du versuchst, mich zu beeindrucken? Du zeigst Haut.«
»Quatsch, ich will dich nicht beeindrucken. Mir ist heiß.«
»Ja, genau.«
»Jetzt überschätze dich mal nicht.«
»Dann keine billigen Tricks mehr.«
»Du spinnst.«
»Du zeigst Haut.«
»Wir sind am Strand.«
»Du willst mich beeindrucken. Das ist doch die gleiche Nummer wie gestern auf dem Weg zum Strand, als mein unschuldig eingehakter Arm als Versuchskaninchen diente und deine Brust berühren musste.«
»Erstens hat dein ach so unschuldiger Arm das wahrscheinlich genossen. Und zweitens will ich dich nicht beeindrucken. Wieso sollte ich? Ich glaube, ich hab’ es doch schon erwähnt: Ich bin Zuhause in einer glücklichen Beziehung. Du bist nur mein Urlaubskumpel.«
»Den du mit ein bisschen nackter Haut beeindrucken willst.«
»Jetzt reicht es aber, wenn ich dich beeindrucken wollen würde, sähe das ganz anders aus.«
«Mach’ mal.«
»Mache ich nicht.«
»Mach’ mal.«
Was für ein Lächeln. Und so unschuldig. Als wüsste sie gar nicht, was nackte Haut überhaupt ist. Oder wieso sich Jungs oder Männer dafür interessieren könnten. Sie lächelt. Und schiebt ihre Shorts einen halben Zentimeter höher und zeigt diesmal noch nicht mal ihr Knie.
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