„Sie meinen, man hat erst dieses Virus geschickt, das alles Leben vernichtet hat, und dann hat man den Job beendet, indem man den Planeten verbrannt hat?“
„Damit keine Spuren, keine Hinweise darauf zurückbleiben, was man hier angerichtet hat.“
„Interessante Theorie“, nickte Cortez. Dann dachte er nach. „Es ist also nicht möglich, dass das Virus nicht nur alles Leben zerstört hat, sondern auch noch eine andere Funktion hatte?“
„Eine andere Funktion? Was denn für eine?“
„Könnte es die Bewohner des Planeten wahnsinnig gemacht haben? Dass sie alle ihren Verstand verloren und die weitere Zerstörung selbst angerichtet haben?“
„Das…“ Doyle hob die Schultern. „Das wäre durchaus möglich.“
„Ja.“ Cortez nickte. „Aber unbedeutend. Irgendjemand hat ein tödliches Virus eingesetzt – und wir sollten herausfinden, wer.“
„Dann ist unser Ziel also der nächste zerstörte Planet?“
„Nein, unser nächstes Ziel sind die Maburi. Ich bin mal gespannt, was die uns so zu erzählen haben.“
Der Empfang der Maburi war recht frostig. Sie hatten den Kurs des Imperialen Schiffes verfolgt und wussten sehr genau, woher es kam. Noch bevor die Nova in das Gebiet der Maburi eindringen konnte, wurde sie von einer kleinen Armada aus Kampfschiffen abgefangen. Der Botschafter der Maburi meldete sich per Hologramm.
„Imperiales Schiff Nova , wir sind sehr erfreut, dass Sie Interesse an unserem Volk zeigen, aber wir dürfen Ihnen leider nicht erlauben, tiefer in unseren Raum einzudringen. Bitte haben Sie Verständnis dafür.“
„Ich bin Captain Marco Cortez. Darf ich fragen, warum Sie uns die Einreise verweigern?“ fragte Cortez, der eine ziemliche genaue Vorstellung hatte, was der Grund dafür sein könnte.
„Ich möchte das über Funk nicht erörtern“, meinte der Botschafter kurz.
„Dann darf ich also zu Ihnen an Bord kommen?“
„Nein“, kam es entschieden zurück.
„Dann möchten Sie also zu uns Bord kommen?“
„Nein!“
„Ich fürchte, dann werden wir das über Funk erörtern müssen “, schloss Cortez und ließ sich auf seinem Kapitänssessel nieder. „Ich nehme an, Sie haben bemerkt, dass wir eine Welt besucht haben, die von einem Virus zerstört worden ist.“
„Und wir befürchten, dass Sie dieses Virus in unsere Welt einschleppen könnten“, gestand der Botschafter, überraschend offen, wie Cortez fand. Aber immerhin, das sparte Zeit und langes Drumherumgerede.
„Das dachte ich mir schon“, meinte er. „Ich kann Ihnen versichern, dass wir keine Absicht haben, Sie zu infizieren. Ich bin nur aus einem einzigen Grund hier: Um zu erfahren, was Sie uns über das sagen können, was dort passiert ist.“
„Auf diesem Planeten…“
„Auf all diesen Planeten“, korrigierte Cortez. „Ich gehe davon aus, dass Ihr Volk sich dessen bewusst ist. Ich weiß , dass Sie sich dessen bewusst sind, weil Sie uns sonst jetzt nicht die Einreise verweigern würden. Also, was können Sie uns sagen?“
„Ich muss das mit meiner Regierung abklären.“
Cortez nickte. „Wir warten hier, bis Sie Ihre Antwort haben.“
Sie mussten nicht lange warten, jedenfalls nicht für diplomatische Verhältnisse. Nach drei Stunden meldete sich der Botschafter wieder. Er übermittelte eine Sternkarte, in der alle betroffenen Systeme eingezeichnet waren. Sie stimmte mit den Daten überein, die ihnen die Sonden bereits geliefert hatten. Aber sie gab ihnen auch eine Information, die sie bislang nicht gehabt hatten. „Delbianisches Reich“ stand dort. Das war nicht viel, aber immerhin etwas.
„Es tut mir leid, wenn wir so schroff reagiert haben“, entschuldigte sich der Botschafter, als er sich das nächste Mal meldete. „Dieses Gebiet, in das Sie reisen… wir haben Respekt davor. Wir meiden es. Alle unsere Schiffe, alle Völker, die um dieses Gebiet herum leben, wir alle meiden es.“
„Warum?“
„Weil wir wissen, dass es gefährlich ist. Dort lauert der Tod.“
„Die Viren.“
„Wie auch immer Sie es nennen mögen, es ist der Tod. Wir, unsere Völker, wir wissen davon, seit wir hinaus in den Weltraum gereist sind“, fuhr er fort. „Was dort passiert ist, ist vor Urzeiten passiert. Auf unseren Welten spricht man von einem großen Delbianischen Reich, das einst große Teile der Galaxie beherrscht haben soll. Es sind Mythen, weil all dies vor langer, langer Zeit gewesen ist. Das Delbianische Reich reichte bis in unsere Nähe. Es soll groß und reich gewesen sein, doch dann ist etwas Schlimmes passiert und der Tod brach über das Reich herein. Innerhalb weniger Jahre wurde das ganze Reich ausgerottet und verschwand.“ Der Botschafter deutete hinaus in den Weltraum. „Das, was Sie dort draußen sehen, das Gebiet, das Sie bereisen wollen, es war dereinst das Delbianische Reich. Das einzige, was Sie dort finden werden, ist Tod.“
Das klang, fand Cortez, nicht besonders reizvoll.
Sie machten sich auf den Weg in das Gebiet, das möglicherweise einmal das Delbianische Reich gewesen war. Die Schiffe der Maburi folgten ihnen noch ein Weilchen im sicheren Abstand, dann machten sie kehrt und flogen zu ihrer Heimatwelt zurück.
Cortez saß auf der Brücke und dachte nach. Er hatte einen Kurs berechnet, der sie direkt zum nächsten betroffenen Planeten brachte. Von dort an lagen die betroffenen Systeme alle dichter beieinander. Ein Reich. Ein Reich, das viele Sonnensysteme umspannte. Aber wie passte da der Planet rein, den sie als erstes besucht hatten? Gunli, eine Zivilisation, die den Raumflug noch nicht erfunden hatte? Wie konnte sie Teil eines Reiches sein? Oder hatte sich das „große und noble“ Delbianische Reich vielleicht eine Kultur unterentwickelter Sklaven gehalten? Hatte es Wesen von primitiven Welten aufgelesen und für sich schuften lassen? Da er bislang von diesem Reich nichts wusste, außer, wie es geheißen hatte, war alles möglich. Und von der Welt selbst wusste er eigentlich auch nichts, denn „Gunli“ war das maburische Wort für „tot“.
Sie würden gut drei Wochen unterwegs sein, bis sie den nächsten Planeten erreichten. Cortez hatte erwogen, danach vielleicht einen kleinen Abstecher zu den KlenN zu machen, einem Volk, das ebenfalls in der Nähe dieser Todeszone wohnte, aber nach dem warmen Empfang der Maburi rechnete er nicht damit, dass die KlenN anders reagieren würden. Tatsächlich erreichte das Schiff, kurz bevor sie den nächsten toten Planeten erreichten, eine Nachricht von KlenN, in der der Botschafter dieses Volkes sagte, die Maburi hätten ihnen von der Mission der Nova berichtet und man würde ihr das Eindringen in das Hoheitsgebiet der KlenN untersagen. Sie hätten keine weiteren Informationen, die der Nova und Kapitän Marco Cortez weiterhelfen würden, da sie dieses Gebiet mieden, schickten ihnen jedoch als Zeichen guten Willens die Daten, über die sie verfügten. Cortez hatte das unbestimmte Gefühl, dass er im Laufe der Zeit ähnliche Mitteilungen von allen Völkern rings um die Todeszone bekommen würde – und er sollte auch diesmal recht behalten.
Das Bild des Schreckens, das sie beim nächsten Planeten erwartete, ähnelte sehr dem, das sie schon einmal gesehen hatten. Ein Virus hatte alles Leben zerstört, Pflanzen, Tiere, intelligente Lebensformen. Und auch hier hatte man, als ob das nicht schon gereicht hätte, mit einem flächendeckenden Bombardement alles zu vernichten versucht, was auf dieses Virus hindeuten könnte. Auch hier hatte man versucht, die Atmosphäre komplett zu verbrennen. Aber es gab einen Unterschied: diese Welt war auf einem höheren Entwicklungsstand. Hatte „Gunli“ noch nicht den Raumflug gemeistert, so deutete hier auf „Delbia 1“, wie sie es nannten, alles darauf hin, dass die Bewohner nicht heimisch auf diesem Planeten gewesen waren, dass sie hier gesiedelt hatten. Das, was sich anhand der Daten, die die unbemannten Sonden lieferten, sagen ließ, war, dass die genetischen Muster der intelligenten Spezies nicht mit denen der Flora und Fauna übereinstimmten. Es waren Siedler gewesen, Teil des Delbianischen Reiches, wie Cortez annahm. Es gab Strukturen, die auf Raumhäfen hindeuteten, Flugplätze, große Städte, Millionen von Einwohnern.
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