„Und, haben Sie sich schon eingelebt?“
Cortez gab einen Grunzlaut von sich.
„Das klingt nicht sehr erfreut.“
„Warum nur.“ Cortez deutete auf die kleine Kabine. „Ich würde Ihnen ja einen Platz anbieten, aber…“
„Ja, ich weiß“, nickte der Admiral. „Genau genommen bin ich auch hier, um Ihnen einen Platz anzubieten.“
Cortez horchte auf.
„Aha.“
„Es tut mir leid, dass wir Ihnen bisher nichts gesagt haben“, fuhr der Admiral fort, „aber, Sie wissen ja wie das ist.“
„Geheimniskrämerei allerorten.“
„Sowas in der Art, ja.“ Verhoeven lächelte. „Die Admiralität war sehr zufrieden mit Ihrer Arbeit. Sie haben nicht nur eine Frage beantwortet, die sie beschäftigt hat, sondern auch eine Richtung für die Zukunft, nun, sagen wir vereitelt.“
„Eine Reihe von Stützpunkten in der Todeszone?!“
„Ja, das war eine dumme Idee. Nichtsdestotrotz hat die Erfüllung dieser Aufgabe dazu geführt, dass Sie… nunja, eine neue Aufgabe bekommen.“
„Und mein Schiff?“
„Bekommt eine andere Aufgabe. Sie werden schon bald verstehen, warum. Und diese neue Aufgabe erfordert, nun, eine Beförderung.“
„Bitte?“ Cortez sah den Admiral fassungslos an.
„Ja. Wir möchten, dass Sie eine bestimmte Angelegenheit untersuchen. Und um diese Angelegenheit untersuchen zu können, müssen Sie eine bestimmte Zugangsberechtigung haben. Und um diese Zugangsberechtigung zu bekommen, müssen Sie Admiral sein. Das war der Grund, warum es solange gedauert hat. Ich bitte das noch einmal zu entschuldigen. Aber nachdem die Admiralität endlich überzeugt davon war, dass Sie der richtige Mann für den Job sind, musste sie erstmal davon überzeugt werden, dass sich eine Beförderung dabei leider nicht umgehen lassen wird. Das hat zu hitzigen Diskussionen geführt, Sie kennen das ja, aber am Ende hat dann doch alles gut geendet, wie man so schön sagt.“ Verhoeven reichte ihm die Hand. „Herzlichen Glückwunsch, Admiral Cortez!“
Mit mulmigem Gefühl schritt er durch den Jägerträger. Er hoffte inständig, dass sich seine Befürchtung nicht bewahrheiten würde. Eine Beförderung zum Admiral konnte nur eins bedeuten: Er musste eins von diesen riesigen Schiffen übernehmen und dann langweiligen Patrouillendienst am Inneren oder Äußeren Ring schieben. Auch wenn das für viele die Erfüllung ihrer Karriere gewesen wäre, er hatte sich immer davor drücken wollen.
Aber… für so was brauchte man ihn nicht. Und man hätte ihn nicht befördern müssen. Es sei denn, dies war der Weg der Admiralität, ihn unter Kontrolle und immer ein Auge auf ihm zu haben. Man klopfte ihm auf die Schulter, gab ihm eine nichtige Beförderung und platzierte ihn dort, wo man immer schön sehen konnte, was er gerade tat. Vielleicht hätte er bei der Sicherheitskonferenz einfach seine Klappe halten sollen. Er hatte ein so angenehmes Leben gehabt in der Provinz. Die saubere Luft des Naturplaneten, die weiten Felder der Agrarwelten, die herrlichen Strände des Erholungsplaneten… Selbst die Gasriesen in den Systemen hatten ihren Reiz gehabt. Einer hatte ein System von Ringen, aus dem sie einmal den Sohn eines Senators retten mussten, der mit seinem Schiff da hinein geflogen war und dann seine Triebwerke beschädigt hatte. All das vermisste er und all das würde er noch mehr vermissen, je länger er auf der sterilen Brücke eines sterilen Kreuzers stehen und die Start- und Landevorgänge seiner Jäger kontrollieren musste.
Auf dem Landedeck traf er Admiral Verhoeven wieder.
„Wir werden zusammen reisen“, meinte der.
„Wissen Sie auch, wo die Reise hingeht?“
„Natürlich.“
„Sagen Sie es mir?“
„Natürlich nicht.“ Der Admiral deutete auf die Markierungen des Schiffes, zu dem sie flogen. „Aber vielleicht finden Sie es selbst heraus.“
Cortez sah aus dem Fenster. Während hinter ihnen der gigantische Jägerträger kaum kleiner wurde, näherten sie sich einem anderen, kleineren Schiff. Es war ein Imperialer Kreuzer, die IK Goethe . Es war ein Schiff der Kaiserlichen Garde, eins der Schiffe, das bis zu den drei Zentralplaneten vordringen konnte, ohne jemals angehalten zu werden.
„Oh“, sagte Cortez mit offenem Mund. Sie würden also zu der Welt reisen, von der er angenommen hatte, dass er sie niemals aus der Nähe sehen würde: Rom!
„Wir fliegen nicht nach Rom“, sagte Admiral Verhoeven nach einiger Zeit, in der sie einander schweigend gegenüber gesessen und in den Weltraum hinausgesehen hatten. Der Flug würde mehrere Tage in Anspruch nehmen und sie beide hatten luxuriöse Kabinen auf diesem Schiff – Verhoevens luxuriöser als die von Cortez, war er doch der dienstältere Admiral und dies sein Schiff. Sie trafen sich zum Essen in der ebenfalls luxuriösen Offiziersmesse und so langsam hatte Cortez das Gefühl, dass die Beförderung vielleicht nicht nur Nachteile mit sich brachte.
„Nicht?“
„Nein.“ Verhoeven schüttelte den Kopf.
„Wohin geht es dann?“
„Nach Köln.“
Cortez sah überrascht aus.
„Warum nach Köln?“
„Weil sich dort die großen Archive befinden.“
Die Imperialen Archive, die Orte, an denen das gesamte Wissen der Menschheit gesammelt war.
„Ich dachte, die sind auf Washington.“
„Ja“, stimmte Verhoeven zu. „Das ist der generelle Gedanke.“
Womit der Admiral meinte: Das soll jeder denken! Schon wieder diese Geheimhaltung. Cortez fragte sich einmal mehr, wofür? Oder wogegen? Wegen wem machte man so ein Getue um alles? Hätte die Menschheit, als sie ihre Heimat, die Erde, verließ und in den Weltraum auswanderte, nicht offener und freier werden müssen? Doch stattdessen, hatte der ehemalige Captain das Gefühl, war alles nur noch viel schlimmer geworden. Jedenfalls nach dem, was er sich über die Vergangenheit der Erde zusammenreimte. Die Geschichtsbücher waren auch hier sehr vage und das, woraus er seine Informationen bezog, waren die literarischen Erzeugnisse der Vergangenheit. Bücher. Und Filme. Es waren viele erhalten geblieben. Vieles davon war krude, aber es war alles mit soviel mehr Phantasie gemacht, als die Dinge, die die Künstler des Imperiums zustande brachten. Vielleicht, dachte er manchmal, weil man noch seine Phantasie benutzen musste. Wenn man nicht selbst erleben konnte, wie es war, durch den Weltraum zu reisen, dann musste man es sich eben ausdenken . Man hatte fremde Welten und fremde Wesen geschaffen, Kriege der Sterne, aber auch friedliche Missionen hinaus ins All, um andere Welten und andere Wesen kennenzulernen, in Freundschaft, nicht um sie zu bekämpfen. Die Künstler des Imperiums waren irgendwie einfältiger, weniger phantasiereich.
„Wir besuchen also die Imperialen Archive?“ murmelte Cortez, der nicht mit einer Antwort rechnete, jedenfalls mit keiner umfangreichen.
„Ja“, nickte Verhoeven. „Sie bekommen eine neue Aufgabe von uns, ich glaube, das sagte ich schon.“
„Ja, das sagten Sie schon.“ Cortez seufzte. „Und was soll ich für Sie tun? Das Imperiale Archiv aufräumen?“ Hatte man ihn als so eine Art Imperialen Hausmeister engagiert?
„Etwas in der Art.“
Na super. Cortez seufzte wieder, aber diesmal lauter.
„Sie sollen für uns etwas finden. Etwas, das wir vor langer Zeit, nunja, verlegt haben und das wir gerne wieder finden würden.“
„Und was soll das sein?“ zischte Cortez genervt.
Verhoeven lächelte. „Die Erde.“
Staunend schritt Cortez durch die riesige Halle. Er hatte diese Architektur nur auf Bildern und in Filmen gesehen. Es gab Säulen und geschwungene Wände und alles war riesig.
„Es ist einem Bauwerk nachempfunden, das ‚der Petersdom’ hieß“, klärte Verhoeven ihn auf. „Diese Art Architektur findet man nur auf den Zentralplaneten.“
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