“Du mußt dir schon sicher sein, sonst können wir alles vergessen.”
“Ach weißt du, wenn bekannt werden sollte, daß ein führender Regionalpolitiker vor Jahren auf einer Demo Polizisten mit Scheiße beworfen hat, dann könnte diese Person Probleme bekommen. Doch..., das biege ich schon hin.” Joe setzte sein allwissendes Grinsen auf, doch niemandem gelang es, ihm den Namen dieser ominösen Persönlichkeit zu entlocken.
“Und was wird aus mir, was habe ich dabei zu tun?” Babs strotzte voller Tatendrang. Ich konnte richtig ihre Leidenschaft spüren, die sie gepackt hatte. Nicht von der Chance auf den großen Jackpot, sondern das Spiel selbst hatte sie in den Bann gezogen: Pokere hoch, riskiere viel, setze alles, gewinne!
“Du wirst meine verrückte Freundin spielen, das wirkt glaubwürdiger, und außerdem mußt du versuchen, Personen von mir abzulenken, die zu viele Fragen stellen. Wenn du merkst, daß ich ins Schwimmen gerate, platzt du einfach dazwischen.”
“Prima, das kann ich gut, das mache ich gerne.”
“Stell dir das nicht zu leicht vor, Babs, du mußt aufpassen wie ein Schießhund”, mahnte Frank zur Vorsicht.
“Keine Sorge, das geht, das geht.”
“Eh, und ich, habt ihr mich vergessen?” jammerte Peter und machte damit auf sich aufmerksam.
“Du flitzt durch alle Buchläden und Bibliotheken, treib alles auf, was du über diesen Hayley auftreiben kannst.”
“Es heißt Daily, John, Daaiiilyyy!! Merk dir das endlich mal, das ist schließlich dein neuer Name.”
“Auch gut, jedenfalls müssen wir alles über den Knilch wissen, was es zu wissen gibt: Familie, Herkunft, wann geboren, wo, warum. Wir müssen wissen, was er gerne ißt, was er trägt, ob er Sport treibt und welche Hobbys er hat. Auch wann er das letzte Mal eine Banane gegessen hat. Einfach alles, klar?”
“Geht klar, aber ist das alles, eh?”
“Hmm..., ich muß bestimmt einen Chauffeur für Arthur besorgen, wieso denke ich dabei ausgerechnet an dich...?” Joe hatte wahrscheinlich schon vorher daran gedacht, so schnell wie der Vorschlag kam. Peter strahlte über das ganze Gesicht, so glücklich hatte ihn seit dem Ramones-Konzert keiner mehr gesehen. Mit vor Erregung feuchten Händen, schlug er sich auf die Schenkel, und kleine Staubwolken stiegen aus der verdreckten Hose auf.
“Ja eh, cool eh, stark eh!”
“Frank, Schatz, du wirst unser Leibwächter, und schüchterst die Leute ein, die zu neugierig werden, und unser Genie in gefährliche Gespräche verwickeln könnten. Außerdem mußt du noch einige Scheine locker machen, wir brauchen noch ein wenig Klimpergeld und scharfe Klamotten.” Wie ein verführerisches Kätzchen schmiegte sich Babs an Frank und umgarnte ihn. Nein, sie wickelte ihn total ein, mit ihrer sinnlichen Weiblichkeit. Ja ja, die Waffen einer Frau.
“Oh nein, ihr wißt doch, wie ich es hasse bei meinem alten Herren betteln zu gehen. Alles, nur das nicht.” Joe konnte Babs nur vollkommen beipflichten.
“Sie hat aber Recht, so können wir da nicht auftreten, wir müssen schon stilgerecht auftauchen, sonst wird das alles nichts.”
“Und wenn Daddy keinen Zaster ausspuckt, was dann?”
“Dann wirst du dir eben etwas mehr Mühe geben, oder einige von deinen elektronischen Spielzeugen verscheuern müssen, Darling.” Babs klebte noch immer wie eine Klette an Frank und zwickte ihn neckisch in die Nase.
“Lieber Himmel, alles nur das nicht. Und wenn ich auf den Knien rutschen muß, ich kriege schon das Geld, ihr werdet sehen.”
“Na bitte, das wäre also geklärt.” Zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Verhandlung ließ unsere Catwoman von ihrem Opfer ab, welches leider zu spät die Tragweite und Konsequenz der Zusage begriff, seufzte und im Sessel versank. Joe zog ein vorläufiges Resümee.
“Das Gröbste hätten wir dann ja schon, die Feinabstimmung kriegen wir auch noch hin. Das komplette Umfeld des Künstlers muß aus unseren Leuten bestehen. Das ist wichtig, so treten wir schon als Macht auf, außerdem sollten wir sehr publikumsscheu sein und uns nur so viel wie unbedingt nötig in der Öffentlichkeit zeigen. So halten wir die Gefahr des Erkanntwerdens so gering wie möglich.”
“Geht klar, ich sorge schon dafür. Der exzentrische Künstler und sein Gefolge werden in Ruhe gelassen.”
“Toll Joe, kein Tamtam, kein großer Empfang, kein großer Bahnhof. Wir Künstler sind ja auch nur Menschen und wollen so behandelt werden.”
Die Zeiger der großen Uhr über der Küchentür rasten mit Lichtgeschwindigkeit über das Zifferblatt mit der geschwungenen Aufschrift Coca Cola; die Nacht wurde zum Tag, Punkt für Punkt wurde der Plan durchgegangen. Pläne wurden geschmiedet und wieder verworfen. Bier floß in Strömen, Joints vernebelten die Zimmer.
“OK Leute, ich kann nicht mehr, ich denke das reicht für heute, gehen wir noch ein wenig ins Bett. Wir treffen uns dann wieder am Wochenende und besprechen, was bis dahin schon passiert ist. Peter, du läßt dir von Frank Geld geben und bringe auch alles mit, was du in die Finger bekommst, das wird eine lange Lesestunde. Habe ich noch was vergessen?” Joe konnte kaum noch aus den Augen schauen, so benebelt war er mittlerweile. Also übernahm ich den Rest der Zusammenfassung.
“Frank schickt das Fax morgen Mittag um Punkt 12.00 Uhr ab, die Nummer hat er ja. So Joe, der Ball ist damit in deiner Hälfte. Sieh zu, daß du im Ministerium alles in die richtigen Bahnen leitest. Hiermit erkläre ich das Unternehmen “Arthur Reily” für eröffnet.”
“Es heißt Daily, du Idioot.!!” tönte es mehrstimmig, und ich wurde von Wurfgeschossen aller Art, Form, Farbe und Größe bombardiert.
“Ist ja gut, ist ja schon gut.”
Das wuchernde Krebsgeschwür der Untat nahm also konkrete Formen an, bereit, jede noch gesunde Zelle zu vergiften mit dem tödlichen Gift der Verlockung.
Der nächste Tag verlief besonders grausam, darum erinnere ich mich noch sehr gut an ihn; wenn auch nicht unbedingt gerne.
Ich mußte doch mehr getrunken haben als ich dachte, denn ich erwachte mit mörderischen Kopfschmerzen, einem Kloß im Hals, einer Magenverstimmung und einem undefinierbaren Geschmack im Mund; und mit erheblicher Verspätung. Falsch, ich hatte glücklicherweise die Nachtschicht an diesem Tag. Total am Ende ging ich ins Bad und nahm eine Dusche. Mit den Bewegungen eines alten Greises, der Kleider entledigt, zog ich den Duschvorhang zurück, verlor das Gleichgewicht, suchte es, fand es nicht und stürzte mit den Armen wild rudernd, die Faust in den Duschvorhang gegraben, “klatsch” auf den Boden. Der Vorhang, der Belastung nicht gewachsen, verabschiedete sich von den netten kleinen bunten Ringen, die ihr Dasein aufgereiht auf einer Stange fristeten und begrub mich, die arme Sau, unter ihrem geblümten Muster.
“Auua, ...Scheiße, ...Aauuuh!” Benommen und benebelt verließ ich kriechend das Bad, stieß mir den Kopf an einem weiteren harten Gegenstand (wie gefährlich doch so eine Wohnung sein kann), erklomm die Couch und fiel in Tiefschlaf. Eine oder zwei Stunden später kehrte ganz langsam wieder Leben in meinen so arg geschundenen Körper zurück, vorsichtig sondierend, ob sich das überhaupt lohnen würde, jederzeit bereit, die Aktion wieder abzubrechen.
“Uaheh, ich lebe noch, ..oder?” stammelte ich noch im Halbschlaf.
“Natürlich tust du das.”
“Was...? ...Wie...?” Zu Tode erschrocken fuhr ich herum, auf der Suche nach dem Ursprung der unerwarteten Antwort, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Den Tisch, die Stühle, da der Sessel, eine leere Packung Cornflakes, Jenny, die alte Vitrine, die Couch... Moment mal, Jenny? ...Jenny?
“Jenny, du hier.., Scheiße, seit wann das denn?”
“Schon eine ganze Weile, ich wollte dich bloß nicht aufwecken, du siehst ja ganz schön mitgenommen aus.”
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