“Danke für die Blumen, Frank ist aber wenigstens ein Künstler, ich habe doch keinen Schimmer davon, nee, nee, laß mich mal da raus.”
“John, wir reden hier von etwa einer halben Million, die wir als Vorschuß einsacken, und dann machen wir uns dünne.”
“Überredet, sprich weiter.”
“Nicht jetzt, nicht hier, wir treffen uns morgen bei Frank und fangen mit dem Planen an. Ich sage auch den anderen Bescheid, daß sie kommen sollen. Das wird das Ding des Jahres.” Im Schutze der anbrechenden Nacht verschwand Joe, tief in den verschwörerischen, grünen Parka gehüllt und ließ mich völlig verdattert, irritiert und benommen zurück. Wobei ich langsam das eben gehörte verarbeitete und reglos sitzenblieb.
Was für ein Tag. Die ganze Nacht fand ich keinen Schlaf, wälzte mich schweißgebadet von einer Seite des Bettes auf die andere, mal auf den Bauch, mal auf den Rücken, sanft angestrahlt und beleuchtet von dem blassen, tristen Licht des kräftigen, fetten, runden Mondes. Das erst vor drei Tagen frisch bezogene Bettzeug mit den zwei geschmeidig und anmutig aussehenden pechschwarzen Katzen auf rotem Hintergrund, mit durchdringenden grünen Augen, litt und warf resigniert endlose Wellen und Falten. So wie ein Spickzettel, der nach einem geschriebenen Test zerknüllt und beseitigt wird, da keine Spuren auf das kleine Kavaliersdelikt hinweisen sollen. Selbst der frische Frühlingsduft des Weichspülers, einem Sonderangebot aus dem Supermarkt um die Ecke, den die Werbung unterstützt durch eine blendend aussehende Hausfrau angepriesen hatte, verwelkte wie eine zarte Knospe nach einer eisigen Nacht im Hochsommer. Vielleicht war ich ja auch nur ein weiteres armes Würstchen, daß unter den Einwirkungen des Vollmondes litt, oder an der Steinbackofenpizza, die ich vor dem Hinlegen noch schnell verdrücken mußte. Und noch immer schallte es in meinen Ohren: “ Ich habe es, ich habe es.” Die verlockende Stimme des schnellen Geldes, die honigsüße, miauende Stimme einer Sirene aus einer griechischen Sage, die einem den Verstand raubt und jedes Opfer kopfüber ohne Berücksichtigung der Risiken ins Verderben stürzen läßt, hat man sie erst einmal vernommen.
“Ich habe es, ich habe es.”
Daß ausgerechnet Joe dieser teuflische Plan einfallen mußte, war schon seltsam. Sollte da doch etwas Verwegenes, Böses in dem Hippie schlummern, von dem niemand etwas ahnte? Andererseits, warum auch nicht? Schließlich steckt in jedem von uns eine gehörige Portion Niedertracht.
Kühlende Abendwinde fegten die warme Luft aus den Straßen der Stadt, trieben sie hinaus in die Felder der Saarbauern und in die Waldgebiete, wo sie mit der kalten feuchte Luft vereinigt am nächsten Morgen als Tau auf den Blättern und Farnen niedergehen sollten. Ich befuhr nach der Arbeit die kurvenreiche Landstraße hinaus zu Franks Domizil, nahe der deutsch-französischen Grenze. Der Verkehr hatte bereits stark zugenommen. Es waren die Grenzgänger; Franzosen, die wegen der höheren Löhne in Deutschland arbeiteten und Steuervorteile nutzende Deutsche, die in Frankreich lebten. Wie eine gigantische Blechlawine schoben sich dröhnend und keuchend handpolierte, geleaste Autos zum Grenzübergang. Schöne, teure, neue Autos, meist das neueste Modell, um dem ungeliebten Nachbarn eins auszuwischen.
Das prähistorische Radio meines Wagens krächzte und konnte nur mit Mühe zwei eng beieinanderliegende Sender voneinander trennen. Ich drehte unwirsch an dem Knopf für eine genauere Justierung, aber der verunsicherte Balken auf der Anzeigeskala taumelte abwechselnd und unsicher mal nach links, mal nach rechts; doch wollte er partout keinen vernünftigen, klaren Empfang bieten. In dieser idiotischen Ecke des Landes gab es nicht mal brauchbare Radiowellen, dachte ich. Dann eben nicht. Ich kramte in den zahllosen Kassetten und wurde schließlich bei den besänftigenden Stimmen der Fleetwood Mac fündig, genoß drei oder vier Lieder, ehe ich den Fiat in eine unbefestigte Seitenstraße steuerte und die vertrauten Umrisse von Franks Haus erspähte. Drei Autos standen dort schon geparkt. Aha, dachte ich, Frank war also nicht allein. Die anderen warteten schon. Ich zog den Schlüssel ab, der Kultwagen würgte und rüttelte und erstarb im Röcheln. Das schäbig wirkende marode Gebäude stand teilnahmslos und verkommen im Abendrot. Es diente vor geraumer Zeit Franks Opa als Zwischenlager für transportbereite Produkte, vornehmlich den großen, wiederverwendbaren Milchbehältern, die täglich versendet wurden. Ein zweckmäßiger quadratischer Bau mit einem schräg abfallendem flachen Dach und einer Reihe Milchglasscheiben oberhalb des großen Eingangstores und noch einer weiteren eingearbeiteten Tür, die nun offiziell die Eingangstür verkörperte. Der geschmacklos grün gestrichene Verputz blätterte in großen Fetzen an der Außenfassade ab. Der Rest der ehemaligen Produktionsanlage und das Verwaltungsgebäude überlebte nicht die Wirren des Krieges, brauchbare Maschinen und Baustoffe fanden anderorts Verwendung und Einsatz bei dem modernen Wiederaufbau der Fabrik, die fortan Franks Vater erfolgreich leitete. Die unbrauchbaren Grundmauern und den Schutt stampfte er kurzerhand ein und machte alles, bis auf die unversehrte Lagerhalle, dem Erdboden gleich. Er schüttete dann noch LKW-weise Erde darüber und legte einen mustergültigen Rasen an. Eine dichte Baumreihe umsäumt noch immer die alten Grenzen des Firmengeländes, und einsam fließt ein verspieltes Bächlein, das einst die Verarbeitung und Reinigung tatkräftig unterstützte.
Geschwächt von den Wirren und Visionen der Nacht hing ich in Franks bequemem Ledersessel im Schneidersitz, so daß der Riß meiner ausgebeulten Jeans an den Knien einige Zentimeter weiterwuchs. Das kümmerte mich wenig. Ebensowenig wie das fiebernde Planen meiner Freunde. Alles schien schon beschlossene Sache, nur daß der gesamte verdammte Plan auf meinen schmalen Schultern lasten sollte. Diese Tatsache schmeckte mir ganz und gar nicht. Doch was sollte es, wenn sich schon jeder auf mich verließ, dann wollte ich wenigstens für eine vernünftige Ausführung der Aktion Sorge tragen. Schließlich würde es wieder einmal mein Kopf sein, der rollt, wenn der ganze Schwindel auffliegen sollte.
“Also gut, ich mache es, ich bin einverstanden, aber es läuft so ab, wie ich das sage.”
“Alles klar, du bist der Boß, was schlägst du vor?” Frank war total begeistert. Er klopfte mir auf den Rücken, und ich flog aus dem Sessel.
“Prima John, was haben wir auch schon großartig zu verlieren? Außer unserem guten Ruf, unserer Zukunft und unserem restlichen Leben?”
Der Rest der Rasselbande, oder besser die zukünftigen Straftäter, knieten gespannt und aufgeregt vor mir auf dem Boden, ungeduldig wartend.
“Okay hört zu, das muß laufen wie geschmiert, jeder von uns übernimmt eine Rolle, die er im Schlaf beherrschen muß, wir müssen auf jedes auch nur erdenkliche Problem vorbereitet sein. Als erstes: Joe, bist du sicher, daß noch nicht durchgedrungen ist, daß dieser Maily abgesagt hat und untergetaucht ist?”
“Ich denke schon, ich checke das vorher noch mal ab. Und der heißt Daily, nicht Maily.”
“Wie auch immer, dann werden wir ein Fax mit unserer Zusage abschicken, mit dem Zusatz, daß wir uns um ca. 2 Wochen verspäten werden. Denn wir brauchen dringend mehr Zeit für die Vorbereitungen. Am besten von eurem Büro aus, Frank, geht das?”
“Klaro, aber durch den Sendebericht, merken die, woher das Fax gekommen ist.”
“Macht nichts, sage mir die genaue Uhrzeit und ich fange es im Büro ab und kippe Kaffee über den Absender, oder reiße versehentlich genau das Stück heraus.”
“Sehr gut Joe, das müßte klappen. Außerdem müßtest du dich darum kümmern, mir als persönlicher Verbindungsmann und Dolmetscher zugeteilt zu werden.”
“Uih, nicht einfach, aber an oberer Stelle ist mir noch jemand einen Gefallen schuldig.”
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