Ein freundlicher Mensch suchte und fand mich.
Im Meer lebte eine intelligente, Kraft nutzende Art. Sie ließ mich leben.
Die Menschen in Gurwass fürchteten sich.
Eine Frau schickte mir einen Stein und bat um eine Frage.
DAL war weich, und mein rechter, sonst kräftiger Arm hing nutzlos herunter.
Zwei Vomen wollten eine Pferme misshandeln, und ich schlug die Männer bewusstlos.
Dass ich das geschafft hatte, verblüffte mich weiterhin.
Auf meiner Hafenseite lag die NAVA. Gegenüber hatten zwei größere Schiffe festgemacht, die imposante Ballen schluckten. Am Ende der Bucht legte ein Schiff gerade ab, als Geschrei und Lärm in der Menge zunahm.
Niemand bemerkte mich. Ob es daran lag, weil ich die Kapuze über das Gesicht gezogen hatte, oder meine Kleidung beinahe dem hellen Felsen ähnelte? Ich sah, wie Menschen Waffen in Hosen und Kleidern versteckten. In der Menge standen auch die beiden Vomen, die ich schlafen gelegt hatte.
Eine Gruppe finster blickender Vomen zerrte vier gefesselte Männer auf den Platz. Die Gesichter der Gefangenen zeigten Misshandlungen. Violette und blau-schwarze Flecken, rote Striemen untermauerten den Machtanspruch der Vomen. Ein vielstimmiges Raunen erhob sich und gipfelte in vereinzelte Schreie.
Eine ältere Frau eilte zur NAVA. Sie trug blaue Kleidung, zeigte glatte Haut und blickte mit fischähnlichem Gesicht umher. Auf jeden Fall hätte die Delme mich sehen müssen, als sie die Mitte des Schiffes erreichte, blieb sie auf dem Kai stehen.
„Kapitän Arden“, schrillte ihre Stimme.
An der Reling erschien ein Delmen, ungefähr mein Alter. Er war größer als Oxba.
„Hochgeehrte Sedara-“
„Keine Zeit für Höflichkeiten, Kapitän“, schnitt die Frau ihm das Wort ab. „Alle Delmen müssen sofort kommen. Sardengo und drei andere sollen in der Nacht zwei Vomen niedergeschlagen haben. Die Vomen wollen sie vor der Menge hinrichten. Das müssen wir verhindern.“
„Wen wollen die Vomen denn noch richten?“ Der Satz klang wie eine Frage, besaß aber eine weitere Bedeutung, nämlich, dass die Vomen schon zu viel Macht besaßen.
„Loschen, Hadef und Roxlen. Ihr wisst genau, dass die vier diesen schwarzen Krummhälsen schon lange im Nacken sitzen. So kann es nicht weitergehen, Kapitän. Sie benehmen sich, als ob sie über uns herrschen.“
„Nur leider, hochverehrte Sedara, werden wir immer weniger und die Vomen mehr“, seufzte Arden. „NAVA! Bewaffne dich!“
Vierzig Delmen sprangen über den Schiffsrand und marschierten mit Sedara zur Menge. Die zuvor bunte Mischung der Farben löste sich auf. Wie auf einen unsichtbaren Befehl vereinten sich die bunten Punkte zu einheitlich farbigen Flächen. Die Allmen, die größte Menschengruppe, standen in der Mitte. Die Pfermen als zweitgrößte hielten sich rechts neben den Allmen, daneben versammelten sich die Schlamen, die mit den Pfermen den größten Frauenanteil hatten. Die drittgrößte Gruppe aber stellten die Delmen, die sich auf die äußerste rechte Seite begaben. Auf der linken Seite ordneten sich die Loxmen, dann die Dacmen, die Lumen und die Vomen links neben den Allmen. Zwischen den Farben blieb eine schmale Gasse frei. An der Hauswand standen die vier Gefangenen mit ihren Bewachern. Es gab einen kleinen Tumult, als die Mannschaft der NAVA geschlossen vordrang.
Ich aß meinen letzten Proviant aus getrocknetem Kleptronfleisch und Früchten kleinerer Bäume. Meine Ohrenschmerzen nahmen zu, aber sie waren klein im Vergleich zu den Schmerzen, die mich erwarteten, wenn die Vomen sich mit mir beschäftigten.
Viele Menschen blickten aus geöffneten Fenstern der Delmenhäuser auf den Platz vor ihnen, um das Spektakel zu sehen.
Die Stimmen schwollen an und verebbten wieder zu einem leisen Raunen.
Ich hielt meinen DAL fest.
„Ich weiß nicht, was kommt“, flüsterte ich ihm zu, ohne zu wissen, ob er mich hörte oder verstand. „Du sollst wissen, dass du mich glücklich machst, weil du weich geworden bist. Es ist mir nicht wichtig, ob du mich kräfftern lässt oder nicht. Mochtest du mir auch Schmerzen zufügen, du hast mich begleitet. Ich war nie allein. Dafür danke ich dir! Komm, lass uns versuchen mit der Wahrheit jene dort zu retten, was auch immer mit uns geschieht.“
Sofort wechselte die Farbe zu leuchtendem Weiß und eine Hitze ohne Schmerzen jagte durch meinen Körper. Nie zuvor zeigte er eine Farbe. Dieses Weiß war reiner und heller als die Segel der Schiffe. Unwillkürlich hob ich mit der linken Hand den tauben Arm hoch. Ich küsste meinen warmen weichen Reif. Er schlängelte sich, drückte sich gegen meine Lippen.
Ich schob den laschen Arm in die Tragevorrichtung zurück, griff den Stock und stand auf.
Die Menschen drängten nach vorne und zeigten mir ihre Rücken. Hinter der Menge blieb am Ende der Bucht ein schmaler Rand am Kai frei. Jene, die aus den Fenstern starrten und mich hätten sehen müssen, konzentrierten sich auf das Geschehen direkt unter ihnen. Gebückt und mit gesenktem Kopf schlich ich mich an den Häuserwänden entlang, bis ich die Menschen erreichte. Die Menschen hielten gute vier Schritte Abstand von der Wasserkante.
Gegenüber dem Delmenhaus, vor dem sich die Vomen und ihre Gefangenen versammelten, befand sich das Ende der Bucht. In einem freien Platz zwischen Gefangenen und Bewohnern ging ein älterer Vomen hin und her.
Die Versammlung bildete ein Oval. Langsam und gebückt schlich ich hinter einer Mauer aus unaufmerksamen Rücken, bis ich hinter der Menge stehend die Gefangenen gut sehen konnte.
„Ich wiederhole es gern“, rief der Vomen. Seine schwarze Kleidung passte zu den schwarzen Haaren und dem bleichen dürren Gesicht. Seine Augen waren kleine schwarze Kugeln. Vomen waren dürr aber groß. Sie gingen nicht gebückt, obwohl es so schien; ihre Rücken bogen sich nach vorn, so dass Hals und Kopf den Bogen des Rückens vollendeten. Sie konnten nie aufrecht gehen. Ihre Hälse waren dürr wie sie selbst. Die Haut faltete sich an Hals und Schulter und war dort ledrig. Die Größten konnten mir bis zum Kinn reichen.
Der Vomen zeigte auf die vier Männer, die für alle sichtbar misshandelt worden waren.
„Diese vier haben zwei meiner Leute niedergeschlagen, feige und hinterrücks. Sie müssen sterben.“ Er suchte herausfordernd jene, die wagten, ihm zu widersprechen.
„Dein Ratsmitglied Marov ist nicht da, Vosnet“, entgegnete Arden, ohne sich durch Vosnets Blick einschüchtern zu lassen. „Seit wann bestimmen die Vomen, dass Prügel mit dem Tode bestraft werden? Haben die Vomen Angst vor Prügel? Wo sind die Überfallenen? Zeige sie uns!“
Die Menge lachte.
Vosnet blickte Arden grinsend an.
„Zu ihrem Schutz werde ich das nicht tun. Die Angreifer sterben. Das ist unsere Entscheidung. Ich genieße das volle Vertrauen meines Ratsmitglieds. Er wird mei- äh, die Entscheidung bestätigen.“ Der Vome wich nicht zurück.
„Selbstverständlich hält Marov große Stücke auf dich!“, ergriff ein violetter Lumen das Wort. Diese Gruppe trug weite Kleider. Sie machten sich dadurch größer, zudem boten die weiten Kleider zahlreiche Verstecke für viele kleine Waffen. Lumen waren viel kleiner als Vomen, fast so groß wie Delmen. Sie hatten kein Kinn, waren oft dicker und runder. Jeder hatte sie gern. „Ich missbillige jeden brutalen Angriff, auch auf deine Vomen, aber zu Recht habt Ihr um meinen Rat gebeten. Damit ich die Wahrheit herausfinde, muss ich mit ihnen reden.“ Er nickte zu den vier Gefangenen. Ich fand ihn halbherzig, als ob er nicht das meinte, was er sagte.
„Genau“, rief eine Schlame, das Haar und die Kleidung feuerrot, wie das Gesicht - aber das vor Wut. Ihr Kleid floss wie eine zweite Haut an ihr herunter. Es betonte ihre Weiblichkeit. Sie war rätselhaft. Die Männer ringsum konnten sich ihrem Einfluss nicht entziehen und nickten einfach, um ihr zu gefallen.
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