Hin und wieder können wir Gabelracken (engl.: Lilac Breasted Roller) beobachten. Diese äußerst farbenfrohen Gesellen (Brust violett, Kopf grün mit rotem Gesicht, Bauch und Unterseite der Flügel in einem leuchtenden Hellblau) sind die Nationalvögel Botswanas. Riaan erklärt uns, dass ein Aberglaube hinsichtlich dieser Vögel weit verbreitet ist. Überfährt eine Frau einen dieser Vögel mit dem Auto, werde sie kurze Zeit später schwanger. Riaan meint, dass aus diesem Grund besonders darauf geachtet werde, keinen dieser Vögel zu überfahren. Ich äußere die Vermutung, dass vielleicht manche Frauen extra das Gaspedal drücken, wenn sich einer dieser gefiederten Burschen nähert ... was der frisch verheiratete Riaan mit einem Schmunzeln quittiert.
Um die Mittagszeit steht die Sonne fast im Zenit und wir ziehen uns in den Schatten einer großen Akazie zurück, die am Rand einer mit Wasser gefüllten Salzpfanne liegt. Christoph und ich nehmen auf zwei Feldstühlen unsere Position ein. Hohes Schilfgras versperrt einen Teil der Sicht, so dass Riaan und Besa sich etwas abseits positionieren. Sie können jetzt den verbleibenden Teil der Felsenwanne abglasen. Dieser Ort wird laut Riian häufig von Warzenkeilern frequentiert und auch wir hoffen, heute hier Beute zu machen. Während des über fünfstündigen Ansitzes sehen wir unzählige Warzenschweine, aber es handelt sich entweder um führende Bachen mit Frischlingen oder um Überläuferkeiler. Nicht ein Kapitaler ist dabei. Es ist zum Aus-der-Haut-Fahren ...
Nachmittags brechen wir hier die Zelte ab und beschließen einige andere Wasserstellen anzupirschen. Das überkniehohe Gras erschwert die Sicht auf etwaige passende Keiler erheblich. Allerdings lässt es sich auf dem sandigen Boden der Kalahari fast lautlos pirschen. Als wir eine Wasserstelle anpirschen, geht vor uns ein Keiler flüchtig ab und dreht in ca. 20 Meter Entfernung nach links ab, wobei er seine Flanke freigibt. Christoph hat die Sako bereits angebackt, entsichert und zieht mit dem fliehenden Keiler mit. Er lässt fliegen - der Keiler hat Schuss! Schnell repetiert und dem Wild hinterher, im Laufschritt durch Büsche und Sträucher. Christoph möchte verhindern, dass der Keiler in einen Erdbau einschlieft, aus dem wir ihn nicht mehr rausbekommen. Doch so weit kommt es nicht. Ein Nachschuss bannt den flüchtigen Bassen auf den Fleck. Waidmannsheil zu Christophs erstem Warzenkeiler! Insgesamt hatte Besa heute 71 Warzenschweine gesichtet, aber dies war der einzige starke Keiler.
Wundfährte im Gewittersturm
Zunächst ist guter Rat teuer. Wir haben noch fast zwei volle Jagdtage, aber alle unsere geplanten Abschüsse sind bereits erledigt- und unser Geldbeutel ist entsprechend leer. Eigentlich war ja auch die Jagd auf Gnus fest eingeplant gewesen, aber da unser Budget bereits ausgeschöpft ist, müssen wir das wohl verschieben. Oder doch nicht? Riaan zieht sich in sein Chalet zurück, um unsere Optionen in Ruhe mit dem Outfitter zu sprechen. Chris und ich warten am Feuer, angespannt, wie es jetzt wohl weitergehen wird. Riaan kommt mit äußerst guten Nachrichten zurück. Unser Abenteuer ist noch lange nicht vorbei. Wir dürfen uns an einer Reduktionsjagd auf Gnus und Elands beteiligen. Auch ein Gnu-Trophäenbulle ist freigegeben. Für Anfang nächster Woche wird eine größere Reisegruppe für das „Foto-Camp“ erwartet, und auch diese Gruppe will verpflegt sein! Da lassen wir uns nicht lange bitten, wir wollen doch nicht, dass die Gäste hungern!
Als wir am Nachmittag das Camp verlassen, ist mir angesichts der zunehmenden Bewölkung nicht wohl zumute. Es hat sich eine üble Gewitterfront zusammengebraut, die den Himmel verdunkelt und in Form einer tiefschwarzen Wand drohend näher zieht. Der Wind frischt merklich auf. In der Ferne durchzucken grelle Blitze das Dunkel der Wolkenmasse, und Donner rollt heran. Auf dem Dach des Pirschwagens fühle ich mich wie auf dem sprichwörtlichen Präsentierteller, zumal der uns umgebende Bewuchs niedriger als der Wagen ist. Der Wagen ist ein wahrer Magnet für Blitze. Der Land-Cruiser quält sich durch die vom peitschenden Regen aufgeweichte Sandpiste. Ein Rudel Gnus hat sich in den Schutz einer Gruppe Akazien zurückgezogen. Doch Besas Adleraugen entgehen sie nicht. Nach kurzer Pirsch beschießt Christoph einen jungen Gnubullen auf ca. 100 Meter spitz vor vorne, das Tier geht mit einem Kammerschuß zu Boden. Die Tracker machen sich an die Versorgung des Bullen. Wir pirschen sofort weiter, denn Besa hat nicht weit entfernt einen verhoffenden, alten Streifengnu-Bullen ausgemacht. Noch verhofft der Bulle, und Christoph lässt fliegen. Doch der Schuss sitzt etwas zu tief und trifft den rechten Vorderlauf ... das Tier geht flüchtig ab. Nach wie vor regnet es wie aus Kübeln und es blitzt. Doch wenigstens befinden wir uns nicht mehr auf dem Dach des Land-Cruiser ... Mein einziger Wunsch ist gerade, heil aus diesem Unwetter wieder herauszukommen. Und doch erfordert die Waidgerechtigkeit eine umgehende Nachsuche. Jetzt ist die Stunde der Buschmann- Fährtenleser gekommen.
Zunächst gilt es, die Fährte des verwundeten Tieres unter der Vielzahl der Hufabdrücke auszumachen, wobei der starke Regen auf dem sandigen Untergrund alle Anstrengungen zunichte zu machen droht. Doch unbeirrbar nehmen Besa und sein älterer Stammesgefährte und Lehrmeister Matlewa die Fährte auf. Hierbei achten sie weniger auf die kaum wahrnehmbare Schweißspur als vielmehr auf die verstärkte Spreizung der Schalen des linken Vorderlaufs. Denn aufgrund der Verwundung schont der Bulle seinen rechten Vorderlauf und belastet den linken Lauf stärker. Riaan weist mich an, mich ebenfalls zu bewaffnen. So tausche ich meine Spiegelreflexkamera gegen die alte Musgrave im Kaliber .30-06 und folge ebenfalls der Wundfährte. Zum Glück lässt der Regen bald nach, doch unsere Hemden, Hosen und Jagdstiefel triefen vor Nässe. Mittlerweile ist über eine Stunde vergangen und mit pochendem Puls und keuchendem Atem verfolgen wir weiter die Fährte. Hinter einer Dickung wird der Bulle plötzlich hoch und geht sofort wieder flüchtig ab. Christoph und ich schießen je zwei Mal nach, doch alle vier Schüsse verfehlen das Tier, es ist wie verhext ...
Weiter geht die Nachsuche. Einige Male müssen wir auf unseren eigenen Fährten zurück, um kurz darauf die Wundfährte in korrigierter Richtung wieder aufzunehmen. Mittlerweile dunkelt es schon, doch immer wieder holen wir den Bullen ein. Da ist er ... Christoph schießt, trifft aber nicht. Der Bulle flüchtet erneut. Ich gehe in Anschlag, zögere noch eine Sekunde - jetzt habe ich ihn frei und lasse fliegen. Mit einem „Texas Heart Shot“, einem schnellen Schuss auf die Wirbelsäule des fliehenden Bullen, geht dieser zu Boden. Das 11,34 Gramm schwere Geschoß hat die Wirbelsäule durchschlagen, der Bulle ist im Knall verendet. Uns allen fällt ein Stein vom Herzen, diese Nachsuche hatte es wirklich in sich. Dank der außerordentlichen Fähigkeiten unserer Spurenleser ist das verwundete Tier doch noch zur Strecke gekommen. Wieder einmal zeigt sich die Zähigkeit dieser Antilopenart: Obwohl der erste Schuss den Oberschenkelknochen des Vorderlaufs völlig zerstört hatte, floh das Gnu noch über eine Distanz von mehr als 3 Kilometer ...
Zurück im Camp serviert Johnson Oryx-Kebabspieße unter dem afrikanischen Sternenhimmel, gefolgt von Springbocksuppe und dicken Steaks, die Riaan fachmännisch auf dem Grill zubereitet. Clive berichtet, dass die Geschäfte wegen zunehmender Repressalien gegen die Jagdindustrie seitens des Präsidenten Ian Khama nicht mehr gut laufen. In Botswana werden immer mehr Konzessionen für die Jagd geschlossen und die vormaligen Jagdblöcke an Tourismusunternehmen vergeben. Möglicherweise ist dies für uns eine der letzten Gelegenheiten, in diesem wunderbaren Land zu jagen.
Buschfeuer
Noch einmal reißt mich der Naro-Weckdienst um fünf aus tiefem Schlaf. Kurzes duschen, dann rein in die namibianischen Robbenlederstiefel, die sich bisher gut bewährt haben. Darüber trage ich Gamaschen, die das Eindringen von Nässe und Schmutz verhindern. Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50 ist hier ein Muss. Da insbesondere auf der Frühpirsch auf dem Dach des Jagdwagens kühle Temperaturen herrschen, bin ich froh über meine gefütterte Jacke und ein grünes „Shemag“-Halstuch, das später am Tag, um den Kopf geschlungen, als Sonnenschutz dient.
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