Das Flughafengebäude des „International Airport“ in Maun ist, gelinde gesagt, übersichtlich. Es beherbergt auf ca. 60 qm den Check-in-Schalter, die Pass- und Sicherheitskontrolle, Gepäckabfertigung und Wartehalle. Die Koffer werden per pedes in die Flughafenhalle gebracht. Unser Jagdführer, Riaan, ein junger Botswaner, empfängt uns, und mit einem Land-Cruiser machen wir uns auf den dreistündigen Weg zum Jagdgebiet. Die Straße führt schnurgeradeaus und ist vereinzelt von Schlaglöchern durchsetzt. Immer wieder müssen wir bremsen und ausweichen, weil entweder Einheimische gemächlich auf der Straße schlendern oder aber Wildesel die geteerte Piste als Teil ihres Territoriums sehen. Schier sintflutartige Wassermassen aus Angola haben vor einigen Monaten sämtliche Brücken über den Okavango zum Einsturz gebracht, die nunmehr durch Schotterpisten behelfsmäßig ausgebessert sind.
Das Camp
Unser Jagdcamp liegt inmitten der Kalahari, einige Kilometer nördlich der kleinen Siedlung Ghanzi. Bereits auf der Fahrt zeigt sich deutlich, dass die Kalahari keine Wüste im eigentlichen Sinne ist, sondern eine von zahlreichen Büschen und Bäumen durchsetzte Steppenlandschaft, die jetzt im Februar im herrlichsten Grün leuchtet. Die Kalahari ist zugleich Hauptsiedlungsgebiet der San-Buschmänner. Die San gelten als die ersten Bewohner Afrikas und bilden nach Meinung von Experten sogar die Wurzel des menschlichen Stammbaums. Die San sind ausgezeichnete Fährtenleser, weshalb sie bei Berufsjägern im südlichen Afrika als „Tracker“ sehr begehrt sind. Riaan erwähnt, dass wir das große Glück haben werden, mit ausgezeichneten Fährtenlesern vom Stamme der Naro zu jagen. Die urtümlich anmutende Sprache der Naro beinhaltet allein 7 verschiedene Klicklaute.
Es ist eher ungewöhnlich, dass Nicht-Farbige der Naro-Sprache mächtig sind, denn normalerweise wird diese Sprache nur innerhalb des eigenen Stammes weitergegeben. Doch unser Jagdführer Riaan hat als Kind seine Schulferien regelmäßig in Botsuana auf der Farm seiner Eltern verbracht. Dort lernte er sowohl die Jagdgebräuche als auch die Sprache der auf der Farm angestellten Naro. Mittlerweile spricht er fließend Naro, was für eine reibungslose Kommunikation zwischen Fährtenlesern und Jagdführer sorgt und uns als Jagdgästen zugutekommt.
Mein Bruder und ich beziehen unsere gemauerten, reetgedecken Chalais mit eigenem Bad. Das Camp wurde vor ca. 20 Jahren von dem Jagdveranstalter Clive selbst erbaut und liebevoll ausgestattet. Zum Camp gehört eine Wasserstelle, die sich hervorragend für Tierbeobachtungen eignet und die von einer Flußpferdfamilie bewohnt ist. Das Gebiet, auf dem wir jagen werden, umfasst 120.000 Hektar unberührter Wildnis. Dies entspricht etwa der Hälfte der Fläche des Saarlands.
Der Himmel färbt sich feuerrot und die Hitze des Tages lässt langsam nach. Am Lagerfeuer entspannen wir bei einem kühlen Drink, gemixt von dem Barmann Johnson, der ebenfalls zum Stamme der Naro gehört. Riaan berichtet, dass in letzter Zeit die Fährten einer starken Leopardin in Campnähe gesichtet wurden. Unwillkürlich sehe ich mich um: der Gedanke, dass eine Leopardin nachts durch unser Camp schleichen könnte, behagt mir nicht wirklich...
Trotz der ungewohnten nächtlichen Geräusche der Kalahari-Bewohner falle ich schnell in einen tiefen Schlaf, gelegentlich unterbrochen vom Grunzen der Hippos, die ganz in der Nähe meiner Behausung äsen.
Diana lächelt
Ein Weckteam, bestehend aus zwei Naro-Frauen, weckt uns mit lautem Trara um 5.00 Uhr. Ich genieße den kühlen nächtlichen Luftzug auf der Terrasse meines Chalais. Mit meinem handlichen 8 X 32-Glas beobachte ich beim ersten Licht drei Wasserböcke beim Äsen. Hier gibt es kein Handynetz, Entspannung pur. Handtellergroße Falter umschwirren die Lampe vor meiner Terrasse, Grillen zirpen. Langsam erwacht der Tag. Vor dem Essensgebäude prasselt schon wieder leise das Lagerfeuer.
Gegen 6:00 Uhr heißt es „Aufbruch zur Jagd“. Zunächst wollen wir einen Probeschuss machen. Wir haben auf die Mitnahme eigener Büchsen verzichtet, da die Erfahrung gezeigt hat, dass die Jagdanbieter vor Ort in der Regel über eine hervorragende Ausrüstung verfügen, die an die Bedürfnisse des jeweiligen Jagdgebietes angepasst ist. Meine Wahl fällt auf eine Musgrave im Kaliber .30-06, während mein Bruder eine Sako im Kaliber 7 mm Rem. Mag wählt. Die Probeschüsse sitzen im Schwarzen und wir sind bereit.
Auf dem offenen Pirschwagen, gefahren von dem Naro-Buschmann George, geht es los zur ersten Pirschfahrt. Mit einem langen dünnen Stab, ähnlich einem Taktstock, gibt Riaan unserem Fahrer die Richtung vor, in die der Pirschwagen fahren soll. Auf der deutlich erhöhten Rückbank stehend, kommt er mit dem langen „Taktstock“ leicht bis an die Windschutzscheibe, um den Wagen etwa durch zweimaliges Antippen zum Stehen zu bringen oder George durch Vorgabe der Richtung zum Abbiegen zu bewegen. Riaan, Chris und ich stehen oben auf dem Wagen, hinter uns halten die Buschmänner Besa und Matlewa Ausschau nach Wild. Sie scheinen die Tiere eher zu spüren als zu sehen, jedenfalls ist ihre Beobachtungsgabe phänomenal. Schnell lernen wir auch, uns zu ducken, wenn der Safariwagen einen Baum mit überhängenden Ästen passiert. Nicht mehr als einmal lassen wir uns Gesicht und Hände von dornentragenden Zweigen zerkratzen.
Den Vormittag verbringen wir mit dem Abfährten von Elandwechseln, da ich bereits seit Jahren den sehnlichen Wunsch hege, auf einen dieser lautlosen Riesen zu waidwerken. Ich bin fasziniert von den Fähigkeiten der Naro-Tracker, die schon bald eine Fährte aufgenommen haben und dieser unentwegt folgen. Nach einigen Stunden brechen wir die Pirsch ab, da kein Herankommen möglich ist ...
Am Nachmittag zieht der Himmel sich plötzlich zu und es bilden sich dichte Gewitterwolken, die sich drohend auftürmen. Das saftige Hellgrün des Buschwerks und der leuchtend rote Sand des Wüstenbodens bilden hierzu einen imposanten Gegensatz. Der Fährtenleser Besa macht ein Rudel Gnus aus, auf die mein Bruder waidwerken will. Jetzt gilt es. Leise schieben wir uns durch das Buschwerk vorwärts. Der Wind steht gut, er zieht beständig auf die aufkommende Gewitterfront in unserem Rücken zu. Geduckt und auf jeden trockenen Ast auf dem sandigen Boden der Kalahari-Wüste achtend, pirschen wir leise hinter Besa her. Wir nähern uns dem Rudel auf etwa 80 Meter. Gedeckt hinter einem Akazienstrauch glasen wir das vor uns äsende Rudel ab. Riaan stößt einen leisen Pfiff aus und mein Bruder umgreift die Büchse in freudiger Erwartung eines braven Gnubullen fester...
Ein Blick durch die Zieloptik lässt aber nicht etwa ein Gnu, sondern einen kapitalen, alten Elandbullen im Fadenkreuz erkennen, der sich äsend in den Schatten eines Dornenbuschs eingeschoben hat. Das ist wahrlich ein Prachtkerl, die Decke aufgrund des hohen Alters bereits blaugrau schimmernd, die Stirnlocken dunkelbraun verfärbt und die prächtig gedrehten Hörner schwarz glänzend. „Einen braveren Bullen werdet ihr hier nicht finden“, kommentiert der erfahrene Jäger Riaan. „Bist du bereit?“ fragt er und sieht mich an.
Mein Entschluss steht fest. Wenn einen die Jagdgöttin derart anlächelt, sollte man zugreifen. Bereits seit meiner ersten Jagdreise ins südliche Afrika vor über 10 Jahren bin ich fasziniert von den größten Antilopen Afrikas, die von den Buschmännern als heilige Tiere verehrt werden. Ich bringe die Sako im Kaliber 7mm Rem. Mag über den dreibeinigen Pirschstock vorsichtig in Anschlag ... der Bulle steht spitz zu uns, doch Riaan signalisiert mir zu warten, bis er breit steht. Ich will kein unnötiges Risiko eingehen, dieses herrliche Tier waidwund zu schießen. Aufgrund ihres massiven Körperbaus und mit bis zu einer Tonne Lebendgewicht sind Elandbullen sehr schusshart. Die erste Kugel muss sitzen.
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