„Wir beide haben das nur getan, weil wir uns inzwischen große Sorgen um unsere seit heute Mittag vermissten Kameraden machen. Falls wir mit unserer eigenmächtigen Tat also gerade unseren Akademieabschluss versemmelt haben, so ist uns das momentan völlig schnuppe. Denn Ihr Sohn und Ihre Tochter sind für uns beide bereits seit gut zwei Jahren sehr viel mehr als nur akademische Freunde“, ergriff jetzt wieder die ein wenig traurig und nervös um sich blickende Aquanautin Kala das Wort.
Da ihr das versonnene Lächeln der bis dahin schweigenden Mora Kranz nicht entgangen war, setzte sie gleich darauf noch einmal mit viel selbstbewussterer Stimme in Richtung von Alexander Kranz fort:
„Sir, da wäre noch etwas – und ehe Ihnen das irgendjemand anderes zuträgt, muss ich Ihnen ganz offen beichten, dass mein Bruder und ich uns in den vergangenen Monaten immer mehr in Ihre Zwillinge verliebt haben, was übrigens auf Gegenseitigkeit beruht. Außerdem sollten Sie wissen, dass wir dem Volk der Aquanauten von ENCELADUS angehören und die Kinder von Präsidentin Alami sind.
Und obwohl tiefere Beziehungen mit uns Aquanauten seitens hochgestellter terranischer Eltern wahrscheinlich nicht so gerne gesehen werden, werden wir an unserer Verbindung zu Ihrer Tochter und Ihrem Sohn festhalten. Umgekehrt wird vermutlich auch unsere verehrte Mutter Alami der Schlag treffen, wenn sie von unserer doppelten Liaison und unseren Zukunftsabsichten erfährt. Bisher weiß sie nämlich davon ebenfalls noch nichts.
Jedoch sollten wir das alles meines Erachtens zunächst mal hintanstellen und stattdessen lieber Ihrer Fürstin Mora bei der Ortung von Lisa und Maxi helfen. Wir zwei sind nämlich ebenfalls ganz brauchbare Telepathen und könnten mit ihr zusammen einen PSI-Kreis bilden, um unsere psionischen Kräfte zu bündeln.“
Mora Kranz, die der Rede der jungen Aquanautin mit halbem Ohr und zunehmend belustigter Miene zugehört hatte, meinte daraufhin trocken: „Ich danke dir für deine ehrlichen Worte, liebe Kala. Du bist ein ausgesprochen hübsches und offensichtlich ziemlich kluges Mädchen. Du und dein Bruder seid beide sehr sympathische Menschen, das kann ich sehr gut spüren.
Auch wenn wir uns über eure Beziehung zu unseren Kindern später sicher noch unterhalten müssen, kann ich euch zunächst mal beruhigen – mein Mann und ich würden dem Glück unserer Kinder niemals im Weg stehen. Damit meine ich, dass nicht alle terranischen Eltern so ticken, wie du es eben beschrieben hast. Und deshalb lasst ihr ab sofort auch die formellen Anreden bleiben.
Ihr müsst begreifen, dass wir uns nicht als hochgestellte Leute betrachten, was genauso für unsere Kinder gilt. Dieses Adjektiv trifft da wohl schon eher für eure Mutter Alami zu, die ja zugleich die Präsidentin aller Aquanauten auf KRONOS AQUA ist. Mit der solltet ihr also zunächst mal ein Gespräch über eure zukünftige Lebensplanung führen. Wobei mir einfällt – ihr habt noch gar nichts über euren Vater erzählt.
Da eure Mutter aufgrund eurer morgigen Abschlussfeier ja bereits auf dem Weg nach TERRA ist, bietet sich für ein Gespräch ja auch schon in allernächster Zeit dafür die Gelegenheit. Wobei, neben unseren Kindern, auch mein liebreizender Ehemann und ich euch natürlich gerne zur Seite stehen und helfen werden.
Übrigens – was eure Graduierung betrifft, so kann ich euch schon mal beruhigen. Die und auch die anschließende Feier morgen wurden nämlich schon kurz nach unserem Start bis auf Weiteres verschoben. Eine Entschuldigung muss euch mein Alex deshalb also auch nicht schreiben, weil ihr außerdem ab sofort auf meinem Schiff offiziell im PSI-Einsatz seid. Das terranische Flottenkommando hat nämlich gerade ganz andere Sorgen, weil es gilt, den Vorfall auf LUNA-PRIME aufzuklären.
So, und jetzt setzt ihr beide euch mal neben mich hin und fasst mich bei der Hand. Umarmen machen wir später. Deine Idee mit dem PSI-Kreis, liebe Kala, die ist ganz vortrefflich. Und bis wir unsere Kids aufgespürt haben, wird auch mein kariert guckender Ehemann seine augenblickliche Schockstarre überwunden haben.“
Gerade als Moras Kommentar verklungen war, tönte die unverkennbare Stimme von Oberstleutnant Wolfgang Ries aus der Navigations- und Ortungsabteilung über die Bordsprechanlage:
„Ortung an Brücke. Wir messen gerade den unberechtigten Start eines 100-Meter Raumers auf LUNA-PRIME an. So, wie’s aussieht, handelt es sich um einen Kugelraumer der ODIN-Klasse, der sich gerade mit hohem Tempo aus dem lunaren Orbit entfernt. Was ich jedoch nicht verstehe, ist, warum dieses getarnt fliegende Schiff schon seit seinem Start andauernd die Modulationsfrequenz seines Heckschutzschirms ändert – da macht doch der Tarnkappenmodus dann überhaupt keinen Sinn.“
„Aber ich verstehe das, Wolfgang. Danke, dass du so gut aufgepasst hast. Was glaubst du denn wohl, wer diese Kiste fliegt? Diejenigen, die dieses Kugelschiff steuern, sind unsere Leute – und die wollen schlicht auf sich aufmerksam machen“, erwiderte Alex Kranz prompt. Doch noch ehe jemand etwas darauf erwidern konnte, schrie Mora Kranz erregt in die Runde:
„Haltet mal alle ‘nen Moment lang die Klappe. Dank meiner beiden Assistenten erfasse ich gerade meine Mora-Lisa. Sie sitzt scheinbar zusammen mit Mary Starke in der ziemlich beschädigten MHORA-X2-S1 fest. Wie lange noch bis nach LUNA-PRIME?“
„Schätzungsweise noch 5 Minuten“, entgegnete Alex Kranz spontan, wobei er zugleich eine überaus ernste Miene aufsetzte. „Planst du die Verfolgung des Kugelraumers abzubrechen und erstmal Mary sowie unsere Tochter zu bergen?“
„Yep, genau das habe ich vor. Den beiden geht in ihrem beschädigten Beiboot nämlich allmählich die Atemluft aus. Alex, mach dich schon mal für einen Teleportersprung bereit. Das muss jetzt ein bisschen schneller gehen, als sonst – denn es eilt gewaltig. Um das geflohene Kugelschiff kümmern wir uns später.“
„Verstanden, mein Schatz – bin in wenigen Sekunden weg und hole die beiden dort unten raus. Geh du inzwischen in einen stabilen geostationären Orbit über der Station“, erwiderte Alexander Kranz jetzt mit eiskalter Ruhe, während er sich eilig seinen Raumanzug überstreifte.
„Sofern die Kommandantin einverstanden ist, würde ich dich gerne begleiten, Fürst Alex“, meldete sich an dieser Stelle Lisas aquanautischer Freund Moana zu Wort, bevor er noch hinzufügte:
„Beim Teleportieren bin ich nämlich bislang immer noch ein bisschen besser als meine kleine Schwester. Außerdem kenne ich dank der telepathischen Verbindung zu Lisa, die exakte Position, zu der wir beide springen müssen. Alles was ich dafür jetzt noch benötige, ist ein zweiter Raumanzug.“
„Dort im Schrank – und beeil dich ein bisschen, Moana. Soweit ich das aus Lisas und Marys Gedanken lesen kann, ist dort unten auf LUNA-PRIME tatsächlich etwas Schreckliches passiert“, knurrte Mora Kranz prompt mit zorniger Stimme, als die beiden Teleporter auch bereits mit dem gewohnten Vakuumknall aus der MHORA-X2 verschwanden.
Es dauerte nicht besonders lange, bis sich der laute Knall wiederholte, mit dem die beiden Teleporter mit Lisa und Marianne Starke an der Hand aus einem nebligen Gebilde heraus in der Zentrale der MHORA-X2 auftauchten. Aus den Augenwinkeln konnte Mora Kranz erkennen, wie ihre Tochter Lisa ihren Freund Moana überglücklich anlächelte und küssend umarmte, bevor sie ihrer Mutter spontan um den Hals fiel und ihr sowie ihrem Vater zuflüsterte:
„Bitte nicht böse sein, liebe Eltern. Maxi und ich hatten nämlich eigentlich vor, euch unsere aquanautischen Freunde bei unserer heutigen Graduierungsfeier offiziell vorzustellen. Verzeiht uns bitte, dass wir euch nicht schon früher über unsere Beziehung zu den beiden informiert haben. Wir wollten halt erst mal sichergehen, dass es zwischen uns Vieren auch passt.“
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