„Dieser Ort gefällt mir sehr. Vor allem finde ich die maritime Dekoration sehr hübsch, weil sie mich an ähnliche Einrichtungen auf unserem untergegangenen Kontinent MURA erinnert. Gib’s zu, hierher hast du mich absichtlich gebracht – stimmt‘s?“
„Nun, man tut was man kann. Ich jedenfalls bin – sofern ich nicht Einsätze mit meiner KIMBAL fliege – sehr gerne hier. Unter anderem auch, weil ich ganz in der Nähe wohne und als Single meistens keine Lust zum Kochen habe“, flüsterte Tony seiner Begleiterin ins Ohr, während das Paar von einem Kellner zu dem von Tony telefonisch reservierten Tisch geführt wurde.
„Möchtest du lieber Fisch oder Fleisch essen? Beides kann ich dir empfehlen. Und vor allem die Pasta, die es gleich als Vorspeise gibt, ist einfach nur köstlich“, sagte Tony zu Ayla, als diese die reich bebilderten Menüvorschläge in der Speisekarte äußerst aufmerksam studierte.
„Ich glaube, ich nehme das hier“, sagte Ayla, wobei sie zugleich mit ihrem schlanken Zeigefinger auf eines der Bilder zeigte. „Okay, das ist eine gute Wahl, Ayla. Wir nehmen also zweimal Rinderfilet in Rotweinsauce und Rosmarinkartoffeln mit Salat als Hauptgericht. Und zum Nachtisch möchten wir echtes italienisches Schokoladeeis“, wandte er sich dann an den bereitstehenden Ober.
„Sehr gerne – und was darf ich Ihnen zum Trinken bringen?“ „Ich denke zwei Gläser vom 2015er Chateau Lafitte würden sehr gut zu unserem Hauptgericht passen.“
„Da haben Sie recht, Sir – übrigens soll ich Ihnen Grüße von meinem Boss ausrichten. Er ist froh, Sie nach längerer Abwesenheit mal wieder bei uns zu sehen.“
„Vielen Dank. Sagen Sie Antonio bitte, dass meine Freundin und ich jetzt öfter herkommen. Schließlich muss ich ihr noch andere Menüs eurer vorzüglichen Speisekarte näherbringen.“
„Ich werde es ausrichten, Sir. Signore Agnelli wird darüber sehr erfreut sein“, erwiderte der Kellner, ehe er sich in Richtung Küche aufmachte, um die Essensbestellung weiterleiten.
„Signore Antonio Agnelli ist der Besitzer des Restaurants – und außerdem ist er sein begnadeter Chefkoch“, erklärte Tony in Richtung der schmunzelnden Ayla, als er noch hinzufügte: „Ich bin so froh, dass es dir hier gefällt. Weißt du überhaupt, wie hübsch du aussiehst, wenn du lächelst?“
„Nett, dass du mir solch ein schönes Kompliment machst, Tony. Ich bin daran gar nicht mehr gewöhnt“, erwiderte Ayla während des anschließenden Essens mit sanft geröteten Wangen, was wegen ihres blassen Teints von ihrem Begleiter besonders gut auszumachen war.
„Tja, meine Eltern haben mich halt gut erzogen. Besonders meine Mutter hat immer ganz besonderen Wert auf gutes Benehmen gelegt.“
„Leben deine Eltern ebenfalls hier in der Nähe?“, fragte Ayla neugierig weiter, während sie sich genüsslich die als Vorspeise gereichten leckeren Spaghetti mit Krabben schmecken ließ.
„Nun, bei uns in Amerika sind Entfernungen nicht so sehr von Bedeutung. So gesehen hast du recht – meine Eltern wohnen nicht allzu weit weg. Sie besitzen eine Ranch in Kalifornien, auf der sie Pferde und Rinder züchten und auf der ich bis zum Beginn meiner militärischen Ausbildung aufgewachsen bin.
Von hier aus gesehen ist Kalifornien ein unmittelbar benachbarter Bundesstaat – und mein Elternhaus liegt in der Nähe der Stadt Bakersfield, etwa 360 Kilometer von hier entfernt.
Wenn ich es einrichten kann, besuche ich sie mindestens an einem Wochenende im Monat und mache mich dann auf der Ranch nützlich. Vor allem, wenn ich mal ein bisschen Ausgleich und zugleich Erholung vom routinemäßigen Flottendienst in der JDEF brauche.“
„Das finde ich, ist eine schöne Angewohnheit. Vielleicht nimmst du mich ja einmal mit, wenn du deine Eltern das nächste Mal besuchst“, meinte die Aquanautin ganz unverblümt, als sie in die verblüfften Augen ihres Gegenübers schaute.
„Was ist – hab‘ ich jetzt was Ungebührliches gesagt?“, meinte Ayla erschrocken. Jetzt war es Tony, der unversehens ihre rechte Hand ergriff und ihr sanft über den Handrücken streichelte, was bei Ayla ein sanftes Prickeln auf der berührten Haut auslöste.
„Nein, verehrte Ayla – daran war überhaupt nichts ungebührlich. Ganz im Gegenteil, ich freue mich darüber. Aber normalerweise stellen Jungs ihre Freundinnen erst dann den Eltern vor, wenn sie sicher sind, dass sie mit ihnen eine Beziehung eingehen wollen. Und deshalb geschieht das meist erst nach dem zweiten oder dritten Date.“
„Und – willst du eine Beziehung mit mir eingehen? Entschuldige bitte, dass ich dich das so unverblümt frage, aber ich bin ziemlich unerfahren, was eure Gebräuche in dieser Hinsicht angeht“, murmelte Ayla jetzt kaum vernehmbar vor sich hin.
„Natürlich, Ayla. Du bist so eine wunderschöne und faszinierende Frau. Schon allein deshalb werde ich dich demnächst nicht nur meinen Eltern vorstellen, sondern ich will dir auch unsere Ranch zeigen. So, und jetzt lächle bitte wieder, ich bin nämlich gerade dabei mich in dich zu verlieben.“
„Was hast du gerade gesagt? Du meinst das scheinbar wirklich ernst – oder? Meine Güte, ich kenne derartige Gefühle bislang nicht wirklich, aber ... aber ich freue mich sehr über deine Worte. Und ja, ich mag dich ebenfalls, Tony. Daher würde ich auch gerne mehr Zeit mit dir verbringen“, flüsterte Ayla, wobei sie augenblicklich erschrak, dass sie das gerade wirklich gesagt hatte.
„Das war ein aufregendes Geständnis, Ayla – ich glaube fest daran, dass aus uns beiden ein Paar werden kann, sofern wir es denn wollen. Aber wir sollten nichts überstürzen. Weil ich dir nämlich ausreichend Zeit zum Nachdenken über uns beide geben will. Und deswegen lade ich dich schon in den nächsten Tagen gleich zum nächsten Date ein, bei dem ich dir die absolut verrückte Innenstadt von Las Vegas zeigen möchte.
Übernächste Woche arrangiere ich darüber hinaus ein paar Shuttle-Flüge, die dich und deine Leute zum Paiute-Reservat und zum Pyramid Lake bringen werden. Denn ich glaube es ist wichtig, dass ihr euch dort erstmal mit eigenen Augen umschaut, ehe ihr eine Entscheidung über eure künftige Heimstatt trefft.
Wobei ich gleich morgen über Mora und Alex ein Treffen mit unserem Freund Chief David Grey Bear vereinbaren lasse. Betrachte mich also künftig nicht nur als Freund, sondern auch als deinen ganz persönlichen Touristenführer.“
„Das ist weit mehr, als ich zu hoffen wagte. Aber zum Thema Fliegen und Besichtigen fällt mir gerade wieder ein, dass du mir ja versprochen hattest, mir deine Heimat demnächst mal aus der Luft zu zeigen. Musst du dazu möglicherweise eins eurer Shuttles für private Zwecke klauen? Denn, wenn das so wäre, möchte ich das nicht – vor allem, wenn du dadurch in Schwierigkeiten gerätst.“
„Keine Sorge, ich habe etwas völlig anderes im Sinn. Und schon gar nicht müsste ich als Stellvertreter von General Blackhorse irgendwelche Probleme fürchten, wenn ich mir mal ein kleines Fluggerät der JDEF ausleihen würde. Aber ein Shuttle ist für das, was ich vorhabe gar nicht nötig.
Eines hast du heute Abend jedoch schon richtig ausgedrückt – wir zwei werden durch die Luft fliegen, wenn wir meine Eltern auf ihrer Ranch besuchen. Aber nicht mit einem Shuttle. Womit wir das dann tun werden, verrate ich dir momentan noch nicht. Das soll nämlich eine Überraschung werden.“
„Einverstanden – und ich verspreche auch, nicht in deinen Gedanken nach der Antwort zu forschen, auch wenn mir das schwerfällt. Wie alle Aquanautinnen, bin ich nämlich ziemlich neugierig. Demgegenüber liebe ich es aber auch, wenn mich jemand überrascht.“
„Dann ist’s ja gut, meine Liebe. Ich hoffe, du hast nichts gegen diese besondere persönliche Anrede. Und mit der Neugier stehst du Terranerinnen in nichts nach – die haben diese Eigenschaft in den meisten Fällen ebenfalls in ihrem Wesen verankert. Doch eines würde ich jetzt gerne auch von dir wissen. Kannst du mir sagen, was damals mit deinen Eltern passiert ist? Gehören sie zu den Aquanauten, die wir aus deinem Stützpunkt geborgen haben?“
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