Heinz Schöpf
Hundswand
Roman
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Inhaltsverzeichnis
Titel Heinz Schöpf Hundswand Roman Dieses eBook wurde erstellt bei
1 1 Erster Juli und Wettersturz: ein kongeniales Paar. Pünktlich zu Beginn des Sommers macht sich das Wetter lustig über ihn und über uns, die wir hier unser Dasein fristen in dieser kargen Landschaft. Berge, wohin man schaut. Alles so steil hier. Da stürzt sogar das Wetter. So schickt das Atlantiktief Josefine seinen ersten Regengruß konsequent in dem Moment los, als meine beiden Freunde und ich aus dem Kino ins Freie treten. „ Also ich nehm mir ein Taxi. Das ist kein Wetter für meine Flipflops. Außerdem hab ich keine Lust auf eine Sommergrippe. Wer kommt mit?“ , sage ich. „ Sei gescheit, Paul. Mein Wagen steht gleich hinterm Hofgarten, bloß fünf Minuten von hier“ , sagt Carl. „ Wer als Letzter beim Auto ist, zahlt die Grappas bei Ernesto“, sagt Manuel, während er auch schon schnellen Schrittes losmarschiert. Er hat leicht reden, schließlich ist er als Einziger von uns mit wetterfesten Wanderschuhen ausgestattet. „ Nicht die Grappas, sondern die Obstler“, flüstert Carl und zwinkert mir zu, während er die Schnallen seiner Sandalen löst. Er zieht sie aus, nimmt sie in die Hände und läuft Manuel barfuß hinterher. „ Obstler gibt es nur bei uns, nicht in Limone!“ , schreie ich ihm nach. Ich vermeine ein „Eben darum!“ zu hören, weiß jedoch nichts mit seiner Antwort anzufangen. Manuels schweres Schuhwerk, das überhaupt nicht zum Rest seiner übrigen Erscheinung - Polohemd, Bermudas und Strohhut - passt, hätte mich sofort stutzig machen müssen.
2 2 Auf das diesjährige Stammtischwochenende habe ich mich ganz besonders gefreut. Ein äußerst anstrengendes Schuljahr neigt sich dem Ende zu. In acht Tagen beginnen die verdienten Sommerferien. Zuvor jedoch werde ich die zwei schönsten Tage des Jahres genießen: in Limone, meinem Lieblingsort, in Italien, meinem Lieblingsland, angefüllt mit leichten Gesprächen und schwerem Wein, nur wir drei Freunde, die beiden ohne Ehefrauen, ohne pubertierenden Anhang (ich bin ledig und kinderlos, Gott sei Dank), befreiendes Gelächter über dies und das, einfach ein bisschen die Zeit tot schlagen mit Polenta und Kaninchen, meinem Lieblingstier, vorzugsweise medium, in leichter Rotweinsoße, im Schatten der Zitronenbäume unserer Stamm-Trattoria, anschließend ein, zwei, vielleicht auch sechs oder sieben Grappas auf der Terrasse von Ernestos Bar und als krönender Abschluss die Zeremonie des Entkleidens und Nacktbadens im kühlen Gardasee, um einigermaßen wieder zur Besinnung zu kommen und halbtot zum Hotel Santa Maria zu wanken, wo wir uns mit schweren Zungen und leichten Herzen, sorglos wie die 14-jährigen Jungs meiner 4b auf Klassenfahrt, bei Sonnenaufgang in die Betten unserer gemütlichen Einzelzimmer fallen lassen, gerade einmal drei Stunden von hier entfernt. Zwei Jahre ist`s nun her, dass wir dort gewesen sind. Aber ich erinnere mich noch genau an jedes Detail, jeden Duft, jeden Gedanken, jedes Kaninchen. Heute Abend ist es endlich wieder so weit.
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Impressum
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Erster Juli und Wettersturz: ein kongeniales Paar. Pünktlich zu Beginn des Sommers macht sich das Wetter lustig über ihn und über uns, die wir hier unser Dasein fristen in dieser kargen Landschaft. Berge, wohin man schaut. Alles so steil hier. Da stürzt sogar das Wetter.
So schickt das Atlantiktief Josefine seinen ersten Regengruß konsequent in dem Moment los, als meine beiden Freunde und ich aus dem Kino ins Freie treten.
„ Also ich nehm mir ein Taxi. Das ist kein Wetter für meine Flipflops. Außerdem hab ich keine Lust auf eine Sommergrippe. Wer kommt mit?“ , sage ich.
„ Sei gescheit, Paul. Mein Wagen steht gleich hinterm
Hofgarten, bloß fünf Minuten von hier“ , sagt Carl.
„ Wer als Letzter beim Auto ist, zahlt die Grappas bei Ernesto“, sagt Manuel, während er auch schon schnellen Schrittes losmarschiert.
Er hat leicht reden, schließlich ist er als Einziger von uns mit wetterfesten Wanderschuhen ausgestattet.
„ Nicht die Grappas, sondern die Obstler“, flüstert Carl und zwinkert mir zu, während er die Schnallen seiner Sandalen löst. Er zieht sie aus, nimmt sie in die Hände und läuft Manuel barfuß hinterher.
„ Obstler gibt es nur bei uns, nicht in Limone!“ , schreie ich ihm nach.
Ich vermeine ein „Eben darum!“ zu hören, weiß jedoch nichts mit seiner Antwort anzufangen.
Manuels schweres Schuhwerk, das überhaupt nicht zum Rest seiner übrigen Erscheinung - Polohemd, Bermudas und Strohhut - passt, hätte mich sofort stutzig machen müssen.
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Auf das diesjährige Stammtischwochenende habe ich mich ganz besonders gefreut. Ein äußerst anstrengendes Schuljahr neigt sich dem Ende zu. In acht Tagen beginnen die verdienten Sommerferien. Zuvor jedoch werde ich die zwei schönsten Tage des Jahres genießen: in Limone, meinem Lieblingsort, in Italien, meinem Lieblingsland, angefüllt mit leichten Gesprächen und schwerem Wein, nur wir drei Freunde, die beiden ohne Ehefrauen, ohne pubertierenden Anhang (ich bin ledig und kinderlos, Gott sei Dank), befreiendes Gelächter über dies und das, einfach ein bisschen die Zeit tot schlagen mit Polenta und Kaninchen, meinem Lieblingstier, vorzugsweise medium, in leichter Rotweinsoße, im Schatten der Zitronenbäume unserer Stamm-Trattoria, anschließend ein, zwei, vielleicht auch sechs oder sieben Grappas auf der Terrasse von Ernestos Bar und als krönender Abschluss die Zeremonie des Entkleidens und Nacktbadens im kühlen Gardasee, um einigermaßen wieder zur Besinnung zu kommen und halbtot zum Hotel Santa Maria zu wanken, wo wir uns mit schweren Zungen und leichten Herzen, sorglos wie die 14-jährigen Jungs meiner 4b auf Klassenfahrt, bei Sonnenaufgang in die Betten unserer gemütlichen Einzelzimmer fallen lassen, gerade einmal drei Stunden von hier entfernt.
Zwei Jahre ist`s nun her, dass wir dort gewesen sind.
Aber ich erinnere mich noch genau an jedes Detail, jeden Duft, jeden Gedanken, jedes Kaninchen.
Heute Abend ist es endlich wieder so weit.
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Der Taxifahrer, beim Einstieg eben noch überschwänglich freundlich, bestraft mich für die zweiminütige Fahrt mit Schweigen sowie einer kleinen Reise durch Sackgassen und Baustellen, bis er mit elfminütiger Verspätung und um zwölf Euro reicher endlich in die Schillerstraße einbiegt.
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