Ich bete dafür, dass all jene, die dieses Buch lesen, inneren Frieden erfahren und den wirklichen Sinn ihres Lebens als Mensch erfüllen.
Geshe Kelsang Gyatso
USA
April 2004
TEIL EINS
Um unsere menschlichen Probleme zu lösen und immerwährenden Frieden und Glück zu finden, gab Buddha uns äußerst tiefgründige Lehren, um sie als praktische Ratschläge zu nutzen. Seine Lehren werden «Dharma» genannt, was höchster Schutz vor Leiden bedeutet. Dharma ist die eigentliche Methode, mit der wir unsere menschlichen Probleme lösen können. Um dies zu verstehen, sollten wir zuerst darüber nachdenken, was die wirkliche Natur unserer Probleme ist und was ihre Hauptursachen sind.
Unsere Probleme existieren nicht außerhalb unseres Geistes. Die wirkliche Natur unserer Probleme sind unangenehme Gefühle, die Teil unseres Geistes sind. Zum Beispiel sagen wir oft, wenn unser Auto ein Problem hat: «Ich habe ein Problem». Doch in Wirklichkeit ist das nicht unser Problem, sondern das Problem des Autos. Wir haben nur Probleme, wenn wir unangenehme Gefühle erleben. Die Probleme des Autos sind außerhalb unseres Geistes, unsere Probleme aber sind innerhalb unseres Geistes. Indem wir in dieser Weise zwischen belebten und unbelebten Problemen unterscheiden, können wir verstehen, dass die wirkliche Natur unserer Probleme unsere eigenen Gefühle sind, die Teil unseres Geistes sind.
Alle unsere Probleme – unsere unangenehmen Gefühle – kommen aus unseren Verblendungen der Anhaftung und der Unwissenheit des Festhaltens am Selbst. Deshalb sind diese Verblendungen die Hauptursachen unserer Probleme. Wir haben starke Anhaftung an die Erfüllung unserer eigenen Wünsche; für dieses Ziel arbeiten wir unser ganzes Leben lang sehr hart und begegnen dabei vielen Schwierigkeiten und Problemen. Wenn unsere Wünsche nicht erfüllt werden, sind wir unglücklich und enttäuscht. Oft werden wir deshalb wütend und das wiederum führt zu mehr Problemen sowohl für uns selbst als auch für andere. Wir können das sehr gut aus eigener Erfahrung verstehen. Wenn wir unsere Freunde, Arbeit, Status oder Ansehen und so weiter verlieren, erleben wir Kummer und viele Schwierigkeiten. Das ist so aufgrund unserer starken Anhaftung an diese Dinge. Hätten wir keine solche Anhaftung, gäbe es keinen Grund für Leiden und Probleme, wenn wir diese Dinge verlieren.
Aufgrund starker Anhaftung an unsere eigenen Sichtweisen erleben wir augenblicklich das innere Problem unangenehmer Gefühle, wenn ihnen jemand widerspricht. Dann werden wir wütend, fangen an mit anderen zu diskutieren und zu streiten, und das wiederum ruft weitere Probleme hervor. Die meisten politischen Probleme überall in der Welt werden von Menschen verursacht, die starke Anhaftung an ihre eigenen Sichtweisen haben. Viele Probleme entstehen auch, weil Menschen Anhaftung an ihre religiösen Sichtweisen haben.
Aufgrund unserer Anhaftung an die Erfüllung unserer eigenen Wünsche begingen wir in vergangenen Leben viele unterschiedliche Handlungen, die anderen Lebewesen Schaden zufügten. Infolge dieser Handlungen erleben wir nun viele verschiedene Probleme und Leiden in unserem Leben.
Schauen wir in den Spiegel des Dharma, dann sehen wir, wie unsere Anhaftung, Wut und insbesondere unsere Unwissenheit des Festhaltens am Selbst die Ursachen all unserer Probleme und Leiden sind. Wir werden mit Sicherheit verstehen, dass es keine anderen Methoden gibt, unsere menschlichen Probleme zu lösen, als unsere Verblendungen zu bändigen. Dharma ist die einzige Methode, unsere Verblendungen der Anhaftung, Wut und der Unwissenheit des Festhaltens am Selbst zu beherrschen. Deshalb können wir behaupten, dass Buddhas Lehren, Dharma, die einzige Methode sind, mit der wir unsere menschlichen Probleme lösen können. Die alten Kadampa Praktizierenden und viele Praktizierende heute wissen das aus eigener Erfahrung und können diese Wahrheit bezeugen. Buddhas Lehren sind die höchste wissenschaftliche Methode, um menschliche Probleme zu lösen. Setzen wir diese Lehren aufrichtig in die Praxis um, werden wir mit Sicherheit unsere menschlichen Probleme lösen und den wirklichen Sinn unseres Lebens finden.
Im Sutra der vier edlen Wahrheiten sagt Buddha:
Ihr solltet Leiden erkennen.
Ihr solltet Ursprünge aufgeben.
Ihr solltet Beendigungen erlangen.
Ihr solltet den Pfad praktizieren.
Diese Anleitungen werden die «vier edlen Wahrheiten» genannt. Sie werden «edle Wahrheiten» genannt, da es höchste und nichttäuschende Anleitungen sind.
Im Allgemeinen versteht jeder, der geistige oder körperliche Schmerzen erlebt, sein eigenes Leiden, selbst Tiere. Doch wenn Buddha sagt: «Ihr solltet Leiden erkennen», meint er, dass wir die Leiden zukünftiger Leben erkennen sollten. Denn nur, wenn wir diese kennen, werden wir den starken Wunsch entwickeln, uns von ihnen zu befreien. Dieser praktische Rat ist für alle wichtig, denn wenn wir den Wunsch haben, uns von den Leiden unserer zukünftigen Leben zu befreien, werden wir unser gegenwärtiges menschliches Leben mit Sicherheit für die Freiheit und das Glück unserer zahllosen zukünftigen Leben nutzen. Es gibt nichts Sinnvolleres als das.
Haben wir diesen Wunsch aber nicht, dann werden wir unser kostbares menschliches Leben nur für die Freiheit und das Glück dieses einen kurzen Lebens vergeuden. Das wäre töricht, denn unsere Absichten und Handlungen würden sich nicht von den Absichten und Handlungen der Tiere unterscheiden, die nur auf dieses eine Leben ausgerichtet sind. Der große Yogi Milarepa sagte einmal zum Jäger Gonpo Dorje:
Du hast den Körper eines Menschen, aber den Geist eines Tieres.
Du, ein Mensch, der den Geist eines Tieres hat, bitte höre mein Lied.
Normalerweise glauben wir, dass es das Wichtigste ist, das Leiden und die Probleme unseres gegenwärtigen Lebens zu lösen und widmen unser ganzes Leben diesem Ziel. In Wirklichkeit aber halten die Leiden und Probleme dieses Lebens nicht lange an. Sterben wir morgen, sind sie morgen vorbei. Da jedoch die Probleme und Leiden zukünftiger Leben endlos sind, sind Freiheit und Glück unserer zukünftigen Leben weitaus wichtiger, als Freiheit und Glück dieses einen kurzen Lebens. Mit dieser ersten Edlen Wahrheit ermutigt uns Buddha, unser gegenwärtiges menschliches Leben zu nutzen, um die Freiheit und das Glück unserer zahllosen zukünftigen Leben vorzubereiten. So zu handeln ist wirklich weise.
Eine ausführliche Erklärung, die uns hilft zukünftige Leben zu verstehen, findet sich in Anhang Iund II.
«Ihr solltet Ursprünge aufgeben.»
Auch dies ist ein sehr praktischer Rat. «Ursprünge» bezieht sich hauptsächlich auf unsere Verblendungen der Anhaftung, Wut und Unwissenheit des Festhaltens am Selbst. Normalerweise wünschen wir uns aufrichtig, Leiden dauerhaft zu meiden, denken aber nie daran, unsere Verblendungen aufzugeben. Doch ohne unsere Verblendungen zu bändigen und aufzugeben, ist es unmöglich, uns dauerhaft von Leiden und Problemen zu befreien. Deshalb sollten wir Buddhas Rat annehmen und uns in erster Linie darauf richten, unsere Anhaftung, Wut und andere Verblendungen durch unsere Konzentration auf die tiefgründige Bedeutung des Dharma und die Kraft unserer Entschlossenheit zu kontrollieren.
Verblendungen werden «Ursprünge» genannt, da sie der Ursprung all unseres Leidens und die Hauptursache all unserer Probleme sind. Wir haben schon gesehen, wie Anhaftung eine der Hauptursachen unserer Probleme ist. Die Probleme, die durch Wut hervorgerufen werden, werden in Teil Zwei erklärt. Die folgende kurze Erklärung zeigt nun, inwiefern unser Festhalten am Selbst die Hauptursache all unserer Probleme ist.
Читать дальше