Dir war immer klar, was du wolltest. Genau so wie du dir ständig Männer ausgesucht hast, die dich schlecht behandeln. Schade, dass du dich nicht gerne auf Händen tragen, verwöhnen und vergöttern lässt. Den Job hätte ich gerne übernommen. Dein Wille wäre geschehen. Ein Wimpernschlag von dir, ein aufmunternder Blick. Du hättest mich mit einem Blick zum Schmelzen bringen können. So schmolz ich nur innerlich vor mich hin und nur meine Hoffnung schmolz, bei dem Bemühen meine Liebesglut mit eisiger Kälte zu bekämpfen. Größtenteils zwecklos. Ohne Erfolg. Um dich zu vergessen, habe ich dich zu oft gesehen. Teilweise dein Verschulden . Es gab von deiner Seite aus, im Großen und Ganzen, ja nichts dagegen einzuwenden, mich zu treffen. Manchmal glaubte ich fast, es würde dir Spaß machen, mich zu quälen. Oder ich ließ mich gerne quälen. Je nach dem. Eigentlich verfüge ich nicht über eine masochistische Ader. Aber wer weiß, was einen die Liebe alles erdulden lässt. Sie macht dich im Handumdrehen zahm und gefügig. Sie hilft einem alles zu ertragen. Auch das liegt in ihrer Natur. (Alte Weisheit aus der Bibel.)
Sie betrügt, die Liebe. Denn die Zeit, in der man alles erträgt, könnte man sehr viel sinnvoller verbringen und Ausschau nach anderen Mädchen (Frauen) halten. Nein, man übt sich in Geduld und auch das völlig sinnlos. An carpe diem nicht zu denken. Zeit verstreicht unberührt von wichtigen Ereignissen. Der Augenblick an sich, das Wiedersehen ist das Einzige, worauf es einem ankommt. Ist es dann endlich soweit, ergeht man sich nur wieder in rücksichtsvollem Small Talk oder Gesprächen, die durchaus Fundament und Tiefgang haben, hört sich Geschichten über das elende Fehlverhalten des Partners an und fasst es nicht, wie blind du bist. Du machst die Augen zu und damit ist das uns betreffende Kapitel abgehakt. Ende, aus, vorbei. Wenn du dich gerne quälen lässt, bin ich doch genau der richtige. Durch dich habe ich den Sadismus, meinen Sadismus überhaupt erst kennen gelernt. Für den Fall, dass du von Zeit zu Zeit ein wenig Erniedrigung und Demütigung brauchst, kann ich auch dafür gerne sorgen. Der entscheidende Vorteil bei mir ist dir sicher bekannt: Aufrichtige Verehrung. Du erwartest mittlerweile ja nur noch, dass man dich tritt! Warum unternimmst du nichts dagegen? Lass mich doch dein Verwöhnaroma sein. Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie schön das ist, verwöhnt zu werden? Du kannst es nicht! Ich weiß nämlich, was du unter verwöhnt werden verstehst: Sich mit dem bisschen, das man geboten bekommt, zufrieden zu geben. Das ist aber nicht alles, was man als schöne Frau erwarten darf. Keine Diskussion jetzt! Stell dir vor, ich habe meine eigene Meinung über dein Aussehen. Ich finde dich wunderschön. Nur damit du dich darüber ärgern kannst, es noch mal von mir zu hören: Ich finde dich wunderschön! Obwohl ich dabei bin, mein Leben von deinem zu trennen, wird sich diese Meinung in meinen Gehirnwindungen halten, bis ich zu Asche zerfalle. Diese grausame Tatsache, die sich wie ein widerhallendes Echo zwischen meine Gedanken drängt, ist: Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich. Was soll ich dagegen unternehmen? Jeden Tag sage ich mir: “Ich muss nichts von ihr hören, sie lebt ihr Leben, ich lebe meins.“
Irgendwie habe ich dabei das Gefühl, ich belüge mich selbst. Zumindest, sofern es um meinen Teil der Geschichte geht. Von deinem Teil der Geschichte wage ich nicht zu träumen. Manchmal träume ich heimlich. Du erfährst zwar seit unserem letzten großen Krach nichts mehr davon, aber ich habe den Eindruck, die verrückte Idee, mich vor meinen Gefühlen schützen zu müssen, bevor ich wieder in ihnen untergehe. Und ich ertrinke so gerne. Vor allem in deinen meeresblauen Augen.
Letztendlich weiß ich, dass ich mich verstecke. Ich nutze jeden Schlupfwinkel, um meiner Liebe zu entgehen. Habe kein Interesse daran, wieder den Hass in mir hochkochen zu lassen, jetzt da es endlich so aussah, als ob er überwunden sei. Wo endlich Ruhe und Frieden herrscht. Alles, alles, alles Trick siebzehn mit Selbstüberlistung. Ich weiß nicht mehr, was ich von meinen Emotionen halten soll.
Was genau nannten wir eigentlich „Freundschaft“? Wir haben Jahre unseres Lebens miteinander verbracht. Schaue ich heute drauf zurück, glaube ich fast, nie richtig etwas von dir gewusst zu haben. Du wusstest bestimmt viel mehr von mir. Vielleicht hat mich die Faszination, die du ausübtest, daran gehindert, im richtigen Augenblick die richtigen Fragen zu stellen. Was ich wissen musste, sagtest du mir. Manchmal war das, was ich wusste schwer zu ertragen. Wenn du mir erzähltest, dass du beim Sex of vor Lust laut schreist und mir klar wurde, das ich nie in der Position sein würde, das erleben zu dürfen. Wahrscheinlich habe ich deshalb keine Fragen gestellt.
Ich schlage gerne leise Töne an. Je leiser man ist, desto lauter hört man die anderen schreien. Einige brüllen völlig sinnlos. Gut, wenn man mich genug ärgert, explodiere ich wie eine Atombombe. Aber ich gebe mir Mühe, es nicht zu tun. Ich weiß nämlich leider nur zu gut, wie sehr ich mich möglicherweise von meiner Wut mitreißen lasse, weil sie genau so stark wie meine Liebe ist. Lasse ich es zu, dass ich vor Zorn explodiere, zerreist es mich. Ich werde zur tobenden Bestie, obwohl ich es gern vermeiden würde. Du wirst jedoch nicht daran vorbeikommen, dass ich dir später noch mehr darüber erzähle. Erzählen muss. Du weißt sicher warum.
Wie also liefen unsere Treffen ab? Sie waren der Schnittpunkt zwischen Himmel und Hölle auf Erden. Hier lag das Zentrum in dem Glück und Verzweiflung, Hoffnung und Resignation, Vorfreude und bitterer Nachgeschmack geschmolzen und zu einem Gefühl festgebrannt wurden: Liebe. Hilflose, unerfüllte, brennende, zärtliche und unendlich verletzbare Liebe. Liebe, die du niemals begriffen hast. Ich habe leider auch nie verstanden, warum meine Liebe so unmöglich und unverzeihlich sein sollte. Ich dachte, Liebe und Zuneigung, eben jene unaussprechlichen, zärtlichen Gefühle würdest du kennen, vielleicht sogar wiederentdecken, wenn du dir nur meine Augen anschaust. Meine dicken Brillengläser schirmen wahrscheinlich zu viel von meinen Empfindungen ab, als das jemand sie sieht. Eine böse Idee, die ich habe und die mir zu treffend erscheint, um sie unerwähnt verschwinden zu lassen ist, dass du zu sehr an der Oberfläche kratzt, um meine tiefschürfenden Emotionen nachzuempfinden. Ich hoffe sehr, das ist nicht der Fall. Hoffnung ist eine andere Sache, die ich mir im Bezug auf meine Emotionalität abgewöhnt habe. Ich glaube an gar nichts mehr. Das ich noch mal der Liebe, der echten, wahren aufrichtigen und vom Gegenüber erwiderten Liebe begegne, nein, das halte ich mittlerweile für unmöglich. Senza una Donna. Das scheint mein Schicksal zu sein. Zum Teil fürchte ich mich nicht mehr davor. Der andere Teil, der andere Teil, reagiert auf diese Idee umso hysterischer. Also denke ich so wenig wie es geht darüber nach. Ich versuche einfach nach Ersatz Ausschau zu halten, nach einer Frau, die aufgrund ihres Charakters, ihrer Intelligenz und ihrer Schönheit, ein süßes Mädchen namens Stephanie aus meinem Herzen verdrängen könnte.
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