" Die Geschichte auf diesen Seiten ist nicht die Geschichte der arabischen Bewegung, sondern die meiner Beteiligung daran. Es ist die Erzählung des täglichen Lebens, unbedeutender Geschehnisse kleiner Menschen. Hier gibt es keine Lektionen für die Welt, keine Enthüllungen, um die Menschen zu schockieren. Sie ist voll von trivialen Dingen, zum Teil deshalb, daß niemand die Überreste, aus denen ein Mann eines Tages Geschichte machen könnte, fälschlich für Geschichte hält, und zum Teil wegen des Vergnügens, das ich bei der Erinnerung an meine Beteiligung an dieser Revolte hatte. Wir alle waren überwältigt, wegen der Weite des Landes, des Geschmacks des Windes, des Sonnenlichts und der Hoffnungen, für die wir arbeiteten. Die Morgenluft einer zukünftigen Welt berauschte uns. Wir waren aufgewühlt von Ideen, die nicht auszudrücken und die nebulös waren, aber für die gekämpft werden sollte. Wir durchlebten viele Leben während dieser verwirrenden Feldzüge und haben uns selbst dabei nie geschont; doch als wir siegten und die neue Welt dämmerte, da kamen wieder die alten Männer und nahmen unseren Sieg, um ihn der früheren Welt anzupassen, die sie kannten. Die Jugend konnte siegen, aber sie hatte nicht gelernt, den Sieg zu bewahren; und sie war erbärmlich schwach gegenüber dem Alter. Wir dachten, wir hätten für einen neuen Himmel und für eine neue Welt gearbeitet, und sie dankten uns freundlich und machten ihren Frieden." (3)
Im Jahr 1923 verhalf ihm Sir Philip Chetwode, ein Freund aus dem Kriegsministerium, zu dem Falschnamen T. E. Shaw in der britischen Luftwaffe, worauf Lawrence bis zu seiner Verabschiedung 1935 als einfacher Soldat diente, um relativ anonym leben zu können. Lawrence ging zurück nach England, wo er am 13. Mai 1935 dann einen schweren Motorradunfall mit Kopfverletzungen erlitt, denen er nur sechs Tage später im Alter von 46 Jahren erlag. Er wurde auf dem neuen Friedhof der Kirche von Moreton begraben. Auf dem Grabstein steht 'Dominus illuminatio mea' (4), dies ist der Leitspruch der Universität Oxford. In der St. Martin's Church von Wareham (Dorset) wurde von seinem Freund Eric Kennington ein Grabmal aufgestellt, das ein Bildnis von Larwence in arabischer Kleidung aufweist.
Bereits zu Lebzeiten war Lawrence zu einem Mythos avanciert, denn zahlreiche Bücher stilistierten ihn zu einem Helden, zum " Scherif ", zum " Fürsten von Mekka " und dem "ungekrönten König Arabiens". Übrigens hatte Lawrence selbst über den arabischen Aufstand umfangreich berichtet. Sein Werk " Seven Pillars of Wisdom" (Die sieben Säulen der Weisheit) wurde regelrecht zu einem Klassiker der Weltliteratur. Sein Leben als Soldat hatte er in dem Buch " The Mint" (Unter dem Prägestock ) verarbeitet, gleichzeitig darin auch ein leidenschaftliches Bekenntnis für den Frieden abgelegt.
Aber erst das Wüstenepos " Lawrence von Arabien" von David Leanaus verhalf Lawrence zu bleibendem Weltruhm. Der Film mit Peter O'Toole in der Titelrolle, Alec Guiness als König Faisal sowie Anthony Quinn und Omar Sharif erhielt insgesamt sieben Oscars, außerdem war er für noch weitere drei nominiert. Der Film setzt sich aus Lawrence's Bericht und den historischen Ereignissen zusammen.
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(1) Damit ist die Eisenbahnlinie von Damaskus bis Medina gemeint.
(2) Dieses spanische Wort bedeutet " Kleinkrieg" .
(3) Lawrence, T. E.: " Die sieben Säulen der Weisheit" , München 2003 (S. 850)..
(4) "Der Herr ist mein Licht".
DAS FRÄULEIN DOKTOR (ELSBETH SCHRAGMÜLLER)
Elsbeth Schragmüller hieß eigentlich 'Elisabeth'; sie wurde am 7. August 1887 in Schlüsselburg (kreis Minden) geboren und wurde überwiegend nur " Fräulein Doktor" genannt; am 24. Februar 1940 ist sie in München gestorben. Schragmüller war eine deutsche Spionin und leitete während des Ersten Weltkrieges die deutsche Spionage- abteilung gegen Frankreich (wo sie 'Mademoiselle le Docteur' genannt wurde) im Nachrichtendienst der Obersten Heeresleitung.
Elisabeth Franziska Catharina Anna (wie sie eigentlich getauft worden war) war das älteste von vier Kindern des preußischen Offiziers und Amtmanns Carl Anton Schragmüller und dessen Gattin Valesca, einer geborenen Cramer von Clausbruch. Der jüngere Bruder Konrad wurde später SA-Führer und Polizeipräsident von Magdeburg. Die 'Villa Schragmüller' war von einem groß angelegten Park mit Springbrunnen und Fischteichen umgeben, es gab ein eigenes Gärtnerhaus und eine Kutscherwohnung sowie Ställe für Wagen- und Reitpferde, außerdem Obst- und Gemüsegärten. (1)
Das Mädchen verbrachte die Kindheit zunächst an ihrem Geburtsort, lebte dann aber bis zu ihrem neunten Lebensjahr bei der Großmutter in Münster, wo sie auch die Volksschule besuchte. Danach kam sie in ein Weimarer Mädchenpensionat und später an ein Mädchengymnasium in Karlsruhe, wo sie 1908 das Abitur machte. Schragmüller studierte Staatswissenschaften in Freiburg und beendete ihr Studium im Jahre 1913 mit der Promotion. Mit diesem Abschluss wurde sie Dozentin für Staatsbürgerkunde in Berlin; außerdem arbeitete sie bei der Volkswohlfahrt.
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, begegnete Schragmüller im besetzten Brüssel dem deutschen Generalgouverneur Colmar von der Goltz, der ihre Tauglichkeit sofort erkannte und sie in der Sektion VII der Kommandantur der Garnison Brüssel einsetzte, um beschlagnahmte Briefe von belgischen Soldaten auswerten zu lassen. Etwas später ging sie zur Nachrichtensammelstelle und arbeitete dann in der Abteilung III b in Lille, das heißt dem militärischen Nachrichtendienst des General- stabs. Dort sollte sie die bereits angeworbenen Personen instruieren, Meldewege sicherstellen, die Aussagen der in ihren Bereich fallenden Agenten überprüfen sowie Berichte abfassen und weiterleiten. Mit Intelligenz, Einfühlungsvermögen, weiblichem Instinkt und Taktgefühl gelang es ihr schnell, diese wichtigen Aufgaben zu bewältigen. Walter Nicolai setzte die Frau 1915 als Leiterin der Sektion der 'Kriegsnachrichtenstelle Antwerpen' ein; sie zeichnete sich rasch aus und erreichte bis zum Kriegsende den Rang eines Oberleutnants. Außerdem verlieh man ihr das Eiserne Kreuz I. Klasse. Damals war sie die Führungsoffizierin Mata Haris. (2)
Sie war der einzige weibliche Geheimdienstoffizier in deutschen Diensten, ist selbst nie ins Ausland gefahren und nie durch den elektrischen Zaun nach Holland infiltriert worden und sie hatte anscheinend auch keine Affären mit Kollegen. Als der Krieg vorbei war, trat Schragmüller wieder in ihre akademische Laufbahn ein; schnell wurde sie weibliche Lehrstuhlassistentin in Freiburg, siedelte mit ihrer Familie nach München über und gab - nachdem ihr Vater und ihr Bruder 1934 gestorben waren (der Bruder war in der 'Nacht der langen Messer' , im Zusammenhang mit dem Röhm-Putsch, ermordet worden) - ihre berufliche Karriere auf.
Nur sechs Jahre später starb Elsbeth Schragmüller im Alter von nur 52 Jahren an Knochentuberkulose in München. Die Strapazen des Krieges hatten Spuren hinterlassen, vor allem an ihrer Gesundheit gezehrt: Längere Zeit hatte sie in Krankenhäusern und Sanatorien verbringen müssen. Eine Grabstelle ist nicht belegt und auch bestätigte oder beglaubigte Bilder sind nicht vorhanden. Das Fräulein Doktor soll extrem schlank, hübsch, reserviert und blond gewesen sein. (3)
Bereits im Krieg hatten verschiedene Legenden um 'das Fräulein Doktor' kursiert. Danach wurde die Spionin anonym zur Fahndung ausgeschrieben. Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gelang ihre Identifizierung, weil der amerikanischen Besatzung ein Dossier des Generalmajors Friedrich Gempp in die Hände gefallen war (4). Was an Gerüchten über ihr Leben bekannt geworden war, wurde von Hans Rudolf Berndorff 1929 in einem frei erfundenen Roman zusammengefasst, der auch zur Grundlage für mehrere Filme und ein Theaterstück wurde. Demzufolge soll sie als Geliebte eines Offiziers bereits mit 16 Jahren ein Kind tot geboren haben, worauf sie von ihren Eltern aus dem Haus geworfen sein soll; später soll sie morphiumabhängig gewesen sein und nach Kriegsende in einer Irrenanstalt geendet haben. In der Zwischenzeit habe sie - getarnt als Studentin oder verkleidet als Putzfrau - zahlreiche erotische Abenteuer erlebt und die Alliierten ausspioniert. Recht abenteuerliche Spekulationen bringt auch Magnus Hirschfeld: Sie soll nach seinen Quellen 1916 den Spionagedienst in Paris neu eingerichtet haben und später über die Schweizer Grenze geflohen sein. 1918 sei sie als 'südamerikanische Krankenschwester' getarnt 1918 erneut nach Frankreich gekommen, wo sie Informationen hinter der Frontlinie gesammelt habe.
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