Doch nach etwa fünf Minuten geschah etwas sonderbares! Ein türkisgrünes Licht mit einer sehr hohen Reinheit und "kosmischen" Energie umhüllte Tuurgu, den schwerkranken und durch die Krankheit an den Fingern und Füßen leicht verstümmelten Mann, der nichts mehr zu verlieren hatte. Jetzt begannen sich die fehlenden Körperteile an den Händen und Füßen wie durch ein Wunder wieder zu bilden, der starke Ausschlag und die Leprome auf dem Gesicht und seinen Gliedmaßen verschwanden immer mehr, als ob man einen Film rückwärtsspulen würde! Der ganze Vorgang dauerte einige Minuten, wobei Tuurgu es noch nicht bemerkt hatte, da er in seiner Konzentration voll auf Shiva ausgerichtet war. Tuurgu war etwa drei Meter vom Magier von Varanasi entfernt.
Nach ungefähr zehn Minuten war der Heilungsprozeß vollkommen abgeschlossen. Die Haut und die Extremitäten von Tuurgu waren wieder vollkommen natürlich und gesund, und die leichten Lähmungserscheinungen waren ebenfalls weg.
"Tuurgu, du kannst jetzt mit der Meditation aufhören."
"Ja, gesegneter Brahmachari. Ist gut."
Erst jetzt bemerkte Tuurgu, daß er vollkommen von der Lepra geheilt war. Er konnte es gar nicht fassen!
"Brahmachari, meine Knoten und Verstümmelungen sind weg, mein Körper ist wieder wie vor einigen Jahren, und ich kann mich wieder uneingeschränkt bewegen! Ein Wunder ist geschehen! Shiva hat ein Wunder vollbracht!! Jai Shiva Shankara!"
Übermütig rannte Tuurgu über die Stufen des Ghats ins Wasser und empfing den Segen der Ganga. Obwohl er ironischerweise gleichzeitig den vielen Bakterien im Ganges ausgesetzt war und Lepra ja durch eine bakterielle Infektion ausgelöst wurde, passierte Tuurgu jetzt nichts mehr. Über den Punkt, ob man sich im Ganges erst recht Krankheiten holte oder ob man durch das Heilige Wasser geheilt werden könnte, streiten Gelehrte und Wissenschaftler bis heute.
"Ab heute bist du von deinem Dharma als dom und Leichenträger befreit, dich erwartet ein neues Leben!" rief der Magier Tuurgu im Ganges zu.
"Ich kann es noch gar nicht fassen! Es ist einfach unglaublich!" antwortete Tuurgu.
Eine kleine Menschentraube von Indern und drei Touristen hatte sich inzwischen gebildet, die alle wie hypnotisiert zu Tuurgu hinschauten. Ein Tourist machte Photos. Für alle war dies ein ganz faszinierendes Ereignis, und keiner wußte genau, ob jetzt der Magier von Varanasi oder Shiva diese wundersame Heilung vollbracht hatte.
Der Magier machte noch ein kurzes Gebet an Brahman und entfernte sich sogleich mit raschem Schritt, bis er außer Sichtweite von Tuurgu war. Dann löste sich der Magier von Varanasi sprichwörtlich in Luft auf! Eine Dematerialisation? Ein Mayavirupa-Phänomen? Keiner wußte es so genau. Es fiel keinem auf, daß der Magier urplötzlich weg war. Bis heute gab es keine Erklärung, wer der Magier von Varanasi eigentlich war, woher er kam und ob er überhaupt eine Familie hatte.
Ein mysteriöses Phänomen, daß sich durchaus mit dem damaligen historischen Adligen St. Germain in Europa vergleichen ließ, der sich angeblich auch förmlich in Luft aufgelöst haben soll. Tore zu einer anderen Welt und neuen Dimensionen!
Der Flug LH 313 wurde zur Begeisterung von Ariette nach Dehra Dun umgeleitet, von wo es nach einem zweistündigen Aufenthalt am Flughafen mit einem Inlandsflug mit Indian Airlines schließlich doch zum Hauptflughafen von New Delhi ging. Der Attentäter war inzwischen festgenommen und ein Teil des explodierten Materials zur Analyse sichergestellt worden.
"Zum Glück bleibt uns Varanasi erspart!" rief Ariette begeistert aus.
"Na, dann warte erst mal die Innenstadt von Delhi ab." sagte Alan Phoenix trocken, mit einem Schmunzeln auf den Lippen.
Leicht schwankend und eirig setzte die Maschine von Indian Airlines auf die Landebahn des Flughafens von New Delhi auf. Immerhin war das Flughafengebäude modernisiert worden; man wollte unbedingt mit der konkurrierenden Stadt Chennai mithalten und sich keineswegs überflügeln lassen.
Währenddessen war "Mr. 50000 Volt" in der Astralhölle angekommen. Die Ankunft hatte sich um ein dreiviertel Jahr verzögert, da er vorher noch in der jenseitigen Zwischenwelt gefangen gewesen war.
"Willkommen, elendiges Arschloch! Haudegen, Betrüger, Oberkrimineller, perverser Sex-Lüstling!" empfing ihn der Höllenaufseher, der furchterregend aussah. Wie eine Mischung aus Skelett, verfaultem Fleisch, einem "Krätzigen" und einem entstellten Warzenschwein.
"Als erstes kommst du sofort in die Blitz-Folterkammer, da kannst du deine 50000 Volt, die du bei deinem Abgang vor kurzem auf Erden erlebt hast, noch zwanzig Mal nacherleben! Wie im Film!"
"Blöder verreckter Drecksack! Das will ich aber nicht! Außerdem habe ich das Kommando, schließlich bin ich ein ganz hohes militärisches Tier!"
"War doch nur'n kleiner Scherz! - Außerdem hast du mir gar nichts zu befehlen! Du wirst schon noch sehen, wie die Uhren hier unten ticken! - Ein Tier bist du? Wohl eher ein abartiges Monster. - Hier, nocheinmal der Präsident und der Verteidigungsminister der USA vom August 2012!"
Mr. 50000 Volt visualisierte sich sofort hunderte von schwarz-weiß-roten Dart-Spickern und warf diese auf deren Köpfe, bis diese bis zur Unkenntlichkeit durchlöchert und zerfetzt waren.
"Bist du eigentlich ein Ideologe?"
"Ideologe? Warum? Stell nicht solche blöden intimen Fragen, elendiger Mob-Höllenwärter! - Ja, ich bin ein Anhänger von A. H. Meine Ideologie auf Erden war, die USA vollkommen zu entmachten, dort soviel Schaden und Terror wie nur möglich anzurichten und den Weg frei zu machen für..."
"Egal." unterbrach ihn der Wärter. "Da hinten steht dein Schwefelfraß, dein Gallenwurzgetränk und die Viren-Chemieschnee-Dusche. Extra für dich!"
"Pfui Spinne! - Ich will jetzt sofort ein großes argentinisches Steak mit Pommes Frites und einer Heinz-Barbecue-Soße, sowie ein Beck's-Bier!"
"Blöder Idiot! Soll ich jetzt den Seelenzerhäcksler anwerfen und dich hineinstecken? Dann kommst du hinten ganz fein püriert-atomisiert wieder raus! - Hier gibt's keine Steaks und Beck's Bier, Fehlanzeige!"
"Warum denn nicht?! Für mich gelten nämlich andere Gesetze - nur die der < Elite >! Ich verdiene eine Sonderbehandlung. Außerdem habe ich die besten Anwälte der Welt, und genügend Millionen, mich aus juristischen Notlagen rauszukaufen."
"Arroganter Fatzke! Sonderbehandlung! Wozu brauchst du hier unten einen Anwalt?? Du mußt dich an die veränderten Spielregeln hier unten noch gewöhnen! - Jedem das, was ihm gebührt! HAHAHAHAHA!!!"
Laut schallend und mit tausend Echos ertönte das Lachen des häßlichen Höllenwärters bis in den letzten Winkel der untersten Astralsphäre, dem eisigsten und dunkelsten Winkel Terras.
In der hintersten Ecke lagen einige von der Göttin Durga abgeschlagene Köpfe der Kabeldämonen. Lasch und apathisch lagen sie da, unfähig, weitere elektrische Feuer-Naturgeister und Undinen zu quälen und diese zu schweren Naturkatastrophen zu zwingen, welche die Feuergeister und Wassergeister dann gemäß den Naturgesetzen ausgeführt hätten. Die Naturkräfte können nämlich nicht widersprechen, da sie keinen freien Willen haben. Das ist vom Schöpfer so vorgegeben.
Aber das ist ein anderes Kapitel.
Kapitel Numero zwei naht - oder die zickigen Allüren einer ehemaligen Prinzessin in New Delhi. "Dilli, Dilli!"
Alan Phoenix und seine Ehefrau Ariette war soeben aus dem Flugzeug in New Delhi ausgestiegen und begaben sich zur Gepäckausgabe.
"Das dauert ja ewig, bis unsere Koffer kommen!" nörgelte Ariette herum. "In Philadelphia geht das aber schneller!"
"Wir sind hier in Indien , einem Schwellenland, und nicht in einem High-Tech-Land wie bei uns." antwortete ihr Mann.
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